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Trend
Schiefertafel statt Teller in Berliner Restaurants

Ob Burger oder Sushi, Salat oder Sorbet - in vielen Berliner Restaurants wird das Essen lieber auf rechteckigen Steinplatten serviert als auf Tellern. Die Schieferplatte als Tellerersatz? Ein Trend mit Tücken.

Von Gesine Kühne | 24.08.2016
    Zu sehen ist ein Schokobecher mit Vanillepudding, Sahne und Himbeeren auf einer Schiefertafel
    Die Schiefertafel ist ein Hingucker, da sie das Farbspiel des Essens unterstreicht (imago/Chromorange)
    "Auf einer Creme von getrüffelten Austernpilzen hast du hier Kräuterseitlinge, Pfifferlinge, Birkenpilze und Champignons. Dazu gibt es Seespargel, also Meeresspargel."
    Serviert auf einer Schiefertafel. Ihre Farbe: tiefes Anthrazit. Ihre Form: rechteckig. Wäre sie nur ein bisschen breiter, hätte sie sogar DIN-A4-Format.
    "Es hat sich schnell gezeigt, was schön drauf aussieht. Gemüse und so erdige Farben kommen wunderschön rüber auf dem Naturuntergrund. Und bei Desserts sieht es auch toll aus", sagt Hyun Wanner, Geschäftsführer des Restaurants "Daemon" in Berlin Mitte.
    Wanner grinst verschmitzt, wenn er über den Tellerersatz Schieferplatte spricht. Als wäre der graue Essensuntersatz ein kleines, niedliches Kind, das dennoch viel Unfug anrichtet:
    "Es ist der Alptraum. Die wenigen Unfälle, die hier passieren beim Servieren, haben alle mit Schieferplatte zu tun. Vor allem Sorbets und Eis, das schon leicht angeschmolzen ist und rutschig ist auf so einer Schieferplatte - das kann schon mal zu kleinen Unfällen führen."
    Das ist aber noch lange kein Grund, die Schieferplatte wieder abzuschaffen. Der Geschäftsführer Hyun Wanner hat sich vor knapp zwei Jahren bewusst für diese Servierform entschieden. Weil es zum einen Zeitgeist war, erzählt Wanner. Zum anderen passt die dunkle Platte zu den modernen koreanischen Speisen, die es im Restaurant gibt. Keine riesigen Portionen, alles sorgsam angerichtet. Vor allem aber fügt sie sich genau in das Setting des Restaurants ein. Die dunklen Wände des Ladens lenken die Blicke eher auf die Holztische als ab. Steht auf dem Tisch in warmem Holzton diese tiefgraue Schieferplatte, wirkt das Essen auf der Platte wie ein Gemälde.
    Verbreitet in den gehobenen Restaurants
    Schieferplatten. Tektonisch deformierte, gefaltete Sedimentgesteine. Nicht an einem Datum festzumachen, ist ihre Ankunft in der Gastronomie. Verbreitet sind Schieferplatten in Berlin zum Beispiel in den gehobenen Restaurants. Der Trend zum Tellerersatz hat jetzt allerdings auch Einzug in die Burgerbuden und andere hippe Gaststätten gehalten. Neben Schieferplatten gibt es aber auch eine absurde Weiterentwicklung des Nicht-Teller-Trends. Ganz nach dem Motto: Je verrückter wir unser Essen servieren, desto cooler ist unser Laden.
    Dass Skateboards, ausgehöhlte Äxte, Schuhe, Eierkartons oder Schaufeln als Tellerersatz nicht unbedingt gut ankommen, zeigt das Blog "We Want Plates", eine britische Plattform, auf der für Teller plädiert wird. Mit mehr als 100.000 Followern bei Twitter und knapp 60.000 bei Facebook hat die Forderung fast schon Petitionscharakter.
    Zurück im Restaurant in Berlin Mitte ist die Pilzvorspeise restlos von der Platte gekratzt. Zwei vegetarische Vorspeisen und drei Desserts werden hier auf Schiefer serviert. Bevor aber die nächste Steinplatte mit einer Auswahl von süßen Leckereien vor mir steht, kann, muss die leere Tafel erstmal abgeräumt werden. Und das ist gar nicht so einfach, erzählt Hyun Wanner.
    "Ganz viele Gäste helfen instinktiv, das ist immer super. Wenn die das nicht tun, dann muss man sie so leicht mit einer Ecke über den Rand ziehen, damit man sie greifen kann. Wir haben auch schon tatsächlich überlegt, ob wir solche Stäbe drunter machen, damit sie leicht erhöht sind, aber das muss ja alles in die Spülmaschine und muss halten. Das ist alles nicht so einfach, wie man sich das am Anfang vorstellt."
    Die Schiefertafel ist dennoch ein Hingucker. Klar, ein Angeber-Teller, aber ein schöner, der das Farbspiel des Essens unterstreicht. Und das mit dem Essen von der Steinplatte funktioniert auch. Wobei man sich beim Eis wirklich beeilen sollte, sonst läuft die geschmolzene Suppe über den nicht vorhanden Tellerrand hinweg und bildet einen kleinen See auf dem Tisch. Und apropos Suppe:
    "Sachen, die doll verlaufen, würden wir nicht auf der Schieferplatte servieren", sagt Wanner. "Dafür sind Tellerränder doch da!"