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Trocken-WCs für bessere Hygiene

40 Prozent der Menschheit haben keine Toilette. Vor allem in Afrika und Asien fehlen sanitäre Anlagen und Abwassersysteme. Abhilfe könnten Trocken-WCs schaffen, die bereits in der Praxis erprobt sind.

Von Christoph Kersting | 01.10.2007
    Für uns eine Selbstverständlichkeit: Nach jedem Toilettengang wird ordentlich gespült, mit zehn oder mehr Litern zumeist wertvollem Trinkwasser. In westafrikanischen Ländern wie Mali, Nigeria oder Burkina Faso hingegen wären viele Menschen froh, überhaupt Zugang zu Sanitäranlagen zu haben, sagt Leonellha Barreto vom Technologie-Transfer-Zentrum Bremerhaven, das das EU-Projekt NETSSAF koordiniert.

    "23 bis 25 Prozent der Leute, die da leben, haben überhaupt keinen Zugang zu sanitären Anlagen, und wenn sie welche haben, dann keine nachhaltigen. Das bedeutet, dass sie Wasser brauchen in den Toiletten, obwohl sie überhaupt nicht so viel Wasser haben. Man imitiert das, was hier in Europa gemacht wird, obwohl die Bedingungen dort ganz andere sind."

    Zudem stellt sich die Frage: Wohin mit den Fäkalien, wenn es keine Kanalisation und Kläranlagen wie in Europa gibt? Mirko Hänel vom ttz Bremerhaven:

    "Gerade in Westafrika kann man von diesem Kreislauf sprechen, dass es sehr wenige Toiletten gibt, und die Toiletten in der Regel direkt verbunden sind mit dem nächsten Oberflächengewässer - Fluss, See - so dass man dort hygienische Probleme hat. Durchfallraten, Kindersterblichkeit sind sehr hoch."

    Die Lösung ist denkbar einfach: Trocken-WCs, die ohne Wasserspülung auskommen.

    "Das kann man sich so vorstellen, dass man ein Häuschen hat, das höher gestellt ist. Darunter befindet sich ein Hohlraum, und der wird dann mit Holzasche, mit Blättern gefüllt, so dass dann nach einem gewissen Zeitraum ein Teil der Kammer geschlossen werden kann"."

    Der Toilettensitz wird nun einfach über einer zweiten Bodenöffnung im Häuschen befestigt:

    ""Dann wird der zweite Teil der Kammer genutzt. In der Zeit hat man eine komplette Trocknung und eine Kompostierung. Insofern hat man mit diesem System eine direkte Trennung von Toilette und Gewässer und gleichzeitig eine neue Ressource, Mineraldünger zu ersetzen mit organischem Dünger."

    Denn die getrockneten Exkremente werden anschließend von den Bauern auf Feldern und in Gärten wiederverwertet. Weniger als umgerechnet 50 Euro kostet so eine Toilette mit Betonfundament und Lehmwänden, die dann in ländlichen Regionen genutzt werden kann. Auch die Vereinten Nationen unterstützen Projekte wie NETSSAF und haben 2008 zum "Internationalen Jahr der Hygiene" erklärt. Dabei geht es vor allem darum Netzwerke von Experten und lokalen Entscheidungsträgern zu schaffen, die dann den Bau von Sanitäranlagen selbst in die Hand nehmen. Mirko Hänel:

    "In NETSSAF haben wir die glückliche Situation, dass mehr als die Hälfte der Partner einheimische Forscher sind, einheimische Kommunen sind, die uns dann auch ganz genau sagen: Das geht, das geht nicht. Und wir haben natürlich auch so eine Art Beispielkommune, wo wir gucken können, wie bereits installierte Toiletten angenommen werden, wie werden die genutzt? Wir haben ein Dorf besucht vor Ort, in Burkina Faso, und dort haben wir uns die Toiletten angesehen nach über einem Jahr Nutzung. Und die Leute haben es angenommen, die sahen sehr gut aus, und die Leute entwickeln das System dann auch weiter, das ist praktisch eine Art Hilfe zur Selbsthilfe."

    Andernorts ist man laut Mirko Hänel schon weiter, in Indien wurden bereits 300.000 Trocken-WCs gebaut, in China sogar 3 Millionen, teils in mehrstöckigen Wohnanlagen, in denen die Fallrohre mit Sägespänen gespült werden. Doch auch in unseren Breitengraden und vor allem in Südeuropa dürften Trocken-WCs angesichts zunehmender Hitzeperioden ins Blickfeld rücken.

    "Für Deutschland werden Wassersparkonzepte sicherlich eine Rolle spielen. Ob Trockentoiletten für den städtischen Bereich infrage kommen, bin ich skeptisch, ganz offen gesagt. Ich glaube aber, dass es in Zukunft Sachen geben wird wie Urin-Separierung, was technisch heute ohne Probleme möglich ist, um einfach diesen Bedarf an großen Klärwerken zu reduzieren. Es sind sehr teure Systeme. Die haben sicherlich mal ihre Berechtigung gehabt, aber inzwischen haben wir uns weiter entwickelt. Die Abwassertechnologie ist in Deutschland sicherlich 60 Jahre alt, von der Idee her."