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USA und die deutsche Wirtschaft
"Trump wird die Zusammenarbeit nicht abschaffen"

Der CDU-Wirtschaftspolitiker Michael Fuchs geht davon aus, dass die Handelsbeziehungen zu den USA fortbestehen werden. Er glaube nicht, dass Präsident Donald Trump hohe Zölle auf deutsche Einfuhren verhängen werde, sagte er im Deutschlandfunk: "Am Ende des Tages wird Vernunft einkehren."

Michael Fuchs im Gespräch mit Christine Heuer | 23.01.2017
    Der stellvertretende Unions-Fraktionschef Michael Fuchs
    Der stellvertretende Unions-Fraktionschef Michael Fuchs (dpa / picture alliance / Michael Kappeler )
    Unions-Fraktionsvize Fuchs rief angesichts des Machtwechsels in den USA zu Gelassenheit auf. Die ersten hundert Tage sollte man zunächst einmal ins Land gehen lassen, erklärte der CDU-Politiker.
    Die internationale Zusammenarbeit werde Trump nicht abschaffen können und auch nicht abschaffen wollen, erklärte Fuchs. Als Beispiel nannte er den Bereich Zölle: Viele deutsche Exporte würden in den USA gebraucht, um damit wiederum amerikanische Produkte herzustellen. Mit Handelsbeschränkungen könne man deshalb nur kurzfristig Erfolg haben, längerfristig schadeten sie der eigenen Wirtschaft.
    "China ist sicherlich ein Ausweg"
    Fuchs forderte die Staaten in Europa auf, stärker zusammenzuarbeiten. Es sei wichtig, "dass wir in Europa eine vernünftige Politik machen und vernünftig in Europa zusammenarbeiten und damit auch eine Wirtschaftsmacht Europa darstellen", erklärte der Ehrenpräsident des Bundesverbands des Deutschen Groß- und Außenhandels. Auch eine stärkere Orientierung hin zu China und Indien sei sicherlich ein Ausweg. Dann müsse man aber auch dafür sorgen, dass beispielsweise in den Handelsbeziehungen zu China faire Verhältnisse herrschten.

    Das Interview in voller Länge:
    Christine Heuer: Wir möchten uns ein bedeutsames Politikfeld herausgreifen: Über Donald Trumps wahrscheinliche Wirtschafts- und Handelspolitik und ihre Auswirkungen auf Deutschland und Europa möchte ich jetzt mit Michael Fuchs sprechen. Der CDU-Wirtschaftspolitiker ist stellvertretender Vorsitzender der Unions-Bundestagsfraktion und er war viele Jahre lang Präsident beim Bundesverband Groß- und Außenhandel, dessen Ehrenpräsident er nach wie vor ist. Guten Morgen, Herr Fuchs.
    Michael Fuchs: Guten Morgen, Frau Heuer.
    Heuer: Trump macht ernst und er sagt seinen Landsleuten, kauft amerikanisch. Haben Sie sich das so vorgestellt vor seiner Antrittsrede?
    Fuchs:: Das ist sicherlich nicht meine Wunschrede gewesen, die Trump gehalten hat. Aber ich finde, wir sollten der Sache mit Gelassenheit begegnen. Erstens hat er sich Deutschland als solches noch gar nicht vorgenommen. Zweitens weiß mit Sicherheit die amerikanische Administration - und er hat ja eine Reihe von Wirtschaftsexperten in seinem Kabinett - sehr genau, wie wichtig die Zusammenarbeit, auch die internationale Zusammenarbeit ist.
    Wenn ich mir nur beispielsweise das iPhone nehme, das Gerät, mit dem ich gerade mit Ihnen telefoniere. Wo kommt das denn her? Das kommt aus USA, ein Riesenumsatz. Apple, ein Milliardenunternehmen, hat über eine Milliarde Einheiten verkauft, die sie aber im Weltmarkt gebaut haben. Zum Teil sind die in China gebaut worden, Teile kommen aus Taiwan, Teile kommen aus Japan, Teile aus Deutschland. Wir haben eine internationale Zusammenarbeit überall und die wird auch Trump nicht abschaffen können und auch wahrscheinlich nicht abschaffen wollen.
    "Es ist immer ein Geben und ein Nehmen im Handel"
    Heuer: Na ja, das klingt jetzt erst mal nicht so, wenn man ihm zuhört. Aber Sie glauben, die Realität ist komplizierter als Trump zu denken vermag?
    Fuchs: Das ist mit Sicherheit so und es gibt ja auch Verträge. Sehen Sie, es gibt das NAFTA, das ist das North American Free Trade Agreement.
    Heuer: … will er neu verhandeln!
    Fuchs: Das ist ein Abkommen zwischen Mexiko und Kanada und USA. Das muss er dann erst mal neu verhandeln. Die Kündigungsfristen sind relativ kurz, man kann das innerhalb von sechs Monaten kündigen und müsste es dann neu verhandeln. Aber auch da hängen beide Seiten aneinander. USA exportiert nach Mexiko jede Menge Mais. Ich wünsche viel Vergnügen mit den amerikanischen Bauern, die annähernd genauso willensstark sind wie europäische Bauern, wenn die Mexikaner die Grenze für amerikanischen Mais zumachen würden.
    Es ist immer ein Geben und ein Nehmen im Handel. Ja, es stimmt: Die Amerikaner haben in den letzten Jahren viel weniger exportiert als importiert. Da will er gewisse Regeln einschieben. Und solange es Unfairness gibt, dann ist das ja auch berechtigt. Da gibt es zum Beispiel Dumping-Verfahren. Da gibt es Regeln im internationalen Handel, bei der WTO etc. Wenn er die einsetzt, ist das in Ordnung, aber Abkommen kündigen, das kann ich mir nur sehr schwer vorstellen.
    "Wenn er radikal würde, dann kann es natürlich auch Deutschland treffen"
    Heuer: Herr Fuchs, würde das dann auch Deutschland treffen, wenn er diese Regeln anwendet?
    Fuchs: Wenn er radikal würde, dann kann es natürlich auch Deutschland treffen, denn wir sind ja auch ein großer Exporteur. Wir exportieren nebenbei weit mehr nach USA als umgekehrt aus USA. Wir haben im Jahre 2015 114 Milliarden etwa exportiert und rund 60 Milliarden importiert. Aber wir hängen auch sehr stark aneinander. Sehen Sie, wie viele deutsche Firmen in USA produzieren. Bayer hat gerade ein amerikanisches Unternehmen gekauft und wird natürlich die Arbeitsplätze in den USA lassen. Die werden ja nicht deswegen da abgebaut etc. Es gibt also immer ein Hin und Her.
    Heuer: Entschuldigung, Herr Fuchs. Aber gerade Bayer hat Donald Trump in persönlichen Gesprächen - der Bayer-Chef war im Trump Tower - zugesagt, dass es sogar neue Stellen in Amerika schafft, und das scheint Bayer zu helfen. Also muss man sich die Gnade Donald Trumps durch solche Geschenke jetzt erkaufen?
    Fuchs: Ich weiß nicht, ob das Geschenke sind. Kein Unternehmen kann Geschenke verteilen. Unternehmen müssen Gewinn machen, sonst gehen die Arbeitsplätze am Ende des Tages verloren. Das gilt für Bayer, das gilt für alle anderen auch. Bayer wollte ja bewusst mit dem Kauf von Monsanto stärker in den amerikanischen Markt und will natürlich dann im amerikanischen Markt auch produzieren, weil das Produkte sind, die man auch gar nicht um die Welt fahren kann. Das lohnt sich ja nicht und deswegen ist das ja einer der Gründe, weswegen Bayer so stark investiert.
    "Ich bin optimistisch, dass am Ende die Vernunft Einkehr halten wird"
    Heuer: Sie haben die WTO-Regeln angesprochen. Nach denen hat Trump zum Beispiel das Recht, Zölle gegen Staaten mit einem hohen Leistungsbilanz-Überschuss zu verhängen, für eine geraume Zeit. Das könnte Deutschland treffen. Kann er direkt Deutschland so schaden?
    Fuchs: Ich glaube nicht, dass er das machen wird, denn er schneidet sich in sein eigenes Fleisch rein, denn sehr, sehr viele Produkte, die wir nach USA liefern, werden dort gebraucht, um wieder amerikanische Produkte herzustellen. Das funktioniert nicht. Der Welthandel ist mittlerweile so offen, dass ich optimistisch bin, dass am Ende des Tages - es wird natürlich irgendwelche Maßnahmen geben -, aber am Ende des Tages die Vernunft Einkehr halten wird und die Amerikaner sehen, dass sie nur mit Wettbewerbsfähigkeit langfristig Erfolg haben können. Man kann mit Handelsbeschränkungen kurzfristig Erfolg haben, aber ich hoffe, dass das nicht der Fall sein wird, denn kurzfristiger Erfolg hat nie langfristig getragen.
    Heuer: Sie sind so optimistisch, Herr Fuchs. Andere sind das nicht. Michael Hüther zum Beispiel vom Institut der Deutschen Wirtschaft, ein Ökonom, und die Industrieverbände, der BDI, die warnen, das deutsche Wohlstandsmodell sei mit Donald Trump in Gefahr. Nehmen Sie das nicht ernst?
    Fuchs: Doch, ich nehme das selbstverständlich ernst. Ich habe ja auch gesagt: Wenn er wirklich die Dinge so umsetzen würde, wie er sie angedroht hat, dann könnte das natürlich schon Nachteile für Deutschland haben, denn Deutschland ist ein Exportland, ein sehr starkes Exportland. Rund 40 Prozent unserer Arbeitsplätze in Deutschland hängen am Export. Aber selbstverständlich nicht nur am Export nach USA, sondern etwa zehn Prozent unseres Exports geht nach USA. Wir haben ja auch noch jede Menge andere Partner.
    Gerade das zeigt aber, wie wichtig es ist, dass wir in Europa eine vernünftige Politik machen und vernünftig in Europa zusammenarbeiten und damit auch eine Wirtschaftsmacht Europa darstellen. Und die Zusammenarbeit in Europa, die fehlt mir ein Stück weit. Da müsste jetzt an allererster Stelle agiert werden.
    "Ich hoffe nicht, dass es zu einem weltweiten Handelskrieg kommt"
    Heuer: Ich möchte aber trotzdem noch mal auf die Nachteile zu sprechen kommen, die Sie gerade angesprochen haben. Sie sehen das ja viel besser ab als andere. Drohen da Nachteile jetzt unter Donald Trump, die Deutschland aber verkraften kann, oder kann das richtig gefährlich werden für uns?
    Fuchs: Wenn es aufgrund der Tatsache, dass die Amerikaner sich einmauern - jetzt machen wir mal wirklich Schwarzmalen -, wenn die Amerikaner wirklich zumachen würden, dann kommt es natürlich zu Handelskriegen nicht nur mit USA von mir aus China oder USA-Mexiko oder was auch immer. Dann kommt es zu Handelskriegen überall, denn dann gibt es natürlich Reaktionen und diese Reaktionen, die werden uns natürlich auch in unseren Exportchancen ganz sicher benachteiligen. Ich hoffe nicht, dass es zu einem weltweiten Handelskrieg kommt. Der wäre sehr, sehr gefährlich und gerade für die deutsche Wirtschaft.
    Heuer: Jetzt haben Sie Europa angesprochen. Sigmar Gabriel von der SPD, der empfiehlt Europe First, zum Beispiel mehr Engagement in China, wenn die USA sich da zurückziehen. Ist das ein möglicher Ausweg für uns?
    Fuchs: China ist sicherlich ein Ausweg und auch Indien ist ein Ausweg, weil das natürlich Länder sind mit wachsender Bevölkerung, mit wachsenden Bedarfen, wo viele, viele Produkte, die wir in Deutschland hervorragend herstellen, noch lange nicht im Markt sind. Aber wir müssen natürlich auch - und Gabriel hat da ja auch erste Ansätze gemacht bei seiner China-Reise kürzlich - dafür sorgen, dass faire Verhältnisse in der Zusammenarbeit mit China sind. Da geht es um das Thema Reziprozität. Das heißt, wenn die Chinesen eine Tatsache nicht erlauben, dann muss es unter Umständen auch möglich sein, dass wir in Deutschland gleiche Hemmnisse aufstellen.
    Ich will es konkret machen: Wenn ein deutsches Unternehmen ein chinesisches Unternehmen kauft, kaufen will, dann kann es maximal 49 Prozent kaufen. Mehr erlaubt China nicht. Warum können Chinesen dann bei uns 100 Prozent kaufen? Da muss man drüber sprechen, das muss man verhandeln. Ich gehe aber auch davon aus, dass die Chinesen gerade aufgrund der Tatsache, dass die Amerikaner gegenüber China sicherlich strengere Regeln anwenden werden als bis heute, dass die Chinesen sich sehr wohl überlegen - und denken Sie an die Worte von Xi Jinping in Davos -, mehr in Europa zu machen.
    "Die Bundeskanzlerin hat die richtige Art"
    Heuer: Das war überraschend, weil China ja für Protektionismus pur steht. - Wenn die USA Handelshemmnisse gegen uns aufbauen, Herr Fuchs, wie soll dann die deutsche Politik reagieren? Mit Handelshemmnissen gegen die USA?
    Fuchs: Ich würde sagen, an allererster Stelle ist es notwendig, dass wir miteinander vernünftig sprechen. Die Bundeskanzlerin hat die richtige Art. Sie hat das mit einer gewissen Gelassenheit gemacht. Und jetzt da hektisch zu reagieren und eventuell sogar mit Drohungen, davon halte ich überhaupt nichts, weil Drohungen führen zu weiteren Drohungen von der anderen Seite. Das bringt uns kein Stückchen weiter. Ich hoffe, dass es zu vernünftigen Gesprächen kommen wird, und die Amerikaner wissen sehr genau, dass sie in Europa einen verlässlichen Partner haben, und der heißt Deutschland. Und ich habe das Gefühl, dass sie dann auch dementsprechend handeln werden und es nicht zu einem Wirtschaftskrieg zwischen Deutschland und Amerika kommt.
    Heuer: Vernünftige Gespräche, Herr Fuchs, setzen voraus, dass der Gesprächspartner überhaupt vorgelassen wird. Wann spricht denn Angela Merkel mit Donald Trump?
    Fuchs: Ich glaube nicht, dass sie das an die große Glocke hängen wird. Das ist nicht ihre Art, Politik zu machen.
    Heuer: Ich meine nicht am Telefon. Theresa May kommt jetzt am Freitag. Von einer Einladung an Angela Merkel habe ich bisher noch nichts gehört.
    Fuchs: Ich habe gehört, aber ich habe nur gehört, dass es bereits Vorgespräche gibt. Einer ihrer wichtigsten Berater ist in den USA, Christoph Heusgen, der viele, viele Gespräche immer vorbereitet hat und bei fast jedem Gespräch mit Obama dabei war. Ich sehe schon eine Chance, dass das relativ kurzfristig stattfinden wird.
    Heuer: Und was soll Angela Merkel Donald Trump dann sagen, wenn es dazu kommt?
    Fuchs: Na ja, es ist nicht meine Aufgabe, der Bundeskanzlerin Vorschläge zu machen. Die weiß das schon ziemlich selber ziemlich genau selbst, was sie sagen wird. Aber sie wird mit Sicherheit darauf hinweisen, dass der internationale Handel im Endeffekt allen Ländern dient und den Amerikanern auch.
    Heuer: Und Sie glauben, Donald Trump schluckt das, wenn es von Merkel kommt? Bisher hat er es ja nicht angenommen. Er redet ja ganz anders.
    Fuchs: Lassen Sie mal ein paar Tage ins Land gehen. Ich glaube, man kann nicht unbedingt nach drei Tagen Amtszeit bereits eine klare Absicht feststellen. Ich denke, man sollte erst mal die ersten 100 Tage ins Land gehen lassen und dann gucken wir mal, was sich verändert hat. Nehmen Sie beispielsweise den General Mattis. Der war mal Chef der NATO und ist heute Verteidigungsminister. Ich kann mir kaum vorstellen, dass Mattis gegen die NATO ist, weil er sie bestens kennt und auch die Werte erkennt.
    "Ein bisschen Gelassenheit würde uns allen guttun"
    Heuer: Sie setzen aufs Kabinett?
    Fuchs: Ich setze sicher aufs Kabinett. Da sind sehr viele kluge Wirtschaftsleute drin. Tillerson war mal der Chef von Exxon, eines der größten Unternehmen der Welt. Der kennt den Weltmarkt und der kennt auch die Handelshemmnisse, wenn sie aufgebaut werden, und weiß auch, wie sehr das den Amerikanern schaden kann. Also ich glaube schon, dass das nicht so einseitig ablaufen wird, wie momentan angenommen wird oder befürchtet wird. Ein bisschen Ruhe, ein bisschen Gelassenheit würde uns allen gut tun.
    Heuer: Michael Fuchs, der stellvertretende Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion und Ehrenpräsident - das wollen wir nicht vergessen - beim Bundesverband Groß- und Außenhandel.
    Fuchs: Schon lange her, Frau Heuer.
    Heuer: Herr Fuchs, trotzdem danke fürs Gespräch, einen schönen Tag.
    Fuchs: Danke Ihnen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.