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Trumps Einreiseverbot und die Folgen
"Reinster Aktionismus mit katastrophaler Auswirkung"

Die amerikanische Journalistin Melinda Crane hofft darauf, dass der Kongress in den USA und die Republikaner Donald Trump noch bremsen. Dort sehe man jetzt schon ziemlich viel Opposition. "Ich erwarte von ihnen, dass sie ihren Job tun", sagte sie im DLF.

Melinda Crane im Gespräch mit Christine Heuer | 30.01.2017
    02.09.2015,Berlin,Deutschland,GER,IFA Internationale Funkausstellung. 1. Pressetag. Eröffnungspressekonferenz, Melinda Crane, Moderatorin 02 09 2015 Berlin Germany ger IFA International Radio exhibition 1 Pressetag Opening press conference Melinda Crane Presenter
    Die US-Publizistin Melinda Crane (imago )
    Christine Heuer: Am Telefon begrüße ich die in Deutschland lebende US-Publizistin Melinda Crane. Guten Tag.
    Melinda Crane: Guten Tag!
    Heuer: Was hören Sie aus den USA? Wie ist die Stimmung in Ihrer Heimat?
    Crane: Empörung! Ich komme aus Boston. Ich kenne niemanden, der jetzt selbst direkt betroffen ist von diesem Einreisestopp. Aber meine Universität zum Beispiel würde dadurch Wissenschaftler verlieren, die anscheinend jetzt im Moment im Bostoner Flughafen nicht weiterkommen. Und auch die Krankenhäuser: Sehr berühmte, sehr gute Krankenhäuser in Boston müssten auch auf Wissenschaftler verzichten. Und vor allem was ich höre ist: Absolute Verzweiflung und Empörung und gleichzeitig Kampfesmut von Freunden und Bekannten, die sagen, das ist nicht unser Land und wir werden für unsere Verfassung kämpfen, wir werden auch protestieren und wir werden vor allem Druck auf unsere Senats- und Kongressabgeordnete machen, dass dies rückgängig gemacht wird.
    "Das ist alles hauptsächlich eine Inszenierung"
    Heuer: So sieht es das liberale Amerika. Kriegen Sie, Frau Crane, auch mit, wie Trumps Wähler dieses jüngste Dekret beurteilen? Freuen die sich?
    Crane: Man entnimmt aus den Medien, dass sie tatsächlich den Eindruck gewinnen, ja, das ist ein politischer Anführer, der sein Wort hält und sein Wahlkampfversprechen tatsächlich gut macht. Nur wenn man sieht, was tatsächlich in dieser Woche geschehen ist, ob es die Tweets oder die Telefonanrufe oder die öffentlichen Äußerungen und dann auch noch diese Exekutivanordnungen waren, egal welche Maßnahmen: Das ist alles hauptsächlich eine Inszenierung von Trump als Mann der Aktion, als Beschützer der Amerikaner, aber mit wenig Inhalt bisher, eher wirklich sehr grob gezeichnet. Die Exekutivanordnungen werden nicht etwa von Juristen in den zuständigen Behörden geschrieben, sondern offensichtlich aus dem Beraterkreis von Donald Trump und das dann wirklich so breit und so vage, dass es zu einem solchen Chaos kommt. Das ist keine zuverlässige politische Umsetzung seiner Wahlkampfversprechen, sondern, wie wir gerade vorhin von den deutschen Politikern gehört haben, reinster Aktionismus mit katastrophaler Auswirkung.
    Heuer: Ist das aus Ihrer Sicht Unvermögen, oder steckt dahinter eine Strategie?
    Crane: Die Strategie von Donald Trump gilt immer wieder der Selbstinszenierung. Man muss es leider sagen. Er ist sehr, sehr mit seiner Wirkung beschäftigt, mit dem Schein, den er in der Welt erwirkt. Man könnte fast sagen, als ob er die Politik so wie eine Reality Fernseh-Show inszeniert. Er war ja Reality Show Star in den USA viele Jahre lang und so wirkt das Ganze. Aber das, was vielleicht im Wahlkampf funktioniert hat, ist natürlich jetzt als Präsident der Vereinigten Staaten überhaupt nicht wirksam beziehungsweise produktiv für ihn, und von daher denke ich, man kann es nur verurteilen und man kann nur hoffen, dass der Kongress und vor allem seine eigene Partei ihn dort bremsen.
    "Der Präsident ist nicht der Allmächtige in diesem Land"
    Heuer: Frau Crane, ich würde das aber gerne besser verstehen. Wir hören hier spätestens seit der Antrittsrede von Donald Trump immer wieder, er begreife gewisse Dinge nicht, er werde das schon noch lernen, begleitet von einer wachsenden Sorge. So dumm kann doch niemand sein, der im Weißen Haus ankommt, und so dumm können doch seine Berater auch nicht sein. Die begreifen doch schon, was sie da tun, oder ?
    Crane: In seinem engsten Beraterkreis ist der Chefideologe Stephen Bannon. Bann ist ein hart rechter Nationalkonservativer. Der wurde gerade in den nationalen Sicherheitsrat befördert, während zwei langjährige wichtige Mitglieder, der eine der führende Militäroffizier in Amerika, da rausgedrängt wurden. Das heißt, Bannon hat offensichtlich sehr viel Einfluss im Weißen Haus und man entnimmt der sehr zuverlässigen Print-Presse in Amerika, dass er maßgeblich beteiligt ist an diesen Exekutivanordnungen. Das heißt, von ihm aus ist es sicherlich Strategie, aber …
    Heuer: Wohin? Wohin soll das führen?
    Crane: Eine hart rechte nationale "America first"-Politik, genau wie von Donald Trump bei der Amtseinführung angekündigt. Und dennoch sage ich Ihnen: Der Präsident, obwohl er in gewissen Bereichen einiges per Exekutivanordnungen erreichen kann, ist er nicht der Allmächtige in diesem Land. Wir haben die berühmten Checks and Balances, den Ausgleich durch Kongress und Senat, und die werden und können und müssen tätig werden. Wir sehen jetzt schon ziemlich viel Opposition innerhalb der Republikanischen Partei, erst mal zum Teil diplomatisch ausgedrückt, aber Sie können glauben, dass viele dort sehr beunruhigt werden, und ich erwarte von ihnen, dass sie ihren Job tun.
    Heuer: Und was passiert dann, Frau Crane? Oder ich formuliere die Frage mal anders: Bleibt ein Präsident, der so agiert, wie Donald Trump es jetzt in der ersten Woche vorgemacht hat, bleibt der tatsächlich eine ganze Amtszeit im Weißen Haus?
    Crane: Das kann ich natürlich unmöglich sagen jetzt nach einer Woche. Sie können sicher sein, dass all die Kräfte, die jetzt so stark gegen diesen neuen Einreisestopp angehen, das heißt auch Verbände wie das American Civil Liberties Union - das ist eine politisch aktive NGO, also Nichtregierungsorganisation, die die Klage am Samstag erhoben hat und auch schon per Gericht in vier Städten weitergekommen ist -, dass diese Organisationen akribisch suchen nach Gründen und nach Anlässen, vor Gericht zu gehen, um diese Politik, soweit sie verfassungswidrig ist, zu stoppen oder korrigieren zu lassen, was auch richtig ist, denn auch die Gerichte gehören zu den vorher erwähnten Checks and Balances. Das heißt, es könnte sein, dass wir eine sehr ruppige Amtszeit erleben mit sehr vielen Klagen vor Gericht, mit Aktionen auch im Senat und Abgeordnetenhaus zum Teil, um Dinge zu klären, zu korrigieren und so weiter, ein Zickzack-Kurs sondergleichen, wie es Präsident Obama sagte, bevor er aus dem Amt gegangen ist. Er sagte, wir würden einen Zickzack-Kurs erleben, und man muss sagen, das hat Donald Trump jetzt schon reichlich bewiesen.
    "Nicht gleich auf dieses untere Niveau gehen"
    Heuer: Wie soll denn der Rest der Welt mit diesem Mann im Weißen Haus umgehen? Wir schauen jetzt mal, weil wir in Deutschland miteinander reden, auf Angela Merkel. Die hat am Wochenende das erste Mal mit Donald Trump telefoniert. Welche Strategie können sie ihr empfehlen im Umgang mit diesem US-Präsidenten Trump?
    Crane: Genau was sie bisher gemacht hat. Bei der Gratulationsbotschaft nach der Wahl im November hat sie gleich die Werte der transatlantischen Beziehungen aufgezählt, auf welcher Basis man in Zukunft miteinander kooperieren würde. Jetzt hat sie das noch einmal klar gemacht, anscheinend in diesem Telefonat und auch in einem öffentlichen Statement danach, dass sie sagte, das sind nicht die Prinzipien der Menschenrechtsordnung und natürlich auch des internationalen Völkerrechts. Das finde ich genau richtig, selbstbewusst mit gutem Beispiel vorangehen, die eigenen Prinzipien leben, nicht gleich sagen, es käme zu Handelseinschränkungen, nicht gleich auf dieses untere Niveau gehen, sondern auch wo möglich vor Gericht gehen, das heißt vors WTO-Gericht und sonst wo, um das Völkerrecht weiterhin durchzusetzen und zu leben. Das ist ein wichtiges Signal. Es ist vielleicht nicht das erste Signal, worauf Donald Trump im Moment achtet, aber wir erinnern uns vielleicht an die Rede von Michelle Obama, wo sie sagte, "When they go low, we go high." Ich finde, genau das soll Deutschland auch machen.
    Heuer: Die US-Publizistin Melinda Crane im Interview mit dem Deutschlandfunk. Ich danke Ihnen sehr, Frau Crane.
    Crane: Ich danke auch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.