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Trockenheit und Dürre werden zu einem globalen Problem

Klimaforschung. - Von Südwestfrankreich über Spanien bis nach Portugal ist in diesem Sommer viel zu wenig Niederschlag gefallen. Resultat war eine Dürre, wie es sie im Mittelmeerraum nur selten gegeben hat. Sie ist nicht notwendigerweise ein Zeichen für den Klimawandel: Extreme Ereignisse wie dieses sind selten - und es ist schwierig, seltene Ereignisse mit einem langfristigen Klimawandel zu verknüpfen. Allerdings passt die Dürre in Portugal, Spanien und Südwestfrankreich genau zu dem in Klimamodellen vorhergesagten Trend.

Von Volker Mrasek | 19.10.2005
    Die wochenlange Dürre in Spanien und Portugal, der Jahrhundertsommer 2003 mit seinen vielen Hitzeopfern in Frankreich und Italien, die Furcht vor weiteren extremen Trockenperioden auch in Deutschland - mit Sorge haben Menschen in Mitteleuropa das Wetter- und Klimageschehen zwischen Atlantik und Ural im Blick.

    Wissenschaftler dagegen schauen auch schon mal über den Tellerrand hinaus. Wie Alexander Lotsch. Er ist Geograph und Deutscher, arbeitet aber bei der Weltbank in Washington, in der Arbeitsgruppe für "Entwicklungsforschung". Auch dort gibt es Fachleute, die Klimatrends analysieren. Nach Lotschs Untersuchungen reichten langwierige Dürren zuletzt weit über Europa hinaus:

    " Das war ein ganz deutlich geographisch weit reichendes Phänomen. In Nordamerika, in Europa, Zentralasien sehr stark, Nordostasien - also ein zusammenhängender Gürtel von Dürre, den wir dort beobachten konnten."

    Sommerliche Trockenheit habe im Prinzip die ganze nördliche Hemisphäre heimgesucht, sagt Lotsch. Und zwar vornehmlich in mittleren Breiten:

    " Sehr stark betroffen waren die Staaten der ehemaligen Sowjetunion: Teile Chinas, Nordchinas, Kasachstan - das war so der Hauptgürtel. Aber dann auch sich ausdehnend bis in den Mittelmeerraum. Aber auch in Nordamerika: Kalifornien, der Nordwesten: Washington State, Oregon State und runter bis Mexiko."

    Lotsch und seine Kollegen werteten die Daten von US-amerikanischen Erdbeobachtungssatelliten aus. Sie tragen Messinstrumente, die den Zustand der Vegetation aus dem All erkennen können: ob die Pflanzenwelt gerade gedeiht und ergrünt oder ob sie unter Trockenheit leidet und verdorrt. Diese Daten verglichen die Forscher mit den Aufzeichnungen von Wetterstationen am Boden. Untersuchungszeitraum waren die Jahre 1999 bis 2002.

    Es ergab sich ein stimmiges - und erstaunliches - Bild, wie Geowissenschaftler Lotsch sagt:

    " Die Neuigkeit an meiner Studie ist, dass dieses Ausmaß bisher noch nicht gesehen wurde. Dass also im Prinzip ganze Landstriche, ganze Kontinente, eine ganze Hemisphäre unter Dürre leidet. Und was ich halt auch gezeigt habe: Dass es im Prinzip ein zusammenhängender geophysikalischer Prozess ist, der diese Dürre gesteuert hat."

    Auslöser der konzertierten Trockenheit waren demnach die Global Player im weltweiten Klimageschehen: die Ozeane. Wenn sie sich erwärmen oder abkühlen, hat das weit reichende Folgen für die Luftzirkulation in der Atmosphäre - und damit auch für Witterung und Klima.

    Bekanntestes Beispiel ist wohl das Wechselspiel von El Nino und La Nina im tropischen Pazifik. Dort gibt es Episoden, in denen sich die Meeresoberfläche stark erwärmt. Dann spricht man von El-Nino-Bedingungen. Und es gibt Phasen, in denen das Wasser wesentlich kühler ist. In diesen Jahren herrscht La Nina vor. Das Wechselspiel von Wärme und Kälte gilt als die stärkste Klima-Anomalie auf unserem Globus. Sie kann Wetterextreme an ganz anderer Stelle begünstigen - sowohl als El Nino wie auch als La Nina.

    So war es wohl auch um das Jahr 2000 herum, zur Zeit der Kontinent übergreifenden Dürre im Norden. Sie wurde durch La Nina begünstigt. Lotsch:

    " Es kam hinzu eine sehr starke Erwärmung von Meeresoberflächentemperaturen im Indo-Pazifik, im Prinzip zwischen Indien und den Philippinen. Kam hinzu, dass ähnliche Zirkulationsphänomene im Ozean und in der Atmosphäre im atlantischen Bereich stattgefunden haben und die, die im Pazifik stattfanden, verstärkt haben. Da kamen in diesen drei Jahren speziell drei Sachen im Prinzip zusammen."

    Reiner Zufall oder eine Folge des Klimawandels? Das ist die Frage. Klar beantworten lässt sie sich nicht. Jedenfalls rechnen Klimaforscher damit, dass die Erderwärmung die Zirkulationsmuster in Ozean und Atmosphäre verändert. Und dass Wetterextreme wie Dürren künftig noch intensiver ausfallen. So viel immerhin scheint festzustehen.