Dienstag, 16. April 2024

Archiv


'Trio Jean Paul + Peter Härtling - Ein literarisch-musikalischer Dialog'

Die unmittelbare Begegnung von Sprache und Musik kennzeichnet die andere Neuerscheinung, die ich Ihnen vorstellen möchte. Diese Doppel-CD fußt auf einer Produktion des WDR. Der Schriftsteller Peter Härtling erzählt über den Schriftsteller und Musiker Ernst Theodor Amadeus Hoffmann und er liest aus seinem Roman "Hoffmann oder Die vielfältige Liebe. Eine Romanze". Dazu spielt das Trio Jean Paul das Klaviertrio op. 70 Nr. 2 Es-dur von Ludwig van Beethoven und das Klaviertrio E-dur aus dem Jahr 1809 von E.T.A. Hoffmann. Der Wechsel von Sprache und Musik folgt einer ausgeklügelten Dramaturgie, und im Booklet kann man ein überaus interessantes Gespräch zwischen Peter Härtling und den Musikern des Trio Jean Paul lesen, dem unschwer das hohe Maß an Reflexion zu entnehmen ist, mit dem hier Kunst betrieben wird. Ohnehin vermerkt man ja mit einigen Nebengedanken, dass hier ein Trio, das seinen Namen nach dem vielleicht musikalischsten deutschen Dichter wählte, eben Jean Paul, sich dessen Zeitgenossen Hoffmann annimmt.

Norbert Ely | 04.05.2003
    Schwierig scheint indes der Part, den Peter Härtling übernommen hat. Der bewegt sich in drei Sprachebenen: er erzählt fast aus dem Stegreif über E.T.A. Hoffmann und darüber, wie sein Roman zustandegekommen ist; er liest aus dem Roman; und er zitiert im Roman E.T.A. Hoffmann. Und er tut dies alles in seinem wohltönenden, liebenswürdigen leicht schwäbischen Tonfall. Natürlich teilt er seinem Publikum mit, dass Hoffmann ein Verrückter war. Aber das klingt so sehr nach altersweiser und verständnisvoller Diagnose, dass Hoffmanns Erzählungen irgendwie in weite Ferne rücken.

    Härtling sagt, dass ihn vor allem der Musiker Hoffmann interessiere. Der Sprachspieler Hoffmann scheint ihm tatsächlich einigermaßen fremd. Das Irrlichternde dieses obdachlosen Geistes, das stete Balancieren am Abgrund sind wohl nicht so sehr Härtlings Sache. Schwer vorstellbar, dass sich dieser große Literat der Gegenwart nächtens mit seinem eigenen fahlen Schatten unterhielte oder eine mystische Beziehung zu einem Kater namens Murr zu pflegen imstande wäre. Allenfalls ließe sich denken, dass ein Kater durch den ständigen Umgang mit Peter Härtling so belesen und musikalisch gebildet würde wie kein Katzentier sonst auf dieser Welt, dass er aber darüber nie und nimmer auf den Gedanken käme, mit tintennassen Pfoten über ein Härtling’sches Manuskript zu tapern, wie dies von dem lebensansichtsvollen, indes ungebildeten Murr belegt ist. So wirkt der, um den es auf dieser Doppel-CD eigentlich geht, nämlich Ernst Theodor Amadeus Hoffmann, eigentümlich domestiziert, heimgeholt in die Welt der etablierten Literatur.

    Das Kuriose an E.T.A. Hoffmann ist dabei, dass er als Dichter unzweifelhaft musikalisch schrieb, als Komponist hingegen erschreckend prosaisch. Die Substanz seines romantisch intendierten Klaviertrios ist dünn; die häufigen Versatzstücke aus der Welt von Hummel und Weber sowie die reichliche Verwendung des Sept- und des Septnonklangs machen eben noch keinen revolutionären Tonsetzer aus. Das Trio Jean Paul, das das Beethoven-Trio in überraschende Nähe zu Schubert rückt und damit eine eher spielerisch-geistvolle Interpretation vorlegt, müht sich um das ganz und gar nicht hoffmanneske Trio des Dichterkomponisten mit all jenem Raffinement, für das diese Kammermusikformation inzwischen ja hinlänglich berühmt ist. Aber das Finale, das einen langsamen Satz und einen raschen Kehraus umfasst, ist im Grunde nicht zu retten. Am meisten bei sich selbst ist Hoffmann im Scherzo. Da ruft er immer wieder für Momente die Geister herauf, die er in den beiden anderen Sätzen am liebsten nicht losgeworden wäre, hätten sie sich denn überhaupt eingestellt. * Musikbeispiel: Ernst Theodor Amadeus Hoffmann - 3. Allegro vivace aus: Klaviertrio E-dur