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Troika nimmt Griechenland erneut ins Visier

Der neue Regierungschef Griechenlands Antonis Samaras konnte aus gesundheitlichen Gründen nicht am EU-Gipfel in Brüssel teilnehmen. Nun wird er erneut die Troika - Vertreter der EU-Kommission, Europäischen Zentralbank sowie des Internationalen Währungsfonds - in Athen empfangen. Diese Troika hat unangenehme Aufgaben.

Von Thomas Bormann | 04.07.2012
    Wie stark sind die Reformen in Griechenland durch den Wahlkampf der letzten Monate ins Stocken geraten? Lohnt es sich überhaupt noch, Griechenland neue Kredite zu geben? Oder hat das Land vielleicht doch ordentlich gespart?

    Antworten auf diese Fragen soll die Troika finden. Gut drei Dutzend Experten von EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds nehmen in den kommenden Wochen den griechischen Staatshaushalt unter die Lupe.

    Die Regierung in Athen ist zuversichtlich, der Troika sogar Zugeständnisse abzutrotzen und die Sparpolitik abzumildern. So sollen Arbeitslose künftige zwei Jahre statt nur ein Jahr Unterstützung bekommen und im Tourismus will die Regierung Steuern senken, um die Wirtschaft anzukurbeln, aber die Griechen auf der Straße sind skeptisch:

    Wir erwarten keine Verbesserungen. Es wird wohl alles beim alten bleiben. Aber es wäre natürlich schön, wenn da etwas Gutes herauskommen würde. Meint ein 38-jähriger Lehrer. Ein Rentner aber winkt ab:

    Solange sie die Steuerhinterziehung nicht in den Griff kriegen, ist es auch egal, ob die Troika hier ist oder nicht. Die werden nur die einfachen Leute auspressen, obwohl die schon völlig ausgepresst wurden.

    Er fürchtet, was viele Experten voraussagen: dass die Troika fordern wird, Griechenland müsse noch mehr sparen und eben doch Staatsbedienstete entlassen. Denn der Staat kann nicht auf Dauer mehr Geld ausgeben als er einnimmt.

    Die griechische Opposition fordert, die Troika-Experten zu boykottieren. Alexis Tsipras vom Bündnis der Radikalen Linken schimpft:

    "Was für alle in der Eurozone gilt, sollte auch für unser Land gelten. Das ist so eindeutig, dass man darüber doch gar nicht verhandeln muss. Dass der Europäische Rat am vergangenen Freitag Griechenland nicht die gleichen finanziellen Rechte zugestanden hat, untergräbt unsere gleichberechtigte Rolle in der Eurozone."

    Beim EU-Gipfel am vergangenen Freitag bekamen Spanien und Italien die Zusage, dass ihre maroden Banken direkte Hilfen aus dem Rettungsschirm bekommen werden. Hilfen, die griechische Banken nicht in dem Umfang bekamen, so Tsipras:

    "Deshalb fordern wir: Mit der Troika darf es überhaupt keine Gespräche geben, solange für uns nicht die gleichen Rechte garantiert werden."

    Bei vielen Griechen wachsen die Zweifel, ob ihr eigenes Land überhaupt reformfähig ist wie bei dieser 50-jährigen Athenerin:

    "Es wäre schön, wenn sie uns helfen würden, so wie sie Spanien und Italien geholfen haben. Aber trotzdem: Wir wären dann immer noch nicht gerettet. Wir sind doch selbst Schuld für das Chaos hier. Wir alle versuchen doch immer, uns irgendwie durchzumogeln, haben immer nur den eigenen Vorteil im Sinn oder wollen für unsere Kinder etwas rausholen. Keiner denkt an die Interessen Griechenlands."

    Ministerpräsident Samaras lässt solche Zweifel natürlich nicht gelten und verweist darauf, dass etliche Reformen durchaus umgesetzt wurden, gerade auch beim Eintreiben von Steuern.

    Was aber alles noch im Argen liegt in Griechenland, musste sich Antonis Samaras gestern von Horst Reichenbach anhören. Reichenbach leitet die Task Force – das sind Fachleute der EU, die im Auftrag der Regierung in Athen die griechische Verwaltung auf Vordermann bringen sollen.

    Reichenbach kritisierte, dass die griechische Regierung ganz bewusst Rechnungen monatelang liegen lässt und einfach nicht bezahlt. Insgesamt stehen Zahlungen in Höhe von 6,5 Milliarden Euro aus. Betroffen sind Baufirmen, Pharmaunternehmen, die Medikamente an staatliche Krankenhäuser liefern und andere Lieferanten. Wenn solche Firmen zur Überbrückung einen Kredit brauchen, bekommen sie den nicht, weil die Bank offene Rechnungen an den Staat nicht als Sicherheit anerkennt. Horst Reichenbach warnt:

    "Sogar mit all den Reformen wird es schwer, die Lage der griechischen Wirtschaft zu verbessern, wenn das Finanzproblem nicht angepackt wird."

    Noch bevor die Troika ihren Prüfbericht in einigen Wochen vorlegen wird, kann die griechische Regierung also jetzt schon konkret etwas fürs Wirtschaftswachstum im eigenen Land tun, nämlich: Schlicht und einfach die offenen Rechnungen an die Lieferanten bezahlen.