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Trittbrettfahrer und Anheizer

Jeden Tag treffen sich tausende Demonstranten in Athen vor dem Parlament, um gegen die Politiker zu demonstrieren. Griechenlands Rechtsextreme, die sich "Goldene Morgendämmerung" nennen, sind bei den Demos immer in vorderster Front dabei.

Von Gunnar Köhne | 23.06.2011
    Im Treppenaufgang stapeln sich Holzschilde mit aufgemaltem Rosenkreuz und schwarze Motorradhelme. Im Versammlungsraum junge Männer mit kurz geschorenen Haaren und tätowierten Armen. Ein besonders Muskelbepackter sitzt an einem Tisch und trägt Namen in eine Liste ein. Jedes Mal, wenn einer vortritt, um seinen Namen zu nennen, bleiben ein paar Euroscheine auf dem Tisch liegen - offensichtlich handelt es sich um eine Art Rekrutierungsbüro. An der Wand prangt die Parole: "Für unser Volk! Für unsere Kultur!" Im Zimmer nebenan sitzt der Vorsitzende der Partei "Goldene Morgendämmerung", griechisch: Chryssi Avghi: Sein Name Nikolas Michaloliakos, Ende 50, offenes Jeanshemd, auf der Brust ein Kreuzamulett, auf dem Tisch ein übervoller Aschenbecher. Den deutschen Besucher begrüßt er lachend mit "Arbeit macht frei". Seit den Kommunalwahlen Anfang des Jahres sitzt Michaloliakos, ein gelernter Mathematiker, im Stadtrat von Athen. Sein rechtsextremes Sammelbecken erreichte in der Hauptstadt über fünf Prozent, in Stadtteilen mit hohem Einwandereranteil sogar bis zu 20 Prozent. Griechenland den Griechen, ruft Michaloliakos:

    "Wir haben zwei Millionen illegale Immigranten in Griechenland. Aber die wollen ja eigentlich nach Europa, nach Frankreich und Deutschland. Dann nehmt sie doch auf, die zwei Millionen, und als Gegenleistung treten wir aus dem Euro aus!"
    Tatsächlich schätzt die Regierung in Athen, dass sich höchstens 500.000 illegale Einwanderer in Griechenland aufhalten. Doch ihre platten Parolen gegen Ausländer, insbesondere gegen Muslime, und gegen ausländisches Kapital, das angeblich allein für den Niedergang des Landes verantwortlich sei, verschaffen den Rechtsextremen in der gegenwärtigen Krise Zulauf. In den vergangenen zwei Jahren, behauptet der Vorsitzende, hätte sich ihre Mitgliederzahl auf 20.000 mehr als verdoppelt. Dazu kämen etliche zehntausend Sympathisanten. Regelmäßig machen die schwarz gekleideten Truppen der Morgendämmerung Jagd auf Ausländer, sie waren in den vergangenen Wochen aber auch bei gewaltsamen Protesten gegen die Sparpolitik der Regierung an vorderster Front mit dabei. Parteimitglied Andonis, ein 25-jähriger Student, bestreitet, dass sie gerne zuschlagen, aber er sieht die Zeit für eine nationalistische Machtergreifung nahe:
    "Harte Zeiten erfordern harte Maßnahmen. Ich bin sicher das griechische Volk wird sich uns anschließen."
    Der Omonia-Platz im Zentrum Athens. Treffpunkt vieler illegaler Einwanderer. Auf einem Mauervorsprung sitzt Ahmet mit einem Freund und sieht dem bunten Sommerabendtreiben zu. Immer wieder schaut sich der Algerier um. Vor den griechischen Rassisten hat er große Angst:
    "Einmal stürmte ein Trupp von ihnen den Bus, in dem ich saß. Wer ist hier Ausländer, riefen sie. Sie wollten mich mitnehmen, aber ich konnte fortrennen. Ich gehe nach zehn Uhr abends nicht mehr aus dem Haus."

    Angeführt von rechtsnationalen Funktionären skandieren Bürger des Stadtteils Aghios Panteleimonas "Griechenland den Griechen" und "Alle Ausländer raus".
    In Zeiten großer Wirtschaftskrisen wird nach Sündenböcken gesucht - das weiß Marina Vichou, die in diesem Stadtteil eine anti-rassistische Initiative gegründet hat. Auch sie wurde schon von Rechtsradikalen bedroht. Die Autorin beschuldigt den Staat, untätig zu bleiben:

    "Diese Leute müssten eingesperrt werden, weil sie die Gesetze und die Verfassung dieses Landes verletzten. Sonst fühlen sie sich ermutigt und tragen ihre Gewalt und ihren Terror weiter in alle Stadtteile Athens."
    Gewalt und Selbstjustiz greifen insbesondere in der Hauptstadt immer mehr um sich. Als sich Mitte vergangenen Monats zeitgleich Linksautonome eine Straßenschlacht mit der Polizei lieferten und Neonazis prügelnd durch Einwandererviertel zogen - warnte Innenminister Rangousis vor "Beiruter Verhältnissen" in Athen.