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Alles auf Anfang?

Die Krise des Euro ist noch lange nicht vorbei, orakeln der Manager Nicolaus Heinen, der Journalist Jan Mallien und der FDP-Politiker Florian Toncar in ihrem Buch "Alles auf Anfang". Eine Rückkehr zu nationalen Währungen lehnen sie ab. Dafür präsentieren sie neoliberale Vorschläge.

Von Casper Dohmen | 25.09.2017
    Zahlreiche Euro-Banknoten und Euromünzen
    Zahlreiche Euro-Banknoten und Euromünzen (picture-alliance / dpa / Daniel Reinhardt)
    Mario Draghi - der Chef der Europäischen Zentralbank - weist immer wieder darauf hin, dass die Notenbank mit ihren geldpolitischen Instrumenten keine grundlegenden wirtschaftlichen Probleme in der Eurozone lösen kann. Die EZB verschaffe der Politik nur Zeit für Reformen. Draghi mahnt vor allem eine Flexibilisierung der Arbeitsmärkte und höhere Investitionen in Bildung und Infrastruktur durch die Regierungen an.
    Nicolaus Heinen, Jan Mallien und Florian Toncar beschäftigen sich dagegen in ihrem Buch mit einer Reform der Europäischen Währungsunion und insbesondere auch der EZB selbst. Für den Mitarbeiter der Linde AG, den Redakteur des Handelsblatts und den FDP-Politiker ist es eine ausgemachte Sache, dass der Euro in seiner jetzigen Form scheitern wird.
    Szenario des Scheiterns
    Auf einen Zeitpunkt oder die Ursachen für das Ende des jetzigen Euro legen sich die Autoren nicht fest: Mögliche Auslöser für eine existentielle Eurokrise könnten eine erneute Finanzkrise sein, beispielsweise ein Platzen der chinesischen Immobilienblase, oder auch ein Wahlsieg einer populistischen Anti-Euro-Partei in einem der 19 Mitgliedsländer.
    "Ist ein Land erst ausgetreten, würden die Investoren erwarten, dass weitere folgen und der Zerfallsprozess weitergeht. Es ist fraglich, ob die EZB die Lage dann mit größeren Anleihekäufen und Geldspritzen für das Finanzsystem noch in den Griff bekäme. Gegen Marktkräfte kann sie etwas unternehmen. Gegen den mangelnden politischen Willen zu Zusammenhalt der Eurozone aber wäre sie machtlos."
    Eine Rückkehr zu nationalen Währungen lehnen die Autoren genauso ab wie die Vergemeinschaftung von Schulden innerhalb der Eurozone über gemeinsame Staatsanleihen - sogenannte Eurobonds - oder eine Ergänzung der Währungsunion um eine politische Union. Sie setzen auf eine andere Lösung: eine Reform der Währungsunion, bei der die Entscheidungsträger aus den Fehlern der Vergangenheit lernen. Denn die heutige Währungsunion sei nur für ruhige, aber nicht für turbulente Zeiten konstruiert.
    Bank of England als Reform-Vorbild
    Nach Ansicht des Autoren-Trio sollte die Gesellschaft heute über eine Reform der Währungsunion debattieren, damit die Politik morgen im Krisenfall die richtigen Entscheidungen trifft. Das wäre in der Tat vernünftig. Als Vorbild für eine institutionelle Reform der EZB sei die englische Notenbank geeignet. Im Vereinigten Königreich hatte man sich der Frage gestellt, warum die Notenbank die Finanzkrise nicht hatte kommen sehen. Unabhängige Experten sahen einen Grund für das Versagen der Bank of England in deren Entscheidungskultur.
    "Ihre Strukturen begünstigten übertriebene Unterwürfigkeit und blinden Konsens. Als Reaktion auf die Kritik hat die Bank of England ihren Geldpolitischen Ausschuss und den finanzpolitischen Ausschuss radikal reformiert. Sie strebt keinen Konsens mehr an und ermutigt die Mitglieder zu eigenständigen Positionen."
    Die Entscheidungsgremien wurden verkleinert und externe Experten aufgenommen. Gleiches schlagen die Autoren für die Europäische Zentralbank vor. Ferner wollen sie die Aufsicht über Großbanken - die derzeit der EZB unterliegt - in eine eigenständige Institution ausgliedern, um Zielkonflikte zwischen Geldpolitik und Aufsicht auszuschließen. Außerdem wollen sie die privaten Käufer von Staatsanleihen stärker als heute für die Schuldentragfähigkeit von Staaten sensibilisieren durch die Einführung eines Insolvenzverfahrens für Staaten.
    "Die einzige Erfolg versprechende Reform, die die Schuldenabhängigkeit wirksam begrenzt, besteht darin, die Gläubiger der Euroländer in die Pflicht zu nehmen - und damit zu mehr Haftung für ihre finanziellen Verpflichtungen zu zwingen."
    Staatsanleihen sollen abgesichert werden
    Über solche institutionellen Reformideen sollte Euroland debattieren. Man lernt einiges bei der Lektüre des Buches, aber es wird auch deutlich, dass die drei Autoren eine politische Agenda verfolgen. So schlagen sie beispielsweise Staatsanleihen vor, die mit staatlichem Vermögen abgesichert werden sollen. Im Falle einer Staateninsolvenz sollten die Gläubiger dann einen automatisch Zugriff auf Immobilien, öffentliche Betriebe oder sonstiges erhalten, die dann privatisiert werden. Solche neoliberalen Ideen könnten verheerende Wirkungen haben, wenn Spekulanten Staaten Geld leihen würden einzig aus dem Kalkül, dass sie auf diese Weise an öffentliches Vermögen gelangen können.
    Das ist nicht einmal das größte Manko des Buches. Das Autoren-Trio liefert keine überzeugende Antwort auf die Frage, wie die Spannungen zwischen ökonomisch unterschiedlich starken Regionen in der Euroregion abgebaut werden sollen. Notwendig für einen stabilen Euro ist jedoch eine stärkere politische Integration der Eurostaaten. Das lehrt die Geschichte erfolgreicher und gescheiterter Währungsunionen. Die Autoren liefern in ihrem Buch eine ergänzende Reformidee, aber keine echte Alternative zu den bislang diskutierten Vorschlägen zur Lösung der Eurokrise: einer Rückkehr zu nationalen Währungen, der Schaffung kleinerer Währungsunionen mit ähnlicheren wirtschaftlichen Verhältnissen oder der Schaffung einer echten politischen Union. Umso notwendiger ist eine ehrliche Debatte über die Zukunft der Gemeinschaftswährung und hierzu geben die Autoren einen Anstoß.
    Nicolaus Heinen, Jan Mallien und Florian Toncar: "Alles auf Anfang. Warum der Euro scheitert - und wie ein Neustart gelingt"
    Campus Verlag, 235 Seiten, 24,95 Euro.