Donnerstag, 25. April 2024

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Tröger: "Darüber nachdenken, ob das Geld immer richtig investiert wird"

Ob das durchwachsene Abschneiden der deutschen Athleten in London systemische Ursachen habe, ist für Walther Tröger offen. Das Verhältnis der Förderung von Breiten- und Leistungssport gelte es nach den Spielen zu analysieren, fordert der langjährige Chef des Nationalen Olympischen Komitees.

Walther Tröger im Gespräch mit Friedbert Meurer | 10.08.2012
    Friedbert Meurer: Und in der britischen Hauptstadt begrüße ich ebenfalls jetzt am Telefon Walther Tröger, lange Jahre Präsident des NOK Deutschlands, des Nationalen Olympischen Komitees. Guten Morgen, Herr Tröger!

    Walther Tröger: Guten Morgen, Deutschland!

    Meurer: Haben die Briten ihre Sache sehr gut gemacht?

    Tröger: Ja. Also das, was Ihre Korrespondentin eben gesagt hat, das trifft tatsächlich zu. Es hat Anfangsschwierigkeiten gegeben: Das System mit den Fahrern war nicht so gut entwickelt, wie es hätte sein können. Aber die Fahrer sind freundlich, sind lernfähig und das hat sich alles sehr eingependelt. Und es ist völlig richtig, das Problem mit den Tickets ist eigentlich kein Problem. Man kann nicht alle bedienen, die das gerne möchten, und die Stadien sind voll, und das bedeutet, dass vor allem auch sehr viele Engländer dabei sind, denn sonst – mit nur Ausländern wäre das ja gar nicht möglich gewesen.

    Meurer: Was hat Sie denn am meisten beeindruckt in den letzten Tagen?

    Tröger: Ja, vor allem die Freundlichkeit aller Mitarbeiter, der Polizisten, der Armee – wenn man denkt, dass viele der Soldaten sehr kurzfristig eingesetzt wurden, weil sie die Hilfskräfte von einer Firma ersetzen mussten, die das ganze Kontingent nicht erfüllen konnten, und wie die das machen, obwohl sie auf ihren Urlaub verzichten müssen. Das alles ist schon sensationell. Aber das ganze System stimmt: Die Idee vom Seb Coe, wie er diese Spiele organisiert, die ist stimmig und die hat sich wirklich durchgesetzt. Die Straßen sind voll, die Leute wandern von einer Wettkampfstätte zur anderen, die schauen sich auch eine Art von Public Viewing an, und jeder ist begeistert. Natürlich sind die Engländer, die nicht zufrieden waren mit diesen Spielen, weggefahren, die sind in Urlaub gefahren, aber die, die hier sind. Die ganze Stadt lebt mit Olympia.

    Meurer: Was war denn die Leitidee von Sebastian Coe, dem Ex-Weltklasseläufer und Organisator?

    Tröger: Ja, die Leitidee, ja, das ist interessant zu sagen: Ich habe mit ihm gesprochen, habe gesagt, was du hier machst, sieht ja ein bisschen nach München aus. Da sagt er: Ich habe von München gelernt. Ich habe sehr viele Ideen, auch die kurzen Wege, so weit das. Das ist nicht denkbar wie in München, wo sich das im Zentrum der Stadt abspielt. Da hat man eben andere Wettkampfzentren geschaffen, aber die kurzen Wege sind da, jedenfalls in einigen dieser, wie sagt man, diese Clusters, und vor allem die Freundlichkeit, das Fokussieren auf die Athleten, dass die Athleten wirklich an erster Linie stehen und dass man denen helfen muss, dass man sie gut betreuen muss, dass alles stimmt.

    Meurer: Waren, Herr Tröger, die Spiele besser als in Peking vor vier Jahren?

    Tröger: Na ja, sie waren ganz anders, und sie sind auch besser. Für uns sind sie besser, weil sie ein bisschen mehr unseren Ideen von olympischen Spielen entsprechen. Aber auch Peking darf man nicht schlechtmachen, denn das, was in Peking passiert war nach wenigen Tagen, dass die Soldaten, die Helfer, die Kontrolleure, die da waren, sich auf uns eingestellt haben, freundlich zu uns waren, gemerkt haben, wir sind genauso Leute, die an diesen Olympischen Spielen interessiert sind wie sie selber, das hat auch bei Peking viel dazu beigetragen. Aber Peking war halt schon ein bisschen künstlicher.

    Meurer: Sollte man Olympische Spiele nicht mehr in autoritäre Staaten vergeben, oder ist das naiv, weil im IOC die Machtverhältnisse anders sind?

    Tröger: Ja nun, was heißt das denn? Wie kommen wir dazu, das zu entscheiden? Diese autoritären Staaten sind ja nun mal da, und das IOC ist globalisiert, da besteht die Mehrheit inzwischen aus Mitgliedern, die, ich will nicht sagen, aus solchen Staaten kommen, aber zumindest aus Staaten, die anders damit umgehen als wir in Europa und Nordamerika. Danach muss man sich auch richten. Und so werden auch Entscheidungen getroffen im IOC. Also dass wir immer glauben, dass gerade an unserem Wesen, an der sogenannten Demokratie in Europa und in anderen Ländern die Welt genesen muss, das müssen wir uns mal langsam abschminken.

    Meurer: Aber der olympischen Idee tut es doch nicht gut, wenn sie in autoritären Staaten stattfindet?

    Tröger: Na, ich würde eigentlich sagen, doch, denn in China hat sich sehr viel entwickelt. Der Staat bleibt autoritär, aber das ist eine Entscheidung, über die die Politik nachdenken muss. Aber es hat sich in China etwas entwickelt an Öffnung, wie es keiner vorher geglaubt hätte.

    Meurer: Reden wir einmal über den sportlichen Verlauf. Für die Deutschen ist es nicht so sehr gut verlaufen bisher, zehn Goldmedaillen, in Peking waren es vor vier Jahren 16. Woran lag es?

    Tröger: Ja, das ist schwer zu sagen. Also ich meine, ich möchte das gerne den Fachleuten überlassen, das hinterher in Deutschland wieder zu analysieren, wie es ja nach allen olympischen Spielen stattfindet, leider bisher nicht mit dem Ergebnis, dass sich sehr viel bessert. In Peking waren es mehr, aber wir haben ja nun in einigen Sportarten auch dieselben Einbrüche erlebt, wie sie hier nun stattgefunden haben. Das wird zwar ausgeglichen durch Sportarten, die wirklich Leistung bringen, wie die Kanuten, oder die Leichtathleten sind ja nun auch auf einer guten Spur inzwischen. Das muss analysiert werden. Man kann auch das englische System beispielsweise, was ja nun hochkarätig wirkt, nicht auf uns übertragen. Die Engländer haben eben alles, was nur irgend möglich ist, eingesetzt in die Vorbereitung, das System entwickelt, unglaublich viel Geld investiert. Aber das Ergebnis ist auch heute schon, dass das Publikum sehr intensiv darüber nachdenkt, ob das gut ist, und wünscht, dass ein Teil dieser Mittel, wenn sie weiter fließen – auch das ist zweifelhaft –, mehr in den Breitensport, in den Basissport investiert wird. Und dann geht natürlich vieles davon auch dem Leistungssport verloren.

    Meurer: Also Sie plädieren nicht dafür – mehr Geld für mehr Medaillen?

    Tröger: Nicht unbedingt. Das System kann sich auch ändern. Ich denke, dass wir in Deutschland sehr viel Geld verfügbar haben und man muss darüber nachdenken, ob das Geld immer richtig investiert wird. Aber das bitte sollen die Fachleute tun. Ich habe lange genug daran gearbeitet, jetzt sind mal die anderen dran.

    Meurer: Es gibt hier viel Diskussion in Deutschland darüber, dass das Bundesinnenministerium, Bundessportministerium die Olympiaziele nicht veröffentlichen will, Gerichtsbeschluss und so weiter, bleibt unter Verschluss, der Zusammenhang zwischen Förderung und Anzahl der gewünschten Medaillen. Sollte man das nicht offenlegen? Wo ist das Problem?

    Tröger: Entschuldigung, ich habe Ihre Frage am Ende nicht verstanden.

    Meurer: Wo ist das Problem, das zu veröffentlichen?

    Tröger: Ja, auch da müssen sich Leute miteinander unterhalten. Gibt es ein Problem überhaupt oder muss man einfach davon ausgehen, dass die Aktiven, die hier am Start sind, die sich selber motivieren müssen, die aber auch motiviert werden müssen, eben auch nur Menschen sind und dass einige nicht gut genug eingestellt waren auf die Stunde X, bei der sie angetreten sind, während andere ja nun wirklich überraschende Leistungen gebracht haben wie die Judoka, mit deren Leistungen hat man nicht gerechnet, so wie es der Fall war, und bei vielen anderen ja auch?

    Meurer: Das war Walther Tröger, langjähriger NOK-Präsident Deutschlands, live aus London, mit einer ersten Bilanz der Olympischen Spiele, für die Handyqualität bitte ich um Verständnis und Entschuldigung. Herr Tröger, Wiederhören und noch gute Tage in London!

    Tröger: Ja, vielen Dank, es hat mich ein bisschen überrascht jetzt, aber das war mein Fehler wohl.

    Meurer: Okay. Danke schön, Wiederhören!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.