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Trendig und umweltbewusst
New Yorker lernen Fahrradfahren

In New York boomt Fahrradfahren. In der Metropole wurden inzwischen unterschiedliche Arten von Fahrradwegen entwickelt. Doch einige müssen erst die Fortbewegung auf dem Zweirad lernen.

Von Florian Elsemüller | 25.11.2013
    Es ist ein windiger Tag im Herbst. In einem Park am East River rascheln die Blätter der Bäume. Hier teilen 18 Erwachsene ein Schicksal: Sie haben nie gelernt, auf einem Fahrrad ihr Gleichgewicht zu halten.
    "Als ich jünger war, haben meine Cousins mich vorne auf den Lenker gesetzt. Und als ich gesehen hab, wie schnell ich war, hab ich Angst bekommen. Jetzt, mit 31 lerne ich also Fahrradfahren. Ich will mich damit in der Stadt fortbewegen können. Mein Bruder macht das. Er trägt seinen Anzug für die Arbeit und fährt Fahrrad."
    Offensichtlich, da verändert sich gerade etwas in New York City. Fahrradfahren in Manhattan ist nicht mehr nur für Lebensmüde.
    "Es ist gutes Training und gesünder und auch sowieso viel besser als Auto fahren."
    Der Fahrradtrainer ist Geoff Lenat, 31 Jahre alt. Der Student arbeitet ehrenamtlich für Bike New York.
    "Wir werden jetzt das Gleichgewicht halten - und kümmern uns um nichts anderes."
    Geoff hat alle Pedale abgeschraubt und die Sättel ganz niedrig montiert. Seine Schüler stoßen sich jetzt mit den Füßen auf dem Boden ab.
    "Das ist anstrengend sich anzuschieben."
    "Ihr fahrt einfach ein paar Runden. Dehnt euch. Macht eine Pause, wenn euer Hintern wehtut. Das ist ganz normal, wenn euer Hintern wehtut."
    "Oh ja, damit kämpfen viele der Fahrrad-Neulinge."
    Geoff selbst ist in New York so was wie ein Pionier. Er bewegt sich schon seit Jahren praktisch nur noch mit dem Fahrrad in der Stadt.
    Er radelt jeden Tag zur Uni, 25 Minuten durch Manhattan.
    "Ich hab einen Gepäckträger am Rad, an den kann ich meine Tasche hängen. Das längste Stück fahre ich entlang des Hudson Rivers auf einem Greenway, einem Weg nur für Fahrräder. Das ist sehr angenehm. Am Anfang und am Ende muss ich dann mitten auf der Straße fahren."
    Die New Yorker haben unterschiedliche Arten von Fahrradwegen entwickelt: Die „Separated Greenways“ sind grünlackierte Streifen, mit Pufferzone zwischen den Radlern und den Autos. Dann gibt es die gewöhnlichen „Bicycle Lanes“, die mit einer weißen Linie markiert sind. Hier fehlt allerdings die Pufferzone. Und schließlich die „Shared Lanes“, also Straßen, die sich Fahrradräder und Autos teilen müssen.
    "Wenn Du nicht auf den Greenways unterwegs bist, sondern auf einer Straße zusammen mit Autos sieht das alles gleich ganz anders aus."
    Da kommen auf der Seventh Avenue die Stoßstangen zwischen den Häuserschluchten auch mal bedrohlich nahe. Erst jetzt schraubt Geoff die Pedale nach und nach wieder an die Fahrräder. Mit dieser Methode sollen Erwachsene innerhalb von zwei Stunden Fahrradfahren können. Mit Stützrädern lernt das heute kaum einer mehr.
    "Sie tritt schon in die Pedale. Fantastisch!"
    "Ich kann das Gleichgewicht halten – naja, fast. Ich fühle mich wie ein sechsjähriges Kind."
    Der Trend in New York geht zum Rad. Mitverantwortlich dafür ist die neue Politik im Rathaus unter dem jetzt scheidenden Bürgermeister Michael Bloomberg. In den vergangenen Jahren hat er 500 Kilometer neue Fahrradwege anlegen lassen – New York City kommt mittlerweile auf insgesamt 1200 Kilometer Fahrradwege. Fahrradfahren boomt.
    "Viele Leute machen es. Und es werden immer mehr, je mehr Fahrradwege es da draußen gibt. Die Menschen fühlen sich sicherer und probieren es aus."
    Und „Bike New York“ hat nach eigenen Angaben schon 15.000 Menschen gezeigt, wie man Rad fährt. Nach zwei Stunden auf dem Fahrrad können im Park am East River tatsächlich 15 Teilnehmer das Gleichgewicht halten.
    "Ich glaub, ich hab‘s verstanden. Das überrascht mich. Hätte ich nicht gedacht, dass ich es so lernen kann."
    15 von 18: ein guter Schnitt. Geoff hat es wieder geschafft.