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Trump und die Evangelikalen
Im Zweifel für den pragmatischen statt gläubigen Kandidaten

Es scheint auf den ersten Blick ein Widerspruch zu sein. Die weltliche Biografie des Republikaners Donald Trump und die bibeltreuen-rechtskonservativen Werte der Evangelikalen. Doch in einigen Südstaaten konnte er diese Wählerschichten für sich gewinnen.

Von Marcus Pindur | 28.04.2016
    An der Liberty Universtiy in Lynchburg, Virginia singen Studenten ein christiliches Lied vor dem Auftritt von Donald Trump
    Evangelikale Studenten an der Liberty Universtiy in Lynchburg warten auf Donald Trumps Auftritt (AFP/Nicholas Kamm)
    "Ich glaube, viele Evangelikale sind zu dem Schluss gekommen, dass wir uns nicht auf den Staat verlassen können, wenn es um die Aufrechterhaltung traditioneller biblischer Werte geht. Also soll der Staat einfach praktische Probleme lösen wie Einwanderung, die Wirtschaft, und nationale Sicherheit. Und wenn wir nur das wollen, dann brauchen wir auch keinen spirituellen Übermenschen im Weißen Haus. Und deswegen sind viele evangelikale Christen offen für einen säkularen Kandidaten wie Donald Trump."
    Der Kandidat hatte sich das Forum mit Bedacht ausgesucht. In Iowa bilden evangelikale Christen 40 Prozent der republikanischen Wähler, sind also für jeden Kandidaten eine enorm wichtige Wählergruppe. Vor den Vorwahlen in Iowa Ende Januar hielt Donald Trump eine Rede in einer der größten evangelikalen Universitäten der USA, der Liberty University in Lynchburg, Virginia.
    Viele Studenten lachten, weil Donald Trump offensichtlich nicht die richtige Zitierweise aus der Bibel kannte. Überhaupt passt der Kandidat nicht so recht zur ansonsten sehr rigiden Sexualmoral amerikanischer evangelikaler Christen: Trump ist in dritter Ehe verheiratet, hat sich früher auch schon mal außerehelicher Verhältnisse gebrüstet, und war bis vor 15 Jahren ein klarer Befürworter des Rechtes auf Abtreibung. Trump ist kein natürlicher Kandidat für evangelikale Lebensentwürfe – eher im Gegenteil.
    Trump hängte Cruz in einigen Südstaaten ab
    Umso überraschter waren die meisten Beobachter, als sich herausstellte, dass Trump in einigen Südstaaten seinen rechts-religiösen Konkurrenten Ted Cruz bei den evangelikalen Wählern abhängte, zumindest aber einen substanziellen Anteil derer Stimmen gewinnen konnte.
    Einige evangelikale Pastoren unterstützen zwar Trump, wie der Fernsehpastor und Direktor der Liberty University, Jerry Falwell, Jr., aber viele konservative Christen rümpfen die Nase über Trumps Ausfälle gegen Frauen und Minderheiten, seine unverhohlenen Aufrufe zur Gewalt gegen Demonstranten und seine verrohte Sprache.
    Peter Wehner ist Wissenschaftler am Ethics and Public Policy Center in Washington, DC, und hat in drei republikanischen Administrationen als Redenschreiber gearbeitet.
    "Als Bill Clinton Präsident war, da stand moralische Integrität ganz oben auf der Prioritätenliste der Evangelikalen. Sie griffen Clinton an, weil sie ihn für moralisch gescheitert hielten. Und jetzt haben wir einen moralisch degenerierten Politiker wir Trump, und viele Evangelikale unterstützen ihn. Ich nenne das Doppelmoral."
    Wie ist der Widerspruch zwischen der sehr weltlichen Biografie des Donald Trump und dem Erfolg im rechtskonservativen religiösen Lager zu erklären?
    Zwei politische Archetypen der Evangelikalen
    Robert Jeffress ist Pastor einer evangelikalen Gemeinde in Texas, der First Baptist Church of Dallas. Seiner Ansicht nach gibt es zwei politische Archetypen bei den evangelikalen Wählern.
    "Die Evangelikalen sind gespalten zwischen Idealisten und Pragmatikern. Die Idealisten unterstützen Ted Cruz und hoffen, dass mit einem starken Christen im Weißen Haus die judeo-christlichen Werte in den USA wiederbelebt werden könnten. Die Pragmatiker sagen, wir hätten zwar gerne einen glaubensorientierten Kandidaten, aber die USA haben sich dafür zu weit nach links bewegt, also lasst uns jemanden aufstellen, der möglichst wählbar ist. Und die entscheiden sich meist für Trump."
    Vielleicht steht dahinter die Einsicht, dass die Evangelikalen nicht mehr eine solche politische Macht darstellen wie in den 1980er-Jahren. Vielleicht ist die politische Identität der Evangelikalen heutzutage weniger religiös als kulturell bestimmt, meint Albert Mohler vom Southern Baptist Theological Seminary in Louisville, Kentucky.
    "Wir Evangelikale haben immer darauf vertraut, dass es viele Millionen von uns gibt. Und jetzt müssen wir wohl der Tatsache ins Auge sehen, dass es bei strikt theologischer Definition weniger von uns gibt, als wir gedacht haben."
    Evangelikalen sind politische Pragmatiker
    Doch das ist nicht ganz neu. In der Präsidentschaftswahl 1980 entschied sich der Vater des evangelikalen Predigers Jerry Falwell, Jr., und mit ihm viele andere, nicht Präsident Carter, einen praktizierenden evangelikalen Christen zu unterstützen. Sondern einen geschiedenen Hollywood-Schauspieler namens Ronald Reagan, dessen Frau Astrologie betrieb.
    Evangelikale Christen sind in der Regel eben auch politisch pragmatisch, so der Pastor Robert Jeffress.
    "Ich glaube, viele Evangelikale sind zu dem Schluss gekommen, dass wir uns nicht auf den Staat verlassen können, wenn es um die Aufrechterhaltung traditioneller biblischer Werte geht. Also soll der Staat einfach praktische Probleme lösen wie Einwanderung, die Wirtschaft, und nationale Sicherheit. Und wenn wir nur das wollen, dann brauchen wir auch keinen spirituellen Übermenschen im Weißen Haus. Und deswegen sind viele evangelikale Christen offen für einen säkularen Kandidaten wie Donald Trump."