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Tschetschenien
Für Kadyrow, gegen Volksfeinde

In der russischen Teilrepublik Tschetschenien im Nordkaukasus haben Zehntausende Menschen für Republikchef Ramsan Kadyrow demonstriert. Oppositionellen und Kritikern wurde auf der Kundgebung offen mit dem Tod gedroht.

Von Gesine Dornblüth | 22.01.2016
    Zahlreiche Menschen demonstrieren in der tschetschenischen Hauptstadt Grosny für Ramsan Kadyrow.
    Zahlreiche Menschen demonstrieren in der tschetschenischen Hauptstadt Grosny für Ramsan Kadyrow. (Imago / ITAR-TASS)
    Republikchef Ramsan Kadyrow selbst kam nicht zu der Großkundgebung im Zentrum von Grosny, aber dafür diverse andere Politiker. Zum Beispiel der tschetschenische Duma-Abgeordnete Adam Delimchanow:
    "Wir kennen unsere Feinde und die Verräter dieses Landes. Wir haben Listen mit ihren Namen in den Taschen. Für jedes Wort gegen den tschetschenischen Präsidenten oder gegen Russlands Präsidenten Wladimir Putin werden sie sich verantworten müssen. Im Rahmen des Gesetzes und auch außerhalb. Denn möglicherweise sind sie im Ausland."
    Darauf der Moderator der Kundgebung: "Ganz recht, den Verrätern nur der Tod."
    Die tschetschenischen Behörden meldeten mehr als eine Million Teilnehmer. Auf Fernsehbildern sah die Menge aber kleiner aus. Viele Menschen waren zur Teilnahme gezwungen worden.
    Oppositionelle als "Verräter"
    Unter den Rednern in Grosny war auch Aleksandr Saldostanow, genannt Chirurg, Putin-Freund und Chef einer russischen Biker-Truppe.
    "Unsere gesamte Organisation von Sachalin bis Kaliningrad unterstützt Ramsan Kadyrow für dessen Ehrlichkeit und Direktheit. Ich möchte mich an alle Politiker und Menschenrechtler wenden: Hört auf, mit den Feinden zu schmusen, hört auf mit eurer Toleranz. Wir haben es mit heimtückischen Feinden zu tun."
    Anlass für die Kundgebung war eine Auseinandersetzung zwischen Republikchef Kadyrow und liberalen Politikern und Journalisten. Vor wenigen Tagen bezeichnete Kadyrow Oppositionelle als "Volksfeinde" und "Verräter" und rief die Gerichte auf, hart gegen sie vorzugehen. Die derart Geschmähten reagierten und erhielten Unterstützung, unter anderem von der Menschenrechtsbeauftragten des russischen Präsidenten. Sie mahnte, niemand habe das Recht, willkürlich gegen Andersdenkende vorzugehen.
    Putins Sprecher Dmitrij Peskow hingegen rechtfertigte Kadyrows Worte. Kadyrow habe nur solche Leute gemeint, die illegal politisch tätig seien, so Peskow. Doch das stimmt nicht. Es sind Namen gefallen, und der Vorsitzende des tschetschenischen Parlaments, ein enger Kadyrow-Vertrauter, wiederholte sie heute bei der Kundgebung.
    Kadyrow regiert diktatorisch
    Ilja Jaschin war darunter und Michail Kasjanow, zwei Mitstreiter des im vergangenen Jahr ermordeten Politikers Boris Nemzow; ebenso der Chefredakteur des Moskauer Radiosenders Echo Moskwy und die bekannte Menschenrechtlerin Svetlana Gannuschkina.
    Der Politiker Ilja Jaschin bezeichnet Kadyrow mittlerweile als eine Bedrohung für die nationale Sicherheit Russlands. Der Kreml müsse ihn endlich in die Schranken weisen. Der 39-jährige Kadyrow regiert Tschetschenien diktatorisch, er unterhält eine Privatarmee, die nur ihm unterstellt ist, und er hat sich in der Vergangenheit mehrfach über föderale Gesetze hinweggesetzt. Die Spuren im Mordfall Nemzow führen nach Tschetschenien. Zugleich beteuert Kadyrow seine Loyalität zu Putin.
    Redner in Grosny beschworen heute die große politische Zukunft Ramsan Kadyrows. Leonid Kalaschnikow, stellvertretender Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses in der Staatsduma: "Ramsan, echte Patrioten werden immer an deiner Seite stehen."