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Tschechien und Slowakei
Wo ist der Flüchtling?

Gegen das Umverteilungsprogramm von Flüchtlingen aus Italien und Griechenland in andere EU-Länder haben sich Ungarn und Polen erfolgreich gestemmt. Tschechien und die Slowakei haben nur ein paar Flüchtlinge aufgenommen - die werden dort entweder komplett abgeschirmt oder existieren plötzlich gar nicht mehr.

Von Marianne Allweiss | 26.09.2017
    Eine Gruppe Christen aus dem Irak bei ihrer Ankunft in Prag.
    Irakische Christen versuchen in Tschechien heimisch zu werden. Rund 2.700 Flüchtlinge hätte Prag aufnehmen sollen - offiziell wurden nur 16 ins Land gelassen. (picture-alliance/ dpa/ CTK Photo/ Katerina Sulova)
    Jakob lebt seit anderthalb Jahren in Prag. In dieser Zeit hat der junge Mann aus dem Irak etwas geschafft, worauf jeder Ausländer stolz sein kann: Er spricht Tschechisch.
    "In zwei Monaten werde ich mein Examen machen", erzählt er. In seinem Heimatland hatte Jakob, der seinen richtigen Namen nicht nennen will, gerade ein Medizinstudium abgeschlossen. Dann marschierte der IS ein. Durch ein Programm für irakische Christen kam Jakob nach Tschechien. Das hat die Regierung am Anfang unterstützt. Jetzt nicht mehr. Im Gegenteil. Er muss noch mal studieren und allein für die erste Prüfung soll er 16.000 Kronen bezahlen, umgerechnet 615 Euro. Er lebt von der Hilfe des christlichen Vereins "The Bridge".
    "Am liebsten gar keine Flüchtlinge"
    In den Räumen einer Kirche in der Prager Altstadt hat die Initiative ein Begegnungszentrum eingerichtet. Petra Damms hat es gegründet. Die junge Frau war 2015 dabei, als die ersten Flüchtlinge in Zügen aus Ungarn kamen, um weiter nach Deutschland zu fahren. Sie will allen Menschen helfen, egal welcher Religion sie angehören. Anders als die meisten Tschechen. Die akzeptieren höchstens Christen, auf keinen Fall Muslime, nicht einmal aus Kriegsgebieten.
    "Ich versuche, die Ängste der Tschechen vor Flüchtlingen zu verstehen. Ich spüre es jeden Tag bei meiner Arbeit hier, dass die meisten Menschen bei uns am liebsten gar keine Flüchtlinge haben wollen."
    Tschechien wählt ein neues Parlament
    In knapp vier Wochen wird in Tschechien ein neues Parlament gewählt. Da sollen in den Medien hier bloß keine Geschichten wie die von Jakob und seinen Helfern erzählt werden. Auch über die zwölf Quotenflüchtlinge aus Griechenland will der Sprecher des Innenministers nichts preisgeben.
    "Wir äußern uns nie zu individuellen Fällen in internationalen Schutzprogrammen. Auch wegen der Sicherheit dieser Menschen können wir nicht sagen, wer und wo sie sind."
    "Offiziell 16 Menschen ins Land gelassen"
    Rund 2700 Menschen hätte Tschechien aufnehmen sollen. Aber es gab angeblich nicht mehr Flüchtlinge, die nach Tschechien wollten und dann einen wochenlangen Sicherheitscheck überstanden haben. Im Sommer hat die Regierung die Umverteilung gestoppt. Genau wie die Slowakei. Hier ist gerade kein Wahlkampf. Der Innenminister gibt ein Interview:
    "Aufgrund der Quotenentscheidung vom September 2015 wurde kein Flüchtling in die Slowakei gebracht."
    Offiziell hat das Land 16 Menschen ins Land gelassen. Von mehr als 900 Geforderten. Aber anders als in allen Statistiken aufgeführt, seien die nicht Teil der Quote. Außerdem sei fast die Hälfte dieser Mütter mit ihren Kindern längst in Westeuropa. Trotzdem läuft kein Vertragsverletzungsverfahren in Brüssel. Anders als gegen Tschechien.
    "Besserer Grenzschutz, mehr Hilfe vor Ort"
    Die Slowakei hat sich flexibler gezeigt. Sie hat auch Christen aus dem Irak aufgenommen und übergangsweise Flüchtlinge aus einem überfüllten Lager in Österreich. Aber von einem neuen Kompromiss auf dem nächsten EU-Gipfel will auch der Robert Kalinak nichts wissen:
    "Das Quoten-System hat nicht funktioniert. Und trotzdem kommt es jetzt wieder auf den Tisch, denn es ist eine einfache politische Lösung, die gut klingt und gut in der Presse aussieht."
    Besserer Grenzschutz und mehr Hilfe vor Ort. Darauf können sich Slowaken und Tschechen einigen. Auch Jakob wollte vor einem Jahr noch zurück in seine Heimat. Jetzt hat der junge Mann aus dem Irak andere Pläne:
    "Ich bin hier. Ich lebe mit den Tschechen. Ich will wie sie sein. So ist das."