Compilation "Elvis Stole My Job"

Hat der King of Rock ’n’ Roll geklaut?

11:13 Minuten
Elvis Presley während einer Tournee 1972. Das Foto ist ein Ausschnitt aus einem Film - "Elvis on Tour" - , der zu dieser Zeit entstand.
Elvis Presley griff verschiedene Musikrichtungen für seine Songs auf, unter anderem die Musik schwarzer Künstler. Der Musikjournalist Karl Bruckmaier hält das für legitim. © picture alliance / United Archives
Karl Bruckmaier im Gespräch mit Oliver Schwesig · 30.06.2020
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Das Album "Elvis Stole My Job" suggeriert: Elvis Presley habe sich bei afroamerikanischer Musik "bedient". Der Musikjournalist Karl Bruckmaier hält den Vorwurf für übertrieben: Im Kulturenmix der US-Musikszene habe jeder jeden inspiriert.
Der moralische Druck auf die Kulturproduzenten nimmt im Zuge der "Black Lives Matter"-Bewegung wieder zu. Nun sollen gar dunkelhäutige Trickfilmfiguren nur noch von dunkelhäutigen Schauspielern synchronisiert werden dürfen. Dabei ist es gerade die Pop-Kultur, die durch ein freches Geben und Nehmen seit hundert Jahren ständig neue Varianten dessen produziert, was Schwarz wie Weiß zum Lachen, Tanzen oder Mitsingen bringt. Eine eben erschienene Compilation mit dem Titel "Elvis Stole My Job" versammelt über 30 Künstler und suggeriert, dass man es jetzt selbst dem King of Rock ’n’ Roll übel nimmt, dass er Schwarze Musik aufgriff und für sich verwertete.
Der Musikjournalist Karl Bruckmaier findet solch harte Kritik etwas übertrieben. Zum einen: "In den USA lebten über drei Jahrhunderte Menschen aus den unterschiedlichsten Kulturen auf allerengstem Raum zusammen: Weiße, Schwarze, Mexikaner, Deutsche. Und was für Musiken und Geschichten sie hatten, das hat sich ausgetauscht, das hat sich vermischt." Alle Musiker hätten damals geschaut, ob sie für sich ein besonderes Markenzeichen herausbilden könnten. Und diese Mischungen hätten dann, als in den 50er-Jahren das Radio eine große Rolle spielte und später das Fernsehen dazu kam, ein Massenpublikum erreicht. Die verschiedenen Einflüsse hätten zu einer kulturellen Explosion geführt – und letztlich zu dem Pop, wie wir ihn heute kennen.

Auch Elvis stand gesellschaftlich ganz unten

Zum anderen: Elvis, der Südstaaten-Junge aus einfachen Verhältnissen, sei selbst "white trash" in den Augen des bürgerlichen Mittelstands gewesen, aus einfachen Verhältnissen. "Er war genauso gesellschaftlich verachtet wie ein beliebiger Schwarzer", sagt Bruckmaier.
Unbestritten jedoch seien afroamerikanische Künstler in dieser frühen Zeit ausgebeutet worden – ihnen sei ganz klar das Geld vorenthalten worden, das ihnen für ihre künstlerische Leistung zugestanden hätte. Tantiemen flossen erst später.
Interessanterweise, so Bruckmaier weiter, offenbare die Compilation aber auch die Tatsache, dass sich schwarze Bands umgekehrt auch von Elvis Presleys Musik haben inspirieren lassen – Combos wie The Twilighters oder Brook Benton etwa. "Deren Aufnahmen sind oft von 1957 oder später, Elvis ist da längst ein Star und gerade auf Armee-Pause in Deutschland." Da hätten die Bands sich dann gesagt: "Die Lücke wollen wir füllen."
(mkn)
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