Mittwoch, 24. April 2024

Archiv

Triennale Beaufort
Kunst zwischen den Dünen

Wie sich Kunst und Ferien miteinander verbinden lassen, zeigt in diesem Jahr die Triennale "Beaufort" in Belgien. Noch bis September präsentieren 35 Künstler an der Küste zwischen Knokke im Osten und De Panne im Westen ihre Werke in Naturschutzgebieten und einer alten Festung. Überraschende Entdeckungen sind nicht ausgeschlossen.

Von Sabine Oelze | 22.06.2015
    Das Naturschutzgebiet Het Zwin zeigt sich von seiner Postkarten-Seite. Die Juni-Sonne scheint von einem blauen Himmel. Möwen kreischen. Normalerweise streifen hier Ornithologen übers Gelände und beobachten Vögel. Jetzt sind es Kunstinteressierte. Ausgestattet mit einer Lagekarte suchen sie nach Werken der Beaufort-Triennale. Lorenzo Benedetti, einer der vier Kuratoren: "Het Zwin ist eins der drei Hauptausstellungsorte von Beaufort. Das Naturschutzgebiet ist nur wenige hundert Meter von der niederländischen Grenze entfernt. Bei der fünften Beaufort-Triennale geht es auch um die Besonderheiten der Küstenlandschaft, die beiden Naturschutzgebiete im Osten und Westen bilden dabei die Klammer."
    20.000 Patronenhülsen liegen verstreut auf dem Boden eines Vogelbeobachtungspostens. Wer aus den Sehschlitzen blickt, sieht die unberührte Natur einer Marschlandschaft. Schönheit und Krieg, Landschaftsparadies und Tod: Die Installation des Norwegers Matias Faldbakken erinnert daran, dass Belgiens Küste Schauplatz zahlreicher Kriege war.
    Der Italiener Domenico Mangano präsentiert ein Video, ebenfalls in einer Vogelbeobachtungsstation. Es schildert den Alltag von geistig behinderten Menschen in einer niederländischen Wohneinrichtung. "Diese Einrichtung ist ein Mikrokosmos, der sich abgelegen in einem Waldgebiet befindet. Man muss einen langen Weg zurücklegen, um dort anzukommen. Genauso wie hier, wo wir auch lange zu Fuß gehen mussten, um meine Ausstellung zu sehen. Natürlich ist das für Touristen überraschend, sich so ein Video in dieser Idylle anzusehen, aber vielleicht ist das auch die Aufgabe von Kunst, ein bisschen zu schockieren."
    Die Idee, Belgiens Küste zum Ausstellungsort aufzurüsten, entstand im Jahr 2003. Dabei ist es egal, ob die Besucher Badelatschen tragen oder im Anzug kommen. Kurator Lorenzo Benedetti: "Beaufort will zeitgenössische Kunst, einem breiterem Publikum näherbringen, zum Beispiel den zahlreichen Urlaubern hier an der Küste. Und andersherum wollen wir natürlich Kunstpublikum herholen. Und der dritte Punkt ist: Beaufort soll jungen wie etablierten Künstlern die Möglichkeit geben, Werke für diesen besonderen Ort mit seiner spezifischen Landschaft und Geschichte zu schaffen."
    Zum Beispiel Werke zur Geschichte des Atlantikwallmuseums Raversijde, dem zweiten Ausstellungsort von Beaufort. Wie eine Festung liegt es inmitten der Dünen: Nur wenige Meter vom Sandstrand entfernt warteten die Deutschen hier im ersten und im Zweiten Weltkrieg auf die Alliierten. Die Anlage mit ihren Bunkern und Unterständen sieht aus, als wäre erst gestern der Krieg zu Ende gegangen. Jetzt kommt die Kunst dazu. Lilly van der Stokker hat grüne Farbe an den Händen. Seit ein paar Tagen streicht die Niederländerin ein Haus an, gleich neben den Bunkern. Früher war es mal ein Atelier.
    "Wir malen das gesamte Haus an: von unten bis oben, auch das Dach. Die alten Fenster werden auch übermalt, sie funktionieren sowieso nicht mehr. Das Muster, das ich ausgesucht habe, ist sehr dekorativ. Es hat etwas von einem Küchenhandtuch. Das Muster ist auch eine Tarnung, aber keine militärische, sondern eine freundliche Tarnung."
    Grüne Linien, hellgrüne Kästchen, Diagonalen und gelbe Punkte: eine feministische Guerillataktik, die der männlichen Camouflage-Ästhetik eine poppige Variante an die Seite stellt. Ein bisschen gleicht "Beaufort" auch einer Schnitzeljagd. Es kommt vor, dass die kleinen Hinweistafeln am Wegesrand übersehen werden und Besucher inklusive Kurator vom Weg abkommen. Kunst sei eben ein Abenteuer, sagt Kurator Lorenzo Benedetti.
    Auch im letzten Beaufort-Stopp: dem Naturpark De Nachtigall liegen die meisten Kunstwerke versteckt in den Dünen und Wäldchen. Es befindet sich nur einen Steinwurf von der französischen Grenze entfernt. Schulklassen streunen herum. Gleich neben dem Besucherzentrum steht ein provisorisches Holzhaus. "Das ist der Nachbau eines Hauses, das mein Vater als Ferienhaus für die Familie in den 70er-Jahren schuf. Drei Räume, ein Dach. Es ist ziemlich hässlich von außen. Es kostet auch nicht viel, nur das Holz. Aber von innen ist es okay, darum geht es: darum, was sich im Inneren abspielt."
    Matrti Ansons Holzhaus ist eine Mischung aus Utopie vom besseren Leben und Hommage ans Selbermachen. Jeder Kurator kann es ausleihen, aufbauen und so benutzen, wie er es möchte. In Beaufort dient Marti Ansons Haus als Ausstellungsraum für andere Kunstwerke. Das passt zum Konzept von Beaufort. Die Kunst steckt neue Räume ab - Belgiens Küste ist drei Monate lang mehr als Meer und Sand.
    Die Recherche für diesen Beitrag wurde teilweise durch die Tourismus-Behörde von Flandern-Brüssel ermöglicht.