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Trumps Absage des Nordkorea-Gipfels
"Das war ein unbegründeter Optimismus"

Nach der Absage des Nordkorea-Gipfels durch US-Präsident Donald Trump sei man wieder auf dem Boden der Tatsachen gelandet, sagte CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen im Dlf. Die USA hätten mit dem Treffen zu große und naive Hoffnungen verknüpft. Der Ansatz, Druck auf Nordkorea auszuüben, sei jedoch richtig.

Norbert Röttgen im Gespräch mit Christoph Heinemann | 25.05.2018
    CDU-Politiker Norbert Röttgen
    CDU-Politiker Norbert Röttgen (pa/dpa/von Jutrczenka)
    Christoph Heinemann: Am Telefon ist Norbert Röttgen (CDU), der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages. Guten Morgen.
    Norbert Röttgen: Guten Morgen, Herr Heinemann.
    Heinemann: Herr Röttgen, ist das Frühlingsmärchen beendet?
    Röttgen: Erst mal ja. Der Termin ist abgesagt. Ich glaube, er hat auf viel zu großen selbstbezüglichen Hoffnungen in Washington beruht und auf der Fehlannahme, dass Kim wirklich auf einmal zu einer völligen Politikumkehr bereit sei. Dafür gab es auch nie wirklich eine Grundlage in dem, was Kim gesagt hat. Jetzt sind wir alle erst mal wieder auf dem Boden der Tatsachen gelandet, ja.
    Heinemann: Das heißt, die Absage ist im Sinne der Diplomatie eine gute Nachricht?
    Röttgen: Nein, nein. Das ist im Sinne der Diplomatie eine schlechte Nachricht, weil ja die Hoffnung genährt wurde, dass es einen großen diplomatischen Erfolg geben würde am 12. Juni, und jetzt ist man wieder zurückgeworfen darauf, zu diplomatischen Lösungen zu kommen, wenngleich jetzt die militärischen Drohungen auch sofort wieder auf dem Markt sind.
    "Hoffnung war immer der Vater des Gedankens"
    Heinemann: Washington kritisierte eine Änderung der Tonlage in Nordkorea. Welche Erklärung haben Sie dafür?
    Röttgen: Meine Erklärung ist, dass die Ankündigungen, die ganze Rhetorik des Gipfels, der ja nun eine völlige Wende bringen würde, durch den amerikanischen Präsidenten zu keinem Zeitpunkt auf einer nüchternen Analyse der Bereitschaft Nordkoreas beruhte, wirklich eine völlige Entwaffnung und auch einen Abschied von der nuklearen Fähigkeit wirklich zuzustimmen. Darum, glaube ich, war immer Hoffnung der Vater des Gedankens, und es hat von nordkoreanischer Seite niemals eine Ankündigung von derartigen Konzessionen gegeben, während von amerikanischer Seite ja allein die Tatsache der Bereitschaft zu einem Gipfel eine große Vorleistung war, die aber auf Tatsachen und festen Ankündigungen Nordkoreas niemals begründet war.
    Heinemann: Was genau bedeutet denn der Begriff Denuklearisierung?
    Röttgen: Das ist zum Beispiel eine gute Frage. Solange man bei diesem vagen Begriff bleibt und ihn als Ziel verkündet, kann man sehr Unterschiedliches darunter verstehen. Die amerikanische Seite hat ganz offensichtlich darunter verstanden und hat dies auch klargemacht im Vorfeld, dass es darum geht, dass Nordkorea auf seine Fähigkeiten der Uran-Anreicherung verzichtet und auch darauf verzichtet, die Fähigkeit damit zu einer Nuklearwaffe zu erwerben.
    Dieser weitestgehende Verzicht, an den hat Nordkorea überhaupt nicht gedacht, wahrscheinlich nicht mal an die Beendigung des zivilen Programms und wahrscheinlich auch nicht daran, überhaupt Nuklearwaffen zu erwerben. Vielleicht war daran gedacht, dass man dann sich möglicherweise internationalen Regelungen unterwirft. Aber genau um diese Frage, was heißt das eigentlich, gab es niemals ein hinreichend belastbares gemeinsames Verständnis und trotzdem die amerikanische Ankündigung, dass der riesengroße Erfolg kurz bevorstehe.
    "Eigentlich hat man sich gar nicht wirklich angenähert"
    Heinemann: Welcher Kompromiss wäre denn denkbar? Atomwaffen sozusagen für den Hausgebrauch, das wäre für die Nachbarn im Süden ja immer noch sehr gefährlich.
    Röttgen: Unbedingt! Die amerikanische Position ist in der Sache die absolut richtige, dass unterbunden werden muss, dass es Atomwaffenfähigkeit Nordkoreas gibt, im Sinne der Nichtverbreitung von Nuklearwaffen. Aber dafür hat Nordkorea über Jahrzehnte alles geopfert. Das ist die existenzielle Rückversicherungspolitik im nordkoreanischen Selbstverständnis. Ich referiere diese Politik, die man braucht, um sich gegen Regime Change zu schützen.
    Und nun kommt Herr Bolton, der nationale Sicherheitsberater, und bringt gerade das Beispiel Libyen noch mal in den Kontext hinein – Libyen, das Anfang der 2000er-Jahre auf Nuklearwaffen wegen Sanktionen verzichtet hatte, und dann gab es den Regime Change acht Jahre später in Libyen, also ein ganz schlechtes Beispiel. Darum geht es Kim und Nordkorea, immer diese Rückversicherung zu haben durch Nuklearwaffen-Möglichkeit, und das ist inakzeptabel aus amerikanischer und internationaler Sicht, und eigentlich hat man sich gar nicht wirklich angenähert.
    Heinemann: Gehören klare Ansagen im Fall Kim nicht zum richtigen Umgangston?
    Röttgen: Doch, die gehören absolut dazu. Ich finde auch, vor allen Dingen der Ansatz der USA, es zusammen mit China zu tun und auch nur zusammen mit China schaffen zu können, war richtig. Das was jetzt falsch war und auch immer Skepsis genährt hatte bei Experten, zu denen ich mich nicht zählen möchte, aber jedenfalls kann man mit ihnen ja sprechen, das war dieser Optimismus, diese Ankündigung, das wird jetzt ein großer Erfolg werden. Die Münzen waren gedruckt, der Friedensnobelpreis war praktisch schon dabei, geschrieben zu werden. Das war ein unbegründeter Optimismus und eine Hoffnung, die, glaube ich, mehr mit dem Willen und dem Geltungsbedürfnis des amerikanischen Präsidenten zu tun hatte als mit einer nüchternen Analyse. Es ist eben viel einfacher, etwas kaputt zu machen an internationalem Werk, als ein internationales Vertragswerk konstruktiv hinzubekommen.
    Heinemann: Heißt das, dass beide Seiten jetzt wieder auf das Feuer und Zorn Niveau zurückgefallen sind?
    Röttgen: Ja, nicht ganz. Es ist eine Mischung. Es hat dann ja auch von beiden Seiten wieder militärische Ankündigungen, vor allem der amerikanischen Seite gegeben. Von beiden Seiten hat es aber auch die Zusage gegeben, wir werden weiter sprechen. Es hat vor allen Dingen jetzt auch international eine gewisse Beschädigung der USA gegeben. Kim ist es gelungen und er hat sich wieder als wirklich bemerkenswerter Taktiker erwiesen, Trump, den amerikanischen Präsidenten in die Rolle zu bringen, dass er, dass Trump, die amerikanische Seite diesen Gipfel absagt und er und die Amerikaner dadurch im Rechtfertigungszwang sind. Diese diplomatische Veränderung ist erreicht worden, aber man ist weitgehend wieder auf dem Status quo ante.
    Heinemann: Das heißt, in der internationalen Wahrnehmung des Konflikts könnte Trump jetzt als Bösewicht und Kim als verfolgte Unschuld dastehen?
    Röttgen: Nein, das wäre ja eine zu naive Sicht. An der Grundkonstellation hat sich nichts geändert. Das eine Land ist eine harte Diktatur, die gegen den Willen der internationalen Gemeinschaft und auch seiner Nachbarn ein Atomwaffenprogramm betreibt. Aber die Art, jetzt am Ende der amerikanischen Diplomatie zu glauben, man könne, nur weil da ein neuer Präsident kommt, ganz schnell etwas erreichen, was jahrzehntelange Politik dieses Landes Nordkorea war, das hat sich als eine Naivität erwiesen. Und das ist jetzt sicherlich nicht ein Pluspunkt in der jüngsten Diplomatie des amerikanischen Präsidenten.
    "Weiter auf Nordkorea einwirken"
    Heinemann: Sollte man jetzt statt eines Gipfels einen Friedensprozess in Gang setzen?
    Röttgen: Es hat sich an der Grundkonstellation nichts geändert, dass man auf Nordkorea einwirken muss, im Sinne der Nichtverbreitung von Nuklearwaffen auf dieses Waffenprogramm zu verzichten. Es bleibt der Ansatz richtig, diesen vor allen Dingen gemeinsamen Ansatz der USA und Chinas zu tun und allen Druck auszuüben, Nordkorea davon weg zu bekommen, dass dieses Programm weiter verwirklicht wird. Da muss man jetzt weitermachen.
    Heinemann: Bleibt die Grundfrage, Herr Röttgen: Ohne Atomwaffen wäre Kim ein ganz normaler Diktator seiner Hunger leidenden Untertanen. Mit Nuklearwaffen ist er auch im übertragenen Sinne ein Schwergewicht. Wieso sollte der Mann seine Waffen verschrotten?
    Röttgen: Diese Frage stellt sich Kim ganz genau und exakt und auf diese Frage muss man ihm auch eine Antwort geben, wenn man zu einer diplomatischen Lösung kommen will. Darum muss der Verzicht auf Regime Change von außen nicht nur gegeben werden, sondern er braucht hier auch gewisse Garantien, was die Einwirkung von außen im Hinblick auf Regime Change im Innern bedeutet. Keiner hat das Recht, dem nordkoreanischen Volk das Recht auf Selbstbestimmung zu nehmen und diesem Diktator eine Existenzgarantie zu geben, aber der Verzicht, dass man von außen diesen Regime Change herbeiführt, den muss er in belastbarer Weise erhalten für den Verzicht.
    Heinemann: Herr Röttgen, wir wollen kurz ein anderes Thema noch ansprechen. Vor vier Jahren wurde eine Passagiermaschine der Malaysia Airlines mit 298 Insassen an Bord, darunter fast 200 Personen aus unserem Nachbarland Niederlande, über der Ostukraine abgeschossen. Internationale Ermittler haben die Rakete nach langen Untersuchungen einer russischen Militärbrigade in Kursk zugeordnet. Was sollte daraus für das Verhältnis zu Russland folgen?
    Röttgen: Meine Meinung ist, dass vor allen Dingen für Russland nun daraus etwas folgen muss, wenn unabhängige Ermittler in mühsamster Arbeit nun eine Verantwortung des russischen Staates, und zwar eine unmittelbare Verantwortung des russischen Staates festgestellt haben. Es muss nun hier ein Ende der russischen Politik des Leugnens und auch des Lügens, muss man sagen, geben und dazu muss die internationale Gemeinschaft Russland auffordern.
    Und ich glaube, gerade wir Europäer, die Europäische Union und die europäischen Regierungen müssen klarmachen, dass Russland dieser Verantwortung nachkommen muss, sie wahrnehmen muss gegenüber Opfern und ihren Angehörigen, und dass das auch eine Bedingung der weiteren Entwicklung der Beziehungen zu Russland ist. Das kann man nicht ignorieren, wenn es hier unmittelbare Verantwortung für den Tod von nahezu 300 Menschen gibt.
    "Russland verliert auch an Würde, auch als Gastgeber"
    Heinemann: Kann man nach dieser Nachricht in einem Land, das Zivilisten vom Himmel schießt, noch eine Fußball-WM veranstalten?
    Röttgen: Das ist immer eine schwierige Frage. Russland beschädigt jedenfalls seine Reputation, auch seine Glaubwürdigkeit dadurch enorm und verliert auch an Würde, auch als Gastgeber. Das ist mein Empfinden, wenn diese Täterschaft feststeht und gleichzeitig man sich als Gastgeber von Wettspielen, der Begegnung, der Fairness dort präsentiert. Ich bin trotzdem der Meinung, dass Fußball, Sport, Ereignisse, die nicht nur Sport sind, sondern natürlich auch immer Politik und Selbstdarstellung des Landes beinhalten, trotzdem ganz, ganz am Ende erst gesehen werden sollten, und ich glaube, wir sollten in der Reaktion sehr konsequent im Bereich der Politik bleiben und nicht auf den Sport uns ausdehnen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.