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TTIP
Wird Bildung ein Geschäftsmodell?

Die Ungewissheit darüber, was die USA und die EU im Rahmen von TTIP für den Bereich Bildung aushandeln, lässt viele Befürchtungen aufkommen - von sinkenden Qualitätsstandards und Klagen von US-Unternehmen ist die Rede. Der Bildungsausschuss des EU-Parlaments hat nun Forderungen aufgestellt, wie die Bildung vor zu viel Markt geschützt werden soll.

Von Thomas Otto | 16.04.2015
    tudenten sitzen in einem Hörsaal.
    Der Bildungssektor in Deutschland ist bereits komplett liberalisiert, auch ohne TTIP. (dpa / picture-alliance / Thomas Frey)
    Wenn sie von Journalisten zum Freihandelsabkommen TTIP gefragt wird, dann macht EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström meist folgendes: Beruhigen und Befürchtungen zerstreuen.
    "Öffentliche Dienstleistungen wie Gesundheitsversorgung, Bildung oder Wasserversorgung sind von den Verhandlungen ausgenommen. Es sei denn, in diesen Bereichen gibt es bereits Wettbewerb."
    Und den gibt es in Deutschland. So bieten zahllose private Hochschulen Bachelor- und Masterabschlüsse an. Damit konkurrieren sie auch mit staatlichen Unis, die zum Beispiel berufsbegleitend gebührenpflichtige Masterstudiengänge anbieten. Der Bildungssektor in Deutschland ist bereits komplett liberalisiert, auch ohne TTIP. Spätestens mit dem GATS-Abkommen von 1995 hat Deutschland seinen Bildungsmarkt komplett geöffnet. Jeder Anbieter soll gleichbehandelt werden – egal ob aus Deutschland oder den USA. Niemand darf gegenüber anderen benachteiligt oder übervorteilt werden.Vor allem mit Blick auf zukünftige Gesetze könnte TTIP da Probleme bringen, betont Völkerrechtler Markus Krajewski:
    "In diesem Bereich gibt es schon sehr weitreichende Zugeständnisse. Und dann ist eben immer die Frage, wenn ich einen Bereich habe, in dem ich auch private Konkurrenz habe, in dem ich private Unternehmen habe, internationale Unternehmen: Wie kann ich den denn dann entsprechend noch weiter regulieren?"
    "Ist Bildung ein Produkt?"
    In modernen Freihandelsabkommen wird in der Regel festgelegt: Was liberalisiert ist, ist liberalisiert. Neue Auflagen darf es nicht geben. Damit werden strengere Standards für die Zukunft bereits heute ausgeschlossen – ohne die Zukunft wirklich zu kennen. Und eine weitere Sorge treibt die TTIP-Kritiker um: Wenn die absolute Gleichbehandlung aller Marktteilnehmer gilt, könnte das auch für staatliche Unterstützung gelten. Private Investoren könnten vor Schiedsgerichten Fördermittel verlangen oder gegen die Unterstützung für andere Bildungsangebote klagen, weil sie sich ungleich behandelt fühlen.
    Mit einer Resolution will das EU-Parlament das verhindern. Der Bildungsausschuss hat heute Morgen dazu über seine Empfehlungen abgestimmt: Die Parlamentarier fordern, dass die Staaten auch weiterhin Bildungsangebote wie Alphabetisierungskurse unterstützen können – ohne Klagen von Unternehmen fürchten zu müssen. Zuständig für die Empfehlungen ist die grüne Europaabgeordnete Helga Trüpel.
    "Ein amerikanischer Anbieter macht zum Beispiel bei einer privaten Schule für Krankenschwesternausbildung ein Angebot. Das wäre dann billiger, als vergleichbare Angebote, wenn sie sich nicht an bestimmte Qualitätsstandards halten müssten. Sie müssten nicht so viel Lehrpersonal haben oder nicht so gut qualifiziertes."
    Diese Sorgen sind allerdings völlig unbegründet. Auch in Zukunft wird eine Bildungsinstitution für einen bestimmten staatlich anerkannten Abschluss bestimmte Qualitätsstandards einhalten müssen. Für alle Anbieter gelten die gleichen Regeln. Das Problem mit TTIP liegt vielmehr in dem Kulturwandel, der damit verbunden ist, findet Elisabeth Vanderheiden von der katholischen Erwachsenenbildung:
    "Ich glaube, es geht um die Grundhaltung gegenüber Bildung. Ist Bildung ein Produkt? Ist Bildung ein Geschäftsmodell? Oder ist Bildung – wie wir das in Deutschland verstehen – ein Menschenrecht?"
    Aus der Logik des Freihandels gesehen ist Bildung ganz klar ein Geschäftsmodell. Eines, das schon seit Jahren in Deutschland floriert. Investoren – auch aus den USA – kaufen sich bei privaten deutschen Bildungsinstitutionen ein. Bildung soll Rendite erwirtschaften. Daran wird auch die vom EU-Parlament geplante Resolution nichts ändern. Zwar muss sich das TTIP-Verhandlungsteam der Kommission nicht an die Beschlüsse des Parlaments halten. Im Hinblick auf die generelle Zustimmung zum TTIP-Abkommen hat sie aber trotzdem Gewicht, findet die zuständige Abgeordnete Helga Trüpel von den Grünen:
    "Die Kommission weiß ja, dass letztendlich das Parlament zustimmen muss. Wir müssen Ja oder Nein sagen. Und wenn sie gar keine Rücksicht nehmen auf das Begehren des Parlaments, dann riskieren sie ja, dass sie kein positives Votum kriegen."
    Am 10. Juni wird das Plenum des Europaparlaments endgültig über die Resolution abstimmen. Ob die Kommission die damit verbundenen Forderungen allerdings auch gegenüber den USA durchsetzen kann, wird erst am Ende der TTIP-Verhandlungen öffentlich werden.