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Treibhausgas-Ausstoß bis 2020
Deutschland wird sein Klimaziel nicht erreichen

Das Projekt "Energiewende" gilt noch immer als Blaupause für das, was geschehen muss: Weg von fossilen Brennstoffen hin zu regenerativen Energieträgern. Dabei gibt es ein Etappenziel: Die Bundesregierung will den Ausstoß von Kohlendioxid bis 2020 um 40 Prozent gesenkt haben im Vergleich zu 1990. Doch das wird leider nicht klappen.

Von Volker Mrasek | 19.11.2015
    "Das ist ein Stück weit die Weltformel, wenn man so will."
    Zwei E stehen für Erneuerbare Energien, zwei für Energie-Effizienz. Nur so, sagt Manfred Fischedick, könne die Welt ihre Klimaschutz-Ziele erreichen. Durch den Umstieg von fossilen auf erneuerbare Energieträger. Und durch große Einsparungen beim Verbrauch, sprich: durch einen effizienteren Umgang mit Energie.
    Auch für Deutschland gebe es keine andere Alternative, sagt der Vize-Präsident des Wuppertal-Instituts für Klima, Umwelt und Energie:
    "Also unbedingt Kombination Ausbau erneuerbarer Energien mit möglichst viel Effizienz. Nur dann haben wir eine realistische Chance, die Energiewende zu realisieren."
    Von diesem Weg kommt Deutschland aber im Moment ab. Bis 2020 soll der Ausstoß von Kohlendioxid eigentlich um 40 Prozent gesunken sein, im Vergleich zum Ausgangsjahr 1990. Das ist das offizielle Klimaziel der Bundesregierung. Doch der Wuppertaler Energieexperte kann sich kaum vorstellen, dass es noch erreichbar ist:
    "Wir haben jetzt 27 Prozent Minderung erreicht. Das Ziel liegt bei 40 Prozent. Und dazwischen sind nur noch einige wenige Jahre - vier Jahre und ein bisschen. Das wird extrem anstrengend und ambitioniert sein, dieses Ziel zu erreichen. Ich hoffe, dass wir sehr nahe 'rankommen, aber ich bin selber skeptisch, ob wir es wirklich erreichen."
    Wie sollte das noch gehen? Die Emissionen müssten ab sofort um drei Prozent pro Jahr sinken. Bisher kamen wir aber im Durchschnitt lediglich auf etwas mehr als ein Prozent. Dabei muss man sogar noch berücksichtigen, dass uns rund ein Drittel der Emissionsreduktionen praktisch in den Schoß gefallen ist nach dem Ende der DDR. Dafür sorgten die notwendigen Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen beim "Aufbau Ost".
    Die Energiewende sei zuletzt nicht mehr richtig vorangetrieben worden, kritisiert Hermann Ott, Experte für Nachhaltigkeitspolitik am Wuppertal-Institut.
    "Deutschland hatte ja lange den Ruf, dass es Vorreiter ist. Aber das ist auch schon einige Zeit vorbei, weil verschiedene Regierungen in der letzten Zeit dafür gesorgt haben, dass die sogenannte Energiewende versandet, einen schlechten Ruf bekommt, viel zu teuer wird. Also, es ist wirklich eine Katastrophe!"
    Was hätte stattdessen getan werden müssen, um das Etappenziel für 2020 zu schaffen? Die minus 40 Prozent ...
    "Wo wir riesige Potenziale haben, die bei Weitem noch nicht ausgeschöpft werden, ist natürlich im Gebäudesektor. Wir eine energetische Sanierungsrate, die liegt unter einem Prozent pro Jahr. Da kann man deutlich mehr machen!"
    Ernsthafte Anstrengungen zum Energiesparen vermisst Manfred Fischedick auch im Verkehrssektor:
    "Wir fahren immer noch mit Autos 'rum, die viel zu viel Kraftstoff brauchen für die Mobilitätsdienstleistung, die sie am Ende des Tages vollbringen. Nämlich durchschnittlich schwere Menschen von A nach B zu bringen. Das kann man weitaus effizienter machen. Also, da liegen riesige Effizienz-Potenziale brach, die wir unbedingt auch erschließen müssen, um überhaupt die Chance zu haben, in Richtung eines Erneuerbare-Energien-Systems zu gehen."
    Ein Seitenhieb auf die vielen sogenannten SUVs, die auf unseren Straßen mittlerweile unterwegs sind - schwergewichtige Autos, die unnötig viel Kraftstoff verbrauchen. Ernüchterung auch beim Blick auf die deutsche Industrie. Sie lässt in ihrem Bemühen um mehr Energie-Effizienz inzwischen deutlich nach.
    Es läuft also darauf hinaus, dass Deutschland sein Klimaziel für 2020 verfehlt. Um nachher umso mehr tun zu müssen. Denn bis Mitte des Jahrhunderts sollen unsere CO2-Emissionen höchstens noch 5-15 Prozent betragen. Das ist das langfristige Ziel der Bundesregierung. Dann sollen vor allem Biomasse-Kraftwerke und Windturbinen Energie liefern. Laut Manfred Fischedick ist das immer noch möglich. Das zeigten alle vorliegenden Energie-Szenarien. Aber: Das Projekt sei kein Selbstläufer.
    "Mit dem, was wir jetzt in den nächsten Jahren vielleicht auch noch anstoßen können, bin ich durchaus zuversichtlich, dass wir im Jahr 2050 zumindest eine CO2-freie Stromversorgung hinbekommen. Und vielleicht leicht zeitversetzt dann auch eine CO2-freie Versorgung des Transportsektors und des Industriesektors. Insofern müssen wir aber jetzt die Weichen stellen in die richtige Richtung. Damit wir 2050 da sind, wo wir sein wollen."