Dienstag, 16. April 2024

Archiv

Truppenbesuch in Konya
"Es ist kein eingeschränktes Besuchsrecht"

Dass der Truppenbesuch deutscher Parlamentarier im türkischen Konya nur im Rahmen einer NATO-Reise ausgeübt werden darf, hält der verteidigungspolitsche Sprecher der CDU, Henning Otte, für akzeptabel. "Es ist ja ein Mehr, weil deutlich gemacht worden ist, die NATO unterstützt unser Besuchsrecht", sagte Otte im Dlf.

Henning Otte im Gespräch mit Christiane Kaess | 09.08.2017
    Henning Otte (2. von rechts) mit Verteidigungsministerin von der Leyen bei einem Truppenbesuch mit Kommandeuren in Mali
    Henning Otte sieht kein Nachgeben beim Besuchsrecht deutscher Parlamentarier (dpa/ Kappeler)
    Christiane Kaess: Über das Thema möchte ich sprechen mit Henning Otte. Er ist verteidigungspolitischer Sprecher der Unionsbundestagsfraktion und Mitglied im Verteidigungsausschuss. Guten Morgen, Herr Otte!
    Henning Otte: Guten Morgen, Frau Kaess!
    Kaess: Herr Otte, Sie sollen dabei sein bei der NATO-Reise am 8. September, aber sind Sie sich eigentlich sicher, dass die tatsächlich stattfinden wird?
    Otte: Wir gehen fest davon aus, dass diese Reise am 8. September nach Konya stattfinden wird. Dies hat auch Außenminister Gabriel bekanntgegeben, und das ist eine gute Entwicklung.
    "Bin der NATO dankbar"
    Kaess: Also, da können Sie sich auf die Türkei noch verlassen, glauben Sie, auf so eine Zusage?
    Otte: Darauf können wir uns verlassen, davon gehen wir aus. Das ist jetzt abgesprochen, auch im NATO-Kreis, und ich bin auch der NATO dankbar, dass sie die Initiative Deutschlands auch hier aufgegriffen hat.
    Kaess: Ist damit der Streit um die Besuchsrechte beigelegt?
    Otte: Es wäre gut, wenn noch einmal innerhalb der NATO deutlich gemacht wird, dass es ein standardisiertes Verfahren gibt, dass es keinen Zweifel gibt am gegenseitigen Besuchsrecht, und das drückt sich ja schon dadurch aus, dass wir am 8. September jetzt nach Konya fliegen werden.
    "Die Initiative Deutschlands ist aufgegriffen worden"
    Kaess: Jetzt sagt Bundesverteidigungsministerin von der Leyen schon, das ist eine gute Lösung. Ist das nicht etwas vorschnell?
    Otte: Nein, das zeigt, dass die NATO deutlich gemacht hat, es gibt hier keinen Zweifel am Besuchsrecht. Es ist deutlich geworden, die Initiative Deutschlands ist aufgegriffen worden durch NATO-Generalsekretär Stoltenberg, und es ist deutlich gemacht worden, wir stehen zusammen innerhalb der NATO.
    Kaess: Aber es ist eine Reise unter der Leitung der NATO. Wollen Sie jetzt jedes Mal die NATO bitten, eine Reise zu organisieren, wenn Sie die Bundeswehrsoldaten in der Türkei besuchen wollen?
    Otte: Wir haben als Union immer gesagt, das Besuchsrecht ist nicht verhandelbar. Es ist auch Ausdruck der Fürsorge für unsere Soldatinnen und Soldaten, und von daher geht es jetzt darum, dass wir unseren Verpflichtungen als Parlamentarier nachkommen können, dies auch wahrnehmen wollen und diese Reise jetzt umgesetzt wird.
    "Gut, dass nicht nationale Wünsche vorgetragen werden"
    Kaess: Aber das Besuchsrecht, Herr Otte, ist ja offenbar doch verhandelbar, wenn Sie jetzt jedes Mal die NATO fragen müssen.
    Otte: Nein, es gab ja aus innenpolitischen Gründen, vorgeschobene Gründe vielleicht der Türkei, einen Wunsch, die letzte Reise zu verschieben. Diese Verschiebung setzt sich jetzt um, dass sie stattfindet, und von daher, glaube ich, ist es klar geregelt.
    Kaess: Aber es ist ja nicht nur eine Verschiebung, es ist jetzt ein ganz anderer Rahmen.
    Otte: Das ist ja gerade gut, dass die NATO klargestellt hat, dass nicht nationale Wünsche vorgetragen werden, sondern dass es klar geregelt ist innerhalb der NATO. Wir besuchen unsere Truppen gegenseitig. Es ist ein mehr als vorher.
    Kaess: Aber, Herr Otte, mir geht es um einen anderen Punkt: Geben Sie nicht als Abgeordneter und Ihre Kollegen Ihre Eigenständigkeit auf?
    Otte: Nein, das sehe ich überhaupt nicht so. Wir freuen uns, dass die NATO einmal mehr klargestellt hat, dass dieses Besuchsrecht nicht verhandelbar ist. Das stärkt unsere Position und ist Ausdruck von Gemeinsamkeit.
    "Linke versucht, einen Keil in die NATO zu treiben"
    Kaess: Das sieht die Opposition ganz anders. Da kommt Kritik von der Linkspartei, genau der Punkt eben, dass man sagt, der Bundestag gibt damit seine eigenen Beteiligungsrechte auf, und der Obmann der Linkspartei, Alexander Neu, der legt noch einmal nach und sagt, das ist ein erneutes Einknicken vor Erdogan. So kann man das Ganze auch interpretieren.
    Otte: Ich interpretiere das Programm der Partei Die Linke, die sagt, alle Bundeswehreinsätze müssen gestoppt werden, raus aus der NATO … Hier wird versucht, ein Keil in die NATO reinzutreiben, und das ist insbesondere unter Berücksichtigung der Sicherheitslage völlig unangemessen und auch falsch.
    Kaess: Aber lassen Sie uns mal bei dem Punkt des Besuchsrechts bleiben. Sie sehen schon auch, dass das Besuchsrecht nicht uneingeschränkt gilt.
    Otte: Ich sehe, dass wir einmal deutlich gemacht haben beim Beispiel Incirlik, dort, wo wir stationiert waren, wo das Besuchsrecht nicht gegeben war, wir lassen nicht mit uns spielen, wir haben verlegt nach Jordanien. Für uns steht der Auftrag im Mittelpunkt, und ich sehe jetzt beim NATO-Stützpunkt Konya, dass dieses Besuchsrecht gewährleistet ist, und gut, dass nicht, wie von der Opposition und auch von der SPD ins Spiel gebracht, ein Abzug erfolgt ist, sondern dass wir Diplomatie haben walten lassen und jetzt den Auftrag durchführen können und unser Besuchsrecht wahrnehmen können. Alle drei Dinge wichtig.
    "Ein Spielchen wird es nicht geben"
    Kaess: Okay, noch mal meine Frage: Es ist bei Konya ein eingeschränktes Besuchsrecht.
    Otte: Es ist kein eingeschränktes Besuchsrecht. Unser erster Antrag wurde verschoben. Jetzt hat die NATO deutlichgestellt, ein Spielchen wird es nicht geben, sondern es gibt einen Anspruch auf ein Besuchsrecht, und das wird am 8. September umgesetzt.
    Kaess: Und dass dieses Besuchsrecht nur im Rahmen einer NATO-Reise ausgeübt werden darf, das ist akzeptabel für eine Parlamentsarmee?
    Otte: Das ist akzeptabel. Ich habe ja schon eben gesagt, es ist ja ein Mehr, weil deutlich gemacht worden ist, die NATO unterstützt unser Besuchsrecht und teilt mit, wir sind uns da in der NATO einig.
    Kaess: Aber es ist ein begleitetes Besuchsrecht sozusagen.
    Otte: Das ist doch gut, wenn die stellvertretende NATO-Generalsekretärin uns begleitet. Es gibt die Möglichkeit zum Austausch und verstärkt noch einmal das gemeinsame Auftreten.
    Kaess: Und Sie können als Abgeordneter nicht mehr eigenständig beschließen, wann Sie dort hinfahren wollen.
    Otte: Doch, wir beschließen weiterhin auch eigenständig, wann wir reisen und wohin wir reisen, um unsere Soldaten zu besuchen.
    "Es soll ein sogenanntes standardisiertes Besuchsverfahren geben"
    Kaess: Aber Sie müssen die NATO dabei an Ihrer Seite haben. Das habe ich schon richtig verstanden.
    Otte: Sollte es zukünftig noch einmal einen Konflikt geben, dann werden wir noch mal auf die gemeinsame Linie innerhalb der NATO verweisen, aber ich sage auch, es wäre gut, wenn noch einmal deutlich gemacht wird, dass es ein sogenanntes standardisiertes Besuchsverfahren geben soll.
    Kaess: Sie sagen jetzt, das wäre gut, wenn es so wäre, aber kann das denn auch zu einer Bedingung werden dafür, dass deutsche Bundeswehrsoldaten in Konya stationiert bleiben?
    Otte: Wir stellen den Einsatz gegen den IS-Terror und die Luftraumüberwachung innerhalb der NATO in den Vordergrund. Unser Ziel ist es, hier keinen Konflikt heraufzubeschwören, sondern eher zu deeskalieren, um deutlich zu machen, es geht um die Sicherheit auch Deutschlands, und das ist für uns der Maßstab.
    Kaess: Das heißt, Sie werden sich auch weiterhin damit zufrieden geben, die Bundeswehrsoldaten in Konya nur im Rahmen einer NATO-Reise besuchen zu dürfen? Das reicht Ihnen.
    Otte: Wir machen deutlich, dass wir einen eigenen Anspruch haben, dass wir …
    Kaess: Und wenn der nicht umgesetzt wird, wenn dieser eigene Anspruch nicht umgesetzt wird, können dann Bundeswehrsoldaten dennoch in Konya stationiert bleiben?
    Otte: Ich halte fest, dass unser Anspruch, unsere Soldaten zu besuchen, umgesetzt wird am 8. September, und dies ist auch noch einmal von der NATO deutlich herausgehoben worden und bestärkt worden.
    Strategische Vorteile stehen im Vordergrund
    Kaess: Warum, Herr Otte, war denn die NATO als Organisation überhaupt nötig, um wiederum zwischen zwei NATO-Mitgliedern zu schlichten?
    Otte: Es ging nicht um ein Schlichtungsverfahren. Es ging darum, noch einmal deutlich zu machen, dass die zu verschiebende Reise dann klar stattfindet, dass unser Wunsch hier auch umgesetzt wird. Ich möchte noch einmal deutlich machen, warum ist eigentlich die Bundeswehr dort: Sie leistet einen Beitrag zur Luftraumüberwachung, und sie leistet einen Beitrag im Kampf gegen den IS-Terror. Wir haben verschiedene Standorte in Norwegen, in Italien, in Griechenland und auch in der Türkei, und dieser Standort in der Türkei bietet uns strategische Vorteile, und die stellen wir in den Vordergrund.
    Kaess: Und er bringt auch eine Menge Nachteile, das haben wir gesehen bei Incirlik. Die Regierung verlegt jetzt Bundeswehrsoldaten vom türkischen Stützpunkt Incirlik weg wegen des Streits um das Besuchsrecht ins Nicht-NATO-Land Jordanien. Ist die Türkei noch ein verlässlicher NATO-Partner?
    Otte: Das sei ihr zu empfehlen. Wir sagen deutlich, die NATO ist nicht nur ein Verteidigungsbündnis. Die NATO ist auch eine Wertegemeinschaft. In Ihrem Einspieler ist das vom Generalsekretär Stoltenberg noch einmal deutlich gesagt worden. Die jetzige Besuchsregelung zeigt ja, dass sich alle NATO-Staaten darüber einig sind, und das ist auch ein Zeichen an die Türkei. Wenn sie anerkannt werden will als vollwertiges Mitglied, dann muss sie auch alle Bedingungen erfüllen.
    Kaess: Und wenn Sie es nicht tut?
    Otte: Dann wird sie nicht in dem Maße einbezogen wie das vielleicht jetzt der Fall war. Wir haben ja deutlich gemacht im bilateralen Verhältnis Deutschland-Türkei, dass wir nicht mit uns spielen lassen, dass wenn wir in Incirlik nicht die Bedingungen finden, die wir brauchen, wir dann auch in andere Länder gehen, beispielsweise nach Jordanien, um dort den Auftrag weiterzuführen.
    Kaess: Aber wenn die Parlamentarier jetzt in Bezug auf Konya nachgeben, dann kann Ankara ja bei seiner harten Haltung bleiben.
    Otte: Ich sehe kein Nachgeben. Ich stelle fest, das Besuchsrecht wird umgesetzt, um deutlich zu machen, der Auftrag ist wichtig im Kampf gegen den IS unter deutscher Beteiligung. Der IS-Terror wird zurückgedrängt. Er wird in Teilen zerschlagen, und das ist gut für die Menschen in den Ländern.
    Kaess: Henning Otte war das. Er ist verteidigungspolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag. Danke für Ihre Zeit!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.