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Trump und das Welt-Klima
"Merkel blockiert auf der europäischen Ebene"

Nach dem angekündigten Ausstieg der USA aus dem Klimaschutzabkommen ist die Kritik vonseiten der Bundesregierung besonders laut. Doch der Zeigefinger in Richtung Washington sei überhaupt nicht angebracht, sagte der Kieler Klimaforscher Mojib Latif im Dlf. Deutschland trete immer als Mahner auf, aber die Bundeskanzlerin blockiere auf europäischer Ebene.

Mojib Latif im Gespräch mit Dirk Müller | 02.06.2017
    Der Klimaforscher Mojib Latif vom GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung in Kiel.
    Der Klimaforscher Mojib Latif vom GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung in Kiel. (Imago / Rüdiger Wölk)
    Dirk Müller: Weltweit Kritik an der Entscheidung in Washington. Donald Trump ist fest entschlossen oder auch hat beschlossen, aus dem internationalen Klimaschutz auszubrechen, raus aus dem Pariser Abkommen. – Am Telefon ist nun Professor Mojib Latif, Klimaforscher des Leibnitz-Instituts für Meereswissenschaften an der Universität in Kiel. Guten Morgen!
    Mojib Latif: Guten Morgen.
    Müller: Herr Latif, wird die Erde ab jetzt noch wärmer?
    Latif: Ja, das wird sie auf jeden Fall, denn das Klima ist ja träge und es wird auf jeden Fall auf das reagieren, was wir an Treibhausgasen in den letzten Jahrzehnten in die Atmosphäre entlassen haben. Aber jetzt bezogen auf Trump hängt es ganz entscheidend davon ab, ob die USA jetzt wirklich dauerhaft sich vom Klimaschutzprozess verabschieden oder nicht. Wenn Trump eine Randnotiz bleiben sollte, wenn er nur ein paar Jahre im Amt sein sollte, dann hat das eigentlich keine Bedeutung für das Weltklima. Nur wenn tatsächlich die USA gar nichts mehr täten in Sachen Klimaschutz – die USA sind ja der zweitwichtigste Verursacher von Kohlendioxid, also CO2 –, dann wird man vermutlich das Zwei-Grad-Ziel nicht erreichen können, das man in Paris ja festgeschrieben hatte.
    "Der grobe Fahrplan gilt nach wie vor"
    Müller: Herr Latif, da können einige doch heute Morgen etwas beruhigter zumindest aufatmen und sagen, na ja, wenn ich Sie richtig verstanden habe, auf ein paar Jahre kommt es jetzt nicht an.
    Latif: Ja, das stimmt. Auf ein paar Jahre kommt es nicht an. Das Klima reagiert immer nur auf die langfristige Strategie, die wir über Jahre beziehungsweise Jahrzehnte einschlagen. Das heißt natürlich nicht, dass wir immer abwarten können, denn das Ganze hängt am Ende davon ab, wieviel CO2 wir insgesamt ausstoßen. Das heißt, es gibt so etwas wie ein Budget, und dieses Budget ist irgendwann aufgebraucht und dann dürfen wir gar nichts mehr ausstoßen, wenn wir noch deutlich unter den zwei Grad bleiben wollen, wie es im Pariser Abkommen heißt. Deswegen darf man das nicht missverstehen, dass man jetzt noch 20, 30 Jahre lang abwarten kann, sondern wie gesagt: Kurzfristige Änderungen des Fahrplans sind in Ordnung, aber der grobe Fahrplan, dass wir bis Mitte des Jahrhunderts praktisch kohlenstoffneutral sein müssen, der gilt nach wie vor.
    "China wahrscheinlich schon am Scheitelpunkt"
    Müller: Sie haben von diesem Budget geredet, eine gewisse Deckelung des CO2-Ausstoßen. Könnten wir da als Konsequenz festhalten oder als mögliche Folge dessen: Wenn die anderen sich besonders anstrengen, dann ist es nicht besonders schlimm, wenn die Amerikaner rausgehen?
    Latif: Ja. Ich hoffe mal, dass China beispielsweise nicht davon Gebrauch macht, was es sich hat zusichern lassen im Pariser Abkommen, denn China müsste eigentlich erst den Höhepunkt seines Ausstoßes 2030 erreichen. Wir sehen aber jetzt schon, dass China wahrscheinlich schon den Scheitelpunkt seiner Emissionen erreicht hat, und die große Hoffnung besteht natürlich darin, dass China jetzt sogar in die Reduktion kommt.
    Müller: Trotz des wirtschaftlichen Wachstums?
    Latif: Trotz des wirtschaftlichen Wachstums, weil die ersticken ja. Die verbrauchen ja unheimlich viel Kohle und das führt zu enormer Luftverschmutzung und dort sterben ja unheimlich viele Menschen alleine an dieser Luftverschmutzung. Insofern kann China natürlich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Auf der einen Seite kann es sich wunderbar beim Klimaschutz positionieren, auf der anderen Seite Luft reinhalten und etwas für die Gesundheit tun.
    "Die Amerikaner sind nicht mehr so wichtig"
    Müller: Und das geht so schnell, Herr Latif? Die Chinesen sagen, oh, im Moment ist das jetzt ein bisschen zu viel. Es gibt Bürgerproteste, wir können die momentanen aktuellen Konditionen nicht mehr weiter akzeptieren. Und dann ist man in 10, 15 Jahren clean?
    Latif: Ja, nicht clean. Wie gesagt, ich habe ja von der Mitte des Jahrhunderts gesprochen. Aber gerade in China geht es rasend schnell. Das sehen wir, dass die Solarindustrie beispielsweise boomt. China wird wahrscheinlich auch gesetzliche Regelungen erlassen, was die E-Mobilität angeht, und das werden natürlich auch die deutschen Automobilhersteller zu spüren bekommen. Das heißt, gerade in China kann man erkennen, dass vermutlich das fossile Zeitalter doch sehr schnell zu Ende gehen wird.
    Müller: Dann sind die Amerikaner gar nicht mehr so wichtig wie noch vor 10, 20 Jahren?
    Latif: Die Amerikaner sind nicht mehr so wichtig. Wenn man es beim CO2-Ausstoß mal festmacht, dann ist ja seit 2005 China der größte Verursacher von CO2. Vorher waren es jahrzehntelang die Amerikaner. Aber gleichwohl hat Amerika natürlich noch die historische Verantwortung, weil CO2 hat eine Verweildauer in der Atmosphäre von gut 100 Jahren. Das heißt, was heute sich in der Luft befindet, das kommt zu ungefähr einem Viertel aus den USA, und insofern gibt es die historische Verantwortung und umso wichtiger wäre es, dass diese Abkehr vom Klimaschutz nur sehr kurzfristig ist und dass die USA dann wieder einsteigen, übrigens auch, was die Zahlungen an die Entwicklungsländer angeht, denn die müssen sich ja anpassen an den nicht mehr zu vermeidbaren Klimawandel und müssen natürlich auch eine nachhaltige Entwicklung einschlagen.
    "Der gefühlte Klimaschutz hilft niemandem"
    Müller: China Nummer eins Klimasünder, USA Nummer zwei, da gab es einen Tausch in diesem Ranking. Indien steht da noch ganz weit vorne, drei oder vier. Da gibt es ja immer verschiedene Interpretationen. Und dann kommt Europa, dann kommt irgendwann auch Deutschland. Sind die Europäer langsamer, als wir alle glauben?
    Latif: Ja, das sind sie in der Tat. Die Europäer und auch Deutschland ist weit hinter seinen Zielen zurückgeblieben. Wenn wir mal Deutschland nehmen: Deutschland hat versprochen, den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2020 um 40 Prozent zu reduzieren gegenüber 1990. Das wird Deutschland nicht schaffen, das ist eigentlich auch schon die offizielle Lesart der Erklärung der Bundesrepublik. Und das ist ein weiteres fatales Signal. Wie ich eingangs sagte: Es wäre umso wichtiger, dass die anderen, nicht nur China, sondern auch Deutschland und auch die Europäer jetzt wirklich Ernst machen beim Klimaschutz. Denn es reicht nicht, immer nur darüber zu sprechen und andere aufzufordern, sondern man muss auch mal selbst etwas machen. Sonst landen wir bei einem gefühlten Klimaschutz und der hilft niemandem.
    Müller: Herr Latif, der Zeigefinger von Berlin in Richtung Washington ist hier, wenn ich Sie richtig verstanden habe, ganz und gar nicht angebracht?
    Latif: Der ist überhaupt nicht angebracht. Wir sitzen ein Stück weit im Glashaus und wer im Glashaus sitzt, der sollte halt nicht mit Steinen werfen.
    "Hendricks hat sich immer wieder eine blutige Nase geholt"
    Müller: Jetzt sagen Umweltpolitiker auch der Großen Koalition, das 40-Prozent-Ziel bis 2020 CO2-Reduzierung wird nicht geschafft. Das wird inzwischen auch in Berlin offiziell eingeräumt. Begründung: weil es zu ehrgeizig war. Ist da was dran?
    Latif: Nein, überhaupt nicht. Es war überhaupt nicht zu ehrgeizig. Wir müssen ja nur mal sehen, woran es liegt. Es liegt an der Braunkohle. Wir kommen einfach von der Braunkohle nicht los. Es liegt am Verkehr. Wir kommen mit der E-Mobilität nicht voran, haben immer größere Autos, die die Straßen verstopfen. Und es liegt an der Landwirtschaft. Alles drei wurde mehrfach von der Bundesumweltministerin Hendricks angesprochen, aber wir wissen alle, dass das Umweltressort eben nicht die Einflussmöglichkeiten hat wie beispielsweise das Wirtschaftsressort.
    Müller: Barbara Hendricks die einzige Klimaschützerin in der Großen Koalition?
    Latif: Zumindest verbal, das muss man sagen. Sie hat sich immer wieder eine blutige Nase geholt, auch zuletzt, als es um die Landwirtschaft ging. Aber sie hat zumindest die richtigen Themen angesprochen.
    Merkel "blockiert"
    Müller: Die Kanzlerin war mal Umweltministerin, kennt die Thematik auch aus dem FF. Politisch versagt sie da in dem Punkt?
    Latif: Ja! Gerade was die Mobilität angeht, wann immer es um schärfere Abgasrichtlinien geht in Brüssel, dann blockiert sie, und das ist natürlich auch kein gutes Verhalten, wenn man im Land, in Deutschland immer darauf hinweist, wie ehrgeizig man sein möchte, aber dann auf der europäischen Ebene blockiert.
    Müller: Bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk Professor Mojib Latif, Klimaforscher an der Universität in Kiel. Danke, dass Sie für uns Zeit gefunden haben. Ihnen noch einen schönen Tag.
    Latif: Danke gleichfalls.
    Mojib Latif:
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.