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Tropenwaldtagung

Die tropischen Regenwälder beherbergen nach Schätzungen von Experten drei Viertel aller Organismen weltweit. Und die meisten von ihnen sind bislang weder erforscht noch dokumentiert. Obwohl hier also viele Ressourcen verborgen sind, die der Menschheit vielleicht einmal nützlich sein könnten, wird der Regenwald gnadenlos zerstört, entweder um Landwirtschaft zu betreiben oder um das Holz zu verkaufen. Wie lässt sich diese Tropenwaldzerstörung - vor allem in wirtschaftlich armen Regionen - verhindern? Wie kommt man vom Reden zu Taten? Über diese Fragen diskutieren derzeit Forscher in Göttingen auf der internationalen Tagung der Gesellschaft für Tropenökologie.

Elke Drewes | 22.02.2002
    3 Jahre hat Michael Kessler tropische Bergregenwälder erforscht. Der Botaniker vom Albrecht von Haller-Institut für Pflanzenwissenschaften der Uni Göttingen war vor allem in den Anden, in Bolivien, unterwegs. Ist mit dem Geländewagen über schlechte Straßen in die Wälder gefahren, hat dort im Zelt campiert und gemeinsam mit anderen Botanikern die Pflanzenvielfalt erforscht, sozusagen Inventur gemacht. Eine große Aufgabe, denn in den tropischen Regenwäldern gibt es 5 mal soviel Arten wie in Deutschland.

    Wir haben 2000 verschiedene Pflanzenarten gefunden: 900 Farne, 60 Palmen und knapp 200 Bromelien, kennt man vom Fensterbrett, graue Dinger auf Steinen und Trichterpflanzen mit rosa Blütenstand drauf. Das sind Pflanzen, die auf Bäumen wachsen und da leben Salamander und Frösche drin, die nur in diesen Bromelientrichter vorkommen. Haben also wichtige ökologische Funktion.

    Aber der Mensch hat schon viel getan, um das System ins Wanken zu bringen. Im Amazonasbecken hat die Holzindustrie Bäume gefällt. In den Gebirgsregionen haben Bauern Wälder gerodet, um die kahlen Flächen als Acker zu nutzen. In den Anden ist bereits 90 Prozent des Regenwaldes abgeholzt. Mit den Bäumen sind bereits die Hälfte aller Pflanzenarten verschwunden. Auch die Urahnen unserer Kulturpflanzen sind bedroht.

    Es gibt etwa 200 wilde Kartoffelarten. Und es stellt sich zunehmend heraus, diese wilden Kartoffelsorten zu erhalten, damit man die einkreuzen kann in unsere Kartoffeln, wenn es Probleme gibt mit Schädlingen oder die Klimabedingungen verändern sich und dann stellt man fest, da gibt es doch eine Kartoffel, die kann das und das, können die wir nicht einkreuzen, um unsere Kulturpflanzen zu verbessern.

    Das genetische Material unserer Kulturpflanzen geht langfristig verloren. Andere Auswirkungen der Regenwald- Rodung sind schon jetzt spürbar.

    Am wichtigsten sind die Probleme der Wasserversorgung. Die Wälder kämmen aus Nebel, der in Bergen hängt, den Regen. Das ist nochmal genauso viel wie aus den Wolken herabregnet. Die Wälder haben dicke Humusschicht, in de sich Wasser ansammelt und langsam über Quellen wieder abgegeben wird. Das heißt in unberührten Bergwaldgegenden haben wir gute Wasserversorgung. Wenn die Wälder zerstört werden, haben wir in de Regenzeit Überschwemmungen, starke Erosion, in der Trockenzeit fehlt das Wasser.

    Die Bodenerosion hat weitere Folgen: Der erodierte Boden enthält zuwenig Nährstoffe. Deshalb können die Bauern auf ein und demselben Acker nur wenige Jahre Mais oder Getreide anbauen.

    Da werden steile Hänge unter Pflug genommen, der Boden ist steinig, dann zieht man weiter und rodet den nächsten Wald. Und inzwischen ist Bevölkerungsdichte so hoch, dass man nicht mehr weiter ziehen kann, weil dort schon der nächste sitzt.

    Einen Ausweg sieht der Botaniker Kessler in einer anderen Wirtschaftsweise - Nach dem Vorbild der Inkas. Sie haben ihre Felder auf Terrassen angelegt. So konnten sie die steilen Berghänge optimal bewirtschaften Und auch auf kargen Boden gute Erträge erzielen. Allerdings sind die Andenbauern nur schwer dazu zu bewegen, auf Terrassenanbau umzustellen. Der hohe Arbeitsaufwand scheint sich nicht schnell genug zu rechnen. Auch fehlt das Geld für die Umstellung. Eine Anschubfinanzierung muss von außen kommen,sagt Michael Kessler etwa über Entwicklungshilfeprojekte. Die Gesellschaft für Tropenökologie berät alle Beteiligten: Projekte, Bauern und Regierungen. Die meisten Staaten haben zwar das Artenschutzabkommen von Rio unterzeichnet. Doch in die Praxis umgesetzt hat es noch niemand, bedauert der Vorsitzende der Gesellschaft für Tropenökologie Eduard Linsenmair.

    Die Minimalforderung ist zehn Prozent aller Lebensräume unter Schutz zu stellen. Da gibt es noch sehr viel Nachholbedarf: auf dem Papier stehen fünf Prozent unter Schutz. Aber wenn man gute Kriterien anlegt, echte Schutzgebiete mit Infrastruktur, Kontrollen, dann kommen wir kaum über drei Prozent.

    Was den Artenschutz angeht: Da ist auch Deutschland bisher kein gutes Vorbild. Denn hierzulande steht nur ein Prozent der Fläche als Nationalpark unter Schutz.