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Treuetest für Frauen

Der junge österreichische Regisseur Alexander Charim und sein Bühnenbildner Ivan Bazak legen Mozarts Oper "Così fan tutte" ganz im Hier und Heute an. Neue Sichtweisen bringt diese Produktion nicht. Die Stärken liegen mehr im Musikalischen.

Von Elisabeth Richter | 23.12.2012
    Dass Idealisten wie Beethoven und Wagner sich kritisch über Così fan tutte, Mozarts vielleicht weiseste und visionärste Oper, äußerten, ist kein Wunder. Hier wird gründlich mit der Illusion der großen Liebe, mit realitätsfernen Sehnsüchten und Hoffnungen aufgeräumt. Die von drei Männern inszenierte perfide Treueprobe und -wette ist nicht nur amüsante Verwechslungskomödie, Mozart und da Ponte erzählen eine bittersüße Parabel über die Unmöglichkeit von Sicherheit und Glück in Beziehungen zwischen den Geschlechtern.

    So setzen der junge österreichische Regisseur Alexander Charim und sein Bühnenbildner Ivan Bazak das Stück ganz im Hier und Heute an. Die Wette der drei Herren spielt anfangs noch vor einem großen weißen Vorhang, danach gibt's ein Einheitsbühnenbild mit einem vorne offenen, doppelstöckigen Haus, auf jeder Etage zwei Zimmer, bürgerlich, spießig.

    Dass es das Haus der Eltern sein soll – denn jeder schleppt ja immer irgendwie seine Vergangenheit mit sich herum -, wird nur aus dem Programmheft klar. Man hastet die Treppen rauf und runter, tritt mal oben, mal unten auf, dünne Wände werden auch lärmend durchbrochen.

    Für den Partnertausch wechseln Gulielmo und Ferrando einfach ihre Anzüge. Der blonde Gulielmo im rosa Anzug trägt nun eine schwarze Perücke und einen blauen Anzug, der dunkle Ferrando kommt blond und im rosa Outfit daher. Der simple Einfall potenziert zunächst die Verwirrung im Gefühlsdurcheinander, denn es ist ja nicht so klar, wer sich welcher Gefühle sicher sein kann. Aber es wird auch die Spur gelegt, dass die Damen ziemlich blöd sind. Würden sie nicht aufmerken, wenn ein vermeintlich neuer Verehrer daher kommt, der genauso aussieht wie ihr alter Verlobter?

    Dass am Ende dieses Liebesverwirrspiels nicht alles wieder schön beim Alten ist, und jeder jeden nicht genauso lieben kann wie zuvor, zeigt Regisseur Alexander Charim, in dem sich die holden Paare zwar alle zusammen, umarmend auf einer Bank versammeln, dabei aber wie Insassen einer Irrenanstalt ins Publikum grinsen. Da gab es schon Inszenierungen, die die Bittersüße des Stücks fantasievoller, bissiger, berührender umsetzten.

    Der eine oder andere Moment Unterhaltung, die szenische Aktion aller Beteiligten wirkt im Ganzen vordergründig. Gulielmo – dem Christopher Tonkin seinen wohltimbrierten Bariton leiht – kreist ein wenig zu oft aufreizend mit den Hüften, die Damen ringen zu oft einfallslos mit den Händen. Die Inszenierung hat Tempo, aber das geht auf Kosten der Poesie. Davon ist Mozarts Musik doch übervoll, und hier entsteht die Spannung zur harten Realität. Von Schmerz und verzweifelter Sehnsucht war nur momentweise zu spüren.

    Karen Karmensek sorgt am Pult des gut vorbereiteten, manchmal in den Bläsern intonationsunsicheren niedersächsischen Staatsorchesters für viel Drive. Allerdings hätte sie das gute Sängersextett ein wenig mehr zu dynamischen Feinheiten anhalten können. Der schauspielerisch draufgängerisch agierende Tenor Sun-Keun Park konnte als Ferrando seine lyrischen Qualitäten zu selten zeigen, genauso wie Monika Walerowicz als Dorabella. Dorothea Maria Marx als Fiordiligi vermittelte am glaubwürdigsten die Magie von Mozarts Musik, die Gleichzeitigkeit von Liebe und Schmerz.

    Neue Sichtweisen auf Mozarts "Così fan tutte " bringt diese Produktion nicht, sie arbeitet nicht gegen die Musik, ist zwar kurzweilig, aber inszenatorisch solide. Die Stärken liegen im Musikalischen.