Donnerstag, 28. März 2024

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Trumps Vision von der UNO
"Dokument trägt deutlichen Stempel des Geschäftsmannes"

Die UNO sei durchaus reformbedürfitig, sagte Carmen Wunderlich vom Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung im Dlf. Der von US-Präsident Donald Trump vorgelegte Zehn-Punkte-Plan zur Verschlankung der UNO sei eine "reine Management-Reform" und greife zu kurz.

Carmen Wunderlich im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 20.09.2017
    US-Präsident Trump vor der UNO-Vollversammlung in New York.
    Es gebe durchaus wichtigere Punkte, die bei der UNO reformiert werden müssten als die von Donald Trump gemachten Vorschläge, kritisierte Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung im Dlf (AFP / Timothy A. Clary)
    Dirk-Oliver Heckmann: Donald Trump nennt die Vereinten Nationen ineffektiv und wirft ihnen Verschwendung von Steuergeldern vor. Ist da nicht was Wahres dran? Das habe ich vor der Sendung Carmen Wunderlich gefragt vom Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung.
    Carmen Wunderlich: Ja, es ist definitiv was Wahres dran, und letztlich ist diese Kritik ja auch nicht neu. Kritik an der Ineffizienz hat es schon immer gegeben und die Reform der UNO ist seit Jahrzehnten eigentlich ein Thema.
    Die meisten Geberstaaten, hier insbesondere die Industriestaaten, die ja selbst auch den Großteil des UN-Haushalts stemmen, üben auch immer wieder Kritik an überbordender Bürokratie und an überlappenden Unterorganisationen und Agenturen, die in gleichen Themenfeldern arbeiten und jeweils über eigene Finanzstrukturen verfügen. Das sind natürlich Einfallstore für Ineffizienzen. Insofern ist diese Kritik durchaus berechtigt.
    Gleichzeitig lenkt aber diese Kritik auch von den Erfolgen ab, die die UNO seit ihrem Existieren erzielt hat. Man darf nicht vergessen, was die UNO leistet. Sie ist weltweit derzeit in 16 laufenden Peacekeeping-Missionen involviert. Sie verfügt insgesamt über 150 Sonderorganisationen, die in verschiedenen Themenbereichen arbeiten. Sie hat in der Vergangenheit erheblich zur Aufrechterhaltung von Frieden und internationaler Sicherheit beigetragen, beispielsweise im weltweiten Kampf gegen Armut, aber auch hinsichtlich der Verabschiedung der Millenniums-Ziele, oder auch ganz konkret in der Einhegung von Konflikten. Nehmen wir etwa ein ganz großes Beispiel, nämlich den Kalten Krieg. Dass dieser nicht in einen Heißen Krieg umgeschlagen ist, ist natürlich auch zu großen Teilen der UN zu verdanken.
    "Die Kostensteigerung, die er hier konzertiert, hat nichts mit Verschwendung zu tun"
    Heckmann: Frau Wunderlich, jetzt sagt Donald Trump auch, das Budget der UNO sei um 140 Prozent gestiegen seit 2000. Das Personal sei mehr als verdoppelt worden und man sehe keine Ergebnisse, die diesen Investitionen entsprechen würden. Da haben Sie gerade ja schon ein paar Gegenbeispiele genannt. Aber es ist ja auch so, dass die Amerikaner 28 Prozent der Kosten für UNO-Friedensmissionen tragen und 22 Prozent der laufenden Kosten. Machen sich da andere Länder einen schlanken Fuß?
    Wunderlich: Da würde ich gerne zwei Punkte zu beitragen. Zum einen muss man bei dieser Rechnung, die Trump hier aufgemacht hat, Folgendes zu bedenken geben. Die Kosten sind in der Tat gestiegen, aber im Vergleich ist auch der Bedarf an Peacekeeping Einsätzen massiv gestiegen in den letzten Jahren. Er bezieht sich auf das Jahr 2000. Damals gab es etwa 25.000 stationierte Blauhelm-Soldaten. Heute sind es ungefähr 100.000. Das heißt, die Kostensteigerung, die er hier konzertiert, hat nichts mit Verschwendung zu tun, sondern tatsächlich mit einem gestiegenen Bedarf und dem Anstieg von Konflikten auf der Welt.
    Zu Ihrer weiteren Frage, dass die USA einen überdurchschnittlichen Anteil am UN-Haushalt trägt. In der Tat sind die USA mit einem Anteil von – Sie haben es genannt – 22 Prozent am Gesamthaushalt und auch dem 28prozentigen Anteil an Peacekeeping-Missionen der größte Beitragszahler. Allerdings, wenn man das zum Beispiel mit der EU vergleicht: Die trägt rund 31 Prozent der Kosten. Man muss das letztlich auch wieder ins Verhältnis setzen.
    "Der UNO wird lediglich die Rolle als unterstützende Plattform zugeschrieben"
    Heckmann: Donald Trump hat jetzt eine Zehn-Punkte-Erklärung vorgelegt zur Reform der UNO. 126 Länder unterstützen ihn dabei. Können Sie ganz kurz zusammenfassen, was da drinsteht und wie sinnvoll das ist?
    Wunderlich: Der Zehn-Punkte-Plan enthält letztlich ja Trumps Version einer Verschlankung der UN. Hier wird ziemlich deutlich der eigentliche Hintergrund von Trump, der geschäftsmännische Hintergrund sozusagen. Der Generalsekretär Guterres wird darin aufgefordert, verschiedene Management-Reformen durchzuführen, insbesondere Prozeduren zu vereinfachen, Entscheidungsfindungsprozesse zu dezentralisieren, Doppelstrukturen zu entschlacken, Transparenz zu stärken, aber auch die Berechenbarkeit der benötigten Ressourcen zu erhöhen, summa summarum die UNO effizienter zu machen.
    Es wird aber im letzten Punkt festgehalten, dass jedes Land letztlich in erster Linie die Aufgabe habe, für seine eigene wirtschaftliche und soziale Entwicklung zu sorgen. Das heißt, der UNO wird lediglich die Rolle als unterstützende Plattform zugeschrieben, und Trump spricht davon, ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis müsse bei gleichzeitigem Vorantreiben gemeinsamer Werte immer im Vordergrund stehen. Insofern trägt dieses Dokument einen deutlichen Stempel des Geschäftsmanns. Es geht hier um eine reine Management-Reform, die definitiv zu kurz greift. Die UNO ist reformbedürftig, aber es gibt weitaus mehr Punkte und ich würde jetzt auch mal sagen wichtigere Punkte, die angepackt werden müssen.
    Heckmann: Vielleicht könnte es ja ein bisschen Bewegung geben. Das könnte sich Donald Trump auf die Fahnen schreiben.
    Frau Wunderlich, der UNO-Sicherheitsrat ist ja bei den meisten Fragen, bei den wichtigen Fragen blockiert, gespalten – Beispiel Syrien, Beispiel Ukraine. Der Linken-Politiker Jan van Aken, der hat heute hier bei uns im Deutschlandfunk gesagt, man solle die UNO demokratisieren, also Macht vom Sicherheitsrat auf die Vollversammlung übertragen. Wäre das ein Weg, gerade wenn man sich vorstellt, dass die Vollversammlung der Vereinten Nationen ja nicht gerade ein Club von Demokratiefreunden ist?
    Wunderlich: Was er anspricht ist natürlich ein schöner Gedanke, die Demokratisierung, und letztlich steht die UNO ja auch genau dafür: ein Staat, eine Stimme. Es geht darum, allen Staaten der Welt eine Stimme zu geben. Dass der Sicherheitsrat aufgrund der Struktur – es sind fünf ständige Mitglieder, die über Vetorecht verfügen, und zehn nicht ständige Mitglieder – häufig nicht zu Entscheidungen kommt, sage ich jetzt mal, ist natürlich unglücklich. Aber die von Herrn van Aken angesprochene Vision einer Demokratisierung ist leider vor diesem Hintergrund einfach unrealistisch, muss man mal so sagen.
    Letztlich ist der Sicherheitsrat die wichtigste Entscheidungsinstanz. Die UNO-Vollversammlung ist trotzdem sehr wichtig und zentral. Ihr kommt eine Rolle zu, weil sie den gesamten Prozess begleitet und natürlich auch bestimmt. Nichts desto trotz sind natürlich auch Reformen des Sicherheitsrats vonnöten. Darüber wird ja auch seit Jahren debattiert, dass zum Beispiel endlich Regionen, die nicht dort repräsentiert sind, hier insbesondere der globale Süden, ständige Sitze bekommt oder weitere Entscheidungsbefugnisse, Mitspracherechte.
    "Die Zusammensetzung des Sicherheitsrates zu ändern, ist ein sehr schwieriger Prozess"
    Heckmann: Denken Sie, dass es dazu kommt in den nächsten Jahren?
    Wunderlich: Ich würde es hoffen, aber ich halte die Aussichten darauf für eher unwahrscheinlich. Ich glaube, was wir sehen werden sind tatsächlich Reformen bezüglich der Verfahren. Antonio Guterres hat sich ja auch ganz bewusst die Reform der UNO auf die Agenda geschrieben. Das ist ihm ein Anliegen. Aber aufgrund der von mir schon angesprochenen Struktur der Vetorechte der Sicherheitsratsmitglieder, der ständigen, ist es eher wahrscheinlich, dass es zu Verfahrensänderungen kommt, zum Beispiel einer verstärkten Transparenz oder Rechenschaftspflicht, der Beteiligung von Streitparteien an Entscheidungsfindungsprozessen. Das ist auch immerhin schon mal etwas. Aber wirklich die Zusammensetzung des Sicherheitsrates zu ändern, ist ein sehr schwieriger Prozess, weil er letztlich die Zustimmung einer Zwei-Drittel-Mehrheit der Generalversammlung erfordert, inklusive der fünf ständigen Mitglieder.
    Heckmann: Wozu es nicht kommen wird?
    Wunderlich: Wozu es nicht kommen wird, wenn es zumindest um die Beschränkung von Rechten und Privilegien geht – genau.
    Heckmann: Carmen Wunderlich war das vom Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung. Frau Wunderlich, danke Ihnen für das Gespräch.
    Wunderlich: Sehr gerne.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.