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Triathlon
Ein Hobby als modernes Prestigeobjekt

Triathlon in Deutschland boomt, die Zahlen in Vereinen steigen seit Jahren. Doch nicht immer ist es nur die sportliche Vielfalt, die Menschen begeistert - auch die Anerkennung im persönlichen Umfeld spielt eine Rolle.

Von Peter Sawicki | 15.10.2016
    Schwimmer beim Triathlon in Hawaii 2014
    Schwimmer beim Triathlon in Hawaii 2014 (imago/sportfoto/ZUMA Press)
    Der Weg zum Triathlon-Erlebnis beginnt im Chlorwasser im Kölner Zentrum. Etwa 15 Hobby-Triathleten des Vereins TriCologne klammern sich an den Beckenrand des Hallenbads und lauschen Schwimmtrainer Erik Felsner. Kraulend und temporeich legen die hauteng gekleideten Freizeitsportler die Bahn zurück. Schon jetzt werden die Grundlagen für das kommende Jahr gelegt, erklärt Felsner:
    "Wir machen jetzt viel Technik, um die Leute fit zu kriegen. Wir machen viel isolierte Arbeit – das heißt: viel isolierte Beinarbeit, viel isolierte Armarbeit zur Kräftigung. Und auch Ausdaueranteile, damit einfach eine Basis für das Sommer- oder Frühjahrstraining vorhanden ist."
    Erst dann finden die tatsächlichen Wettbewerbe statt. Neben Schwimmen stehen dann auch Radfahren und Laufen an. Um das volle Programm erfolgreich zu bewältigen, sind nicht nur Ausdauerübungen nötig. Beim Schwimmtraining sind auch Spurteinheiten Standardprogramm.
    "Die gehören ganzjährig rein – 15- bis 25-Meter-Sprints. Zwei bis drei Sprints in jedem Training kann ich nur empfehlen, damit so eine gewisse Spritzigkeit da ist. Und das macht einen auch nicht müde. Ein 15-Meter-Sprint geht immer, da braucht man keine lange Erholungsphase."
    Mitgliederzahlen in Triathlonklubs steigen
    Circa 150 Mitglieder zählt der Verein TriCologne. Deutschlandweit gibt es mehr als 1.500 Triathlonklubs – deren Mitgliederzahlen steigen seit Jahren. Eine Teilnahme am Ironman streben aber längst nicht alle an. Für Einsteiger gibt es den Sprinttriathlon: 500 Meter Schwimmen, 20 Kilometer Radfahren und 5 Kilometer Laufen. Das sei ohne Weiteres zu schaffen, findet TriCologne-Mitglied Nadine Lingemann:
    "Das ist zwar natürlich anstrengend, klar – aber das ist auch gut machbar. Und ich sage jetzt mal: Im Grunde könnte jeder, der ein vielleicht bisschen sportlich ist, das sogar aus der kalten Hose schießen."
    Lingemann trainiert seit drei Jahren bei TriCologne mit. Zwar sei Triathlon bei ambitionierten Zielen ein kostspieliges Hobby, doch man müsse kein Spitzenverdiener sein, um es sich leisten zu können.
    "Also, es geht auch mit Equipment, das nicht so hochpreisig ist, es geht alles. Ich meine, ich habe auf dem Stahlrad angefangen. Und das hat auch Spaß gemacht, weil es auch seinen Reiz hat. Und man kann ja erst mal gucken: Was hat man in der Schublade? Ich meine, wahrscheinlich hat jeder irgendwie eine Badebutz‘ oder einen Badeanzug in der Schublade, ein Paar Laufschuhe. Und dann hast Du noch ein Fahrrad. Es gibt Leute, die machen mit einem Holland-Rad einen Triathlon."
    Triathleten schätzen sportliche Vielfalt
    Während Nadine Lingemann besonders die sportliche Vielfalt beim Triathlon schätzt, waren es bei Vereinskollege Sven Valkenborghs medizinische Gründe, die ihn dazu bewegten, den Dreifachsport zu betreiben:
    "Warum ich Triathlon mache? Das hat damit zu tun, dass ich irgendwann mal beim Kardiologen war wegen Herzrhythmusstörungen – und der Kardiologe mich quasi vor die Wahl gestellt hat: entweder Tabletten oder Ausdauersport. Und da habe ich mich für den Ausdauersport entschieden."
    Spaß an Bewegung und physische Gesundheitsvorsorge – zwei der häufigsten Gründe für eine Teilnahme am Triathlon. Bei denjenigen, die sich auf längere Distanzen fokussieren, kommt häufig noch die Lust an besonderen Herausforderungen hinzu, erklärt der Sportwissenschaftler Heiko Ziemainz:
    "Grundsätzlich ist es sicherlich so, dass wenn jemand Triathlon-Sport betreibt, dass er das deswegen tut, um so ein bisschen seine Grenzen auszutesten, einfach neugierig ist – ‚Schaffe ich das? Wie fühlt sich das an?‘"
    Viel Anerkennung im persönlichen Umfeld
    Wer einen Triathlon meistert, so Ziemainz weiter, der ernte üblicherweise viel Anerkennung in seinem Umfeld. Ein Hobby als modernes Prestigeobjekt.
    "Also, ich werde, wenn ich so etwas absolviere, zum Teil auch bewundert. Das natürlich für viele auch noch mal ein Anreiz, so etwas entsprechend zu machen. Weil es doch immer noch etwas ungewöhnlich ist. So etwas machen zwar immer mehr, aber nach wie vor werden die von der – ich sag mal – ‚Normalbevölkerung‘ doch als Exoten wahrgenommen werden, die etwas Besonderes und vielleicht sogar 'Verrücktes' machen."
    In Köln-Mitte steigt ein weiterer Sportverrückter aus dem Wasser. Michel Labsch, ein Mann mit drahtiger Statur, ist Mitglied und Trainer bei TriCologne. Mit Triathlon begann Labsch erst mit 40 Jahren – und gibt offen preis, dass dieses Hobby Hingabe und Disziplin erfordert.
    Kein Sport "für junge Familienväter"
    "Also Triathlon ist ein Sport, bei dem man seine Einheiten wirklich planen und organisieren muss und nicht einfach in den Tag hineinlebt. Das funktioniert in den seltensten Fällen, weil Familie, Freunde, Job da eine große Rolle spielen. Triathlon ist einfach ein Zeitfresser, das muss man ganz klar sagen. Jungen Familienvätern rate ich meistens davon ab, weil ich sage: 'Ihr habt die Zeit einfach nicht, und das gibt nur Stress zu Hause.'"
    Wer sich auf Triathlon einlasse, so Labsch, brauche auch einen längeren Atem, um über mehrere Jahre konsequent im Fluss zu bleiben. Viele Aspekte ließen sich aber erlernen – alles in allem überwögen am Ende die Glücksgefühle.
    "Mentale Stärke hilft natürlich bei den ganz langen Einheiten, wenn man einen Halbmarathon läuft oder fünf Stunden Fahrrad fährt. Aber das lernt man mit der Zeit. Ich habe damit auch irgendwann angefangen und habe mich da sehr durchgequält. Aber mittlerweile macht es einfach Spaß! Am Sonntagmorgen mit einer Gruppe von Leuten vier, fünf, sechs Stunden Fahrrad zu fahren, ist einfach großartig!"