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Trump-Administration
Bürgerrechtler befürchtet mehr Rassenhass und Justizwillkür

Bürgerrechtsgruppen glauben, dass sich der angekündigte "law-and-order"-Kurs des designierten US-Präsidenten Donald Trump auch in der Justiz- und Rassenpolitik widerspiegeln wird. Liberale Staats- und Rechtsanwälte haben Obama jetzt aufgefordert, sein Begnadigungsrecht noch exzessiv wahrzunehmen.

Von Thilo Kößler | 08.12.2016
    Blick auf den vergitterten Eingang eines Gefängnisses, die Zäune sind mit gerolltem Stacheldraht gesichert
    2,3 Millionen Insassen gibt es in US-Gefängnissen - so viele wie nirgendwo sonst auf der Welt. (AFP / Saul Loeb)
    Donald Trump hat mit seinen Ausfällen gegen Muslime und Latinos viele verstört. Seine Drohung, im Kampf gegen den islamistischen Terror zur Foltermethode des Waterboardings zurückzukehren, ist selbst unter konservativen Republikanern auf Ablehnung gestoßen. In den ultrarechten Kreisen der sogenannten Alt-Right-Bewegung, der alternativen Rechten, wurde Trump indes gefeiert.
    Die Alt-Rights propagieren die Überlegenheit der Weißen und sehen sich im Aufwind, seit Donald Trump zum Präsidenten gewählt wurde. Ihr rechtsextremer Lautsprecher Richard Spencer brüllte bei einer Veranstaltung in einem Hotel in Washington Nazi-Parolen in den Saal.
    Sorgen macht sich jetzt bereits New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio. Dieser Tage berichtete er von einem Anstieg der rassistisch motivierten Übergriffe gegen Muslime und Afro-Amerikaner um 115 Prozent allein in seiner Stadt. Wenn ein Mann wie Donald Trump, der gezielt Minderheiten ausgrenzt, Präsident wird, muss das Folgen für die Gesellschaft haben, sagte de Blasio.
    Das neue Kabinett: weiß, männlich und sehr konservativ
    Sorgen machen sich auch Bürgerrechtsgruppen und engagierte Vertreter eines anderen, eines liberalen Amerika: Marc Mauer zum Beispiel, Präsident des angesehenen Think Tanks "The sentencing project", der sich seit Mitte der 80er-Jahre für eine Justizreform, für einen liberalen Strafvollzug und gegen die häufig rassistisch motivierten Ungleichheiten im Rechtssystem der Vereinigten Staaten einsetzt. Er sitzt in seinem Büro in der Innenstadt Washingtons – der Schreibtisch ist voll von Zeitungen, Artikeln und Manuskripten und an den Wänden hängen Fotos, die ihn als Redner und Diskutanten oder im Gespräch mit Politikern zeigen. Die Zusammensetzung des künftigen Kabinetts von Donald Trump findet Mauer bedenklich – bis dato: Fast alle weiß, männlich und sehr, sehr konservativ. Zum Beispiel Jeff Sessions, der künftige Attorney General, also Justizminister.
    "He has a very clear record. He remains one of the clear hardliners when it comes to criminal justice policy."
    Jeff Sessions hat sich vor vielen Jahren nicht nur mit rassistischen Äußerungen einen Namen gemacht, die ihn unter Ronald Reagan um einen Sitz im Supreme Court brachten. Er soll auch den rassistischen Ku-Klux-Klan gar nicht so schlecht gefunden haben, bis sich herausstellte, dass auch in diesen Kreisen Drogen konsumiert werden. Sessions habe sich in seiner langen politischen Karriere als Senator auch den Ruf eines Hardliners in allen Fragen der Strafrechtspolitik erworben, sagt Marc Mauer.
    Sessions spricht in einer Senats-Anhörung
    US-Senator Jeff Sessions (AFP/Brendan Smialowski)
    Wo immer Obama ansetzen wollte, um die überfüllten Gefängnisse zu leeren, das System der überzogenen Strafen zu lockern oder dafür zu sorgen, dass Afro-Amerikaner nicht obligatorisch härtere Urteile zu erwarten haben als Weiße – wo immer sich Obama also für eine Justiz- und Strafrechtsreform einsetzte, wusste er in Jeff Sessions aus Alabama einen knallharten Gegner im Senat. Sessions trat auf die Bremse, wo immer es ging: Bei der Reform des Waffenrechts und des Einwanderungsrechts, bei der Homoehe und bei der Schließung von Guantanamo. Obwohl Obama auch viele Republikaner für sein Projekt einer umfassenden Justizreform gewinnen konnte – am Ende scheiterte sie an hardlinern wie Jeff Sessions. Jetzt dürfte er als Justizminister unter Donald Trump versuchen, das Rad vollends wieder zurückzudrehen, befürchtet Marc Mauer.
    "Er glaubt, dass Resozialisierung nicht funktioniert und man sie deshalb bleiben lassen sollte. Er ist äußerst kritisch gegenüber Initiativen wie "Black lives matter" und setzt bei der öffentlichen Sicherheit allein auf die Aufrüstung der Polizei. So wie wir ihn kennen, ist von ihm gewiss keine Unterstützung für den Schutz der Bürgerrechte und für eine Justizreform zu erwarten."
    Marc Mauer spricht von einem "backlash", einem Rückfall, in die alte "Tough-on-crime"-Politik der 1980er- und 1990er-Jahre.
    "I think it´s quite likely that we will see a backlash."
    Mehr als 2,3 Millionen Insassen in US-Gefängnissen
    Dieser harte Kurs in der Kriminalitäts- und Drogenbekämpfung geht seit damals einher mit obligatorischen Mindeststrafen und führte zu einer beispiellosen Inhaftierungswelle, deren Folgen bis heute zu spüren sind: In den Gefängnissen der Vereinigten Staaten sitzen 2,3 Millionen Insassen ein. So viele, wie nirgendwo sonst auf der Welt. Barack Obama wird der erste US-Präsident nach Lyndon B. Johnson sein, in dessen Amtszeit die Zahl der Gefangenen zurückging. Unter dem Vorzeichen der harten law-and-order-Politik, die Donald Trump angekündigt hat, wird sie aber fast zwangsläufig wieder steigen, sagt Marc Mauer voraus. Im Gespräch sind bereits obligatorisch lange Haftstrafen bei wiederholtem Verstoß gegen das Einwanderungsrecht.
    Der künftige Kurs der neuen Administration wird sich schnell an der Neubesetzung des vakanten Richterpostens am Obersten Gerichtshof ablesen lassen, sagt Marc Mauer. Er werde an einen konservativen Kandidaten gehen – und an die überfällige Abschaffung der Todesstrafe dürfte dann nicht mehr zu denken sein.
    "The momentum towards abolishing of the death penalty is gonna be slowed down considerably now."
    Als Antwort auf die unausgewogene und häufig ungerechte Rechtspraxis hat Präsident Obama immer wieder von seinem Begnadigungsrecht Gebrauch gemacht – in über tausend Fällen. Jeff Sessions, der künftige Justizminister, hielt ihm dabei stets Machtmissbrauch vor. Liberale Staats- und Rechtsanwälte haben Obama jetzt aufgefordert, sein Begnadigungsrecht noch exzessiv wahrzunehmen. Das Justizministerium hat bereits zugesagt, alle Gnadengesuche zu bearbeiten, die bis zum 1. September eingegangen sind. Die Uhr läuft: Der letzte Arbeitstag von Präsident Obama ist der 19. Januar 2017.