Donnerstag, 28. März 2024

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Türkei-Einschätzung
"Naivität im Umgang mit Erdogan ist natürlich völlig deplatziert"

Die Türkei hat die Anschuldigung der Bundesregierung, dass das Land als Aktionsplattform für islamistische Gruppierungen fungiere, zurückgewiesen. Der CSU-Außenpolitiker Hans-Peter Uhl plädiert dafür zunächst politisch zu klären, welche Vorwürfe belegt werden könnten. Zudem müsse man mit der Türkei im Gespräch bleiben, da sie ein wichtiger außenpolitischer Partner sei, so der Politiker im DLF.

Hans-Peter Uhl im Gespräch mit Sarah Zerback | 17.08.2016
    Hans-Peter Uhl, innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
    "Das ist völlig ausgeschlossen, dass wir einerseits den Terror finanzieren mit Geldern, die aus der EU stammen", sagte CSU-Politiker Hans-Peter Uhl im DLF. (imago/Müller-Stauffenberg)
    Sarah Zerback: Hans-Peter Uhl, CSU-Mitglied im Ausschuss des Bundestages. Guten Tag, Herr Uhl!
    Hans-Peter Uhl: Grüß Sie Gott, Frau Zerback!
    Zerback: Bislang hält sich die Türkei also bedeckt. Worauf stellen Sie sich denn ein, auf welche Reaktionen?
    Uhl: Nun gut, die Reaktionen der Türkei auf diese Vorwürfe sind eigentlich auch schon bekannt. Es wurde bisher immer abgestritten, den IS unterstützt zu haben, mit dem IS Geschäfte, Ölkäufe vorgenommen zu haben oder gar Waffen geliefert zu haben. Das wurde immer bestritten. Andererseits gibt es nachrichtendienstliche Erkenntnisse, die teilweise anders aussehen. Das sind Fakten, die man in den zuständigen Gremien sorgfältig mit den Nachrichtendiensten bewerten muss. Das kann man nicht über die Medien machen, dafür gibt es im Parlament das parlamentarische Kontrollgremium. Dort gehört das hin, und dort sollten der Inlandsnachrichtendienst und der Auslandsnachrichtendienst BND den zuständigen Abgeordneten Bericht erstatten.
    "Dahinter steckt keine politische Absicht, sondern das ist ein Büroversehen"
    Zerback: Nun klingen Sie ebenso wenig überrascht wie Jürgen Trittin heute Morgen in unserem Programm. Und Tatsache ist aber auch, dass die Informationen vom BND kamen und als vertraulich eingestuft worden sind. Warum denn dann?
    Uhl: Anfragen von Abgeordneten gibt es natürlich sehr viele, insbesondere von Oppositionsabgeordneten. Das ist deren gutes Recht, die müssen dann ordnungsgemäß bei der Regierung beantwortet werden, und dabei kann es auch Büroversehen wie dieses hier gegeben haben und geben. Es gibt ein federführendes Innenministerium in dem Fall, das die Anfrage der Linken beantworten muss. Und dabei muss es die anderen zuständigen Ministerien einschalten. Das haben die wohl auch getan, wenn ich richtig informiert bin. Aber die Endfassung, die dann auslief und die uns jetzt vorliegt und von der Linken an alle Abgeordneten des Auswärtigen Ausschusses verteilt wird, diese Fassung ist wohl nicht abgestimmt worden mit dem Auswärtigen Amt. Dahinter steckt aber keine politische Absicht, sondern das ist ein Büroversehen, wie es immer wieder vorkommen kann.
    Zerback: Peinlich Panne wurde das auch genannt. Aber warum, noch mal diese Frage, warum diese Geheimniskrämerei? Der Bundestag müsste in so einer wichtigen Frage wie der, ob so ein wichtiger Partner wie die Türkei den Terror unterstützt, doch informiert werden.
    Uhl: Ja, das sagte ich ja bereits. Der Bundestag im Parlamentarischen Kontrollgremium muss informiert werden, und dann muss man auch klären, politisch, was man von diesen Vorwürfen belegen kann und wie man mit diesen Belegen dann öffentlich umgeht. Wir haben jetzt erlebt in diesen Tagen, dass die Bundesregierung in Gestalt ihres Sprechers dem russischen Präsidenten Putin Zynismus im Syrienkonflikt offen vorwirft. Die Frage wird also sein, wie man mit dem Verhalten Erdogans öffentlich umgeht. Das muss man unter außenpolitischen Gesichtspunkten sehr wohl abwägen, denn schließlich ist die Türkei ein NATO-Partner, bei allen inhaltlichen Konflikten und bei allen Islamisierungsprozessen, die die Türkei unter Erdogan gerade durchmacht. Das besorgt uns ja alle miteinander sehr. Diese Türkei driftet ab, weit weg von der EU, und ist auch in der Gefahr, als NATO-Partner ein Problem zu werden.
    "Mehr an Überwachung der Aktivitäten Erdogans in Deutschland"
    Zerback: Dann spiele ich Ihre Frage mal zurück: Wie sollen wir denn dann mit Erdogan umgehen? Ist der nun Partner, wie Sie sagen, auch NATO-Partner, oder ist er, und ich zitiere da die Linke, ist er "Terrorpate". Beides passt ja dann doch schlecht zusammen.
    Uhl: Diese schrillen Töne der Linken, die natürlich unter NATO-Gesichtspunkten immer ein Problem hatten, die teile ich nicht, sondern ein Blick auf die Landkarte lehrt uns, dass wir mit der Türkei im Gespräch bleiben müssen, weil sie eine wichtige Rolle in dieser gefahrgeneigten Region der Welt spielen. Aber Naivität im Umgang mit Erdogan ist natürlich auch völlig deplatziert. Und die Nachrichtendienste, auch der deutsche Inlandsnachrichtendienst muss mehr an Überwachung der Aktivitäten Erdogans in Deutschland vornehmen, und dies muss auch öffentlich diskutiert werden. Einflussnahmen über türkischstämmige Deutsche in Deutschland, Stichwort Armenien-Resolution, dass Mitglieder des Parlaments unter Druck gesetzt werden. Oder die ganzen Moscheevereine, die Imame, die hier aus der Türkei entsandt werden, die werden mir alle zu wenig überwacht. Hier muss sehr viel mehr an nachrichtendienstlicher Tätigkeit gemacht werden und Erdogan gezeigt werden, wo seine Grenzen sind.
    Zerback: Für Überwachung plädieren Sie, trotzdem klingt das jetzt sehr diplomatisch, sehr ausgewogen, was Sie da vorschlagen. Aber kann man denn tatsächlich mit so jemandem Geschäfte machen, und was heißt das auch für das Flüchtlingsabkommen? Was müssen da für Konsequenzen folgen?
    Uhl: Geschäfte machen ist der falsche Ausdruck. Die Flüchtlingsproblematik ist zunächst einmal von der Europäischen Union als Einheit zu lösen, und dabei muss uns auch die Türkei helfen. Aber zu glauben, wir könnten uns von einer Lösung davonschwindeln, indem wir das Erdogan mit der Türkei machen lassen, war von Anfang an eine Illusion, und die habe ich nie geteilt. Die EU-Außengrenzen sind von der EU zu sichern, und nicht von der Türkei, auch nicht gegen Geld, und da nützen auch keine Geschäfte was. Und diese Erkenntnis macht sich ja jetzt immer mehr breit, und das ist auch gut so. Wir haben das selbst zu lösen, das Problem, und werden es auch lösen.
    "Völlig ausgeschlossen, dass wir den Terror finanzieren mit Geldern"
    Zerback: Aber wenn die Türkei den Terror unterstützt, ist das nicht für das Flüchtlingsabkommen, auch für die Milliardenleistungen, die ja doch an die Türkei gehen, ist das nicht die viel zitierte rote Linie, die da jetzt nun endlich mal überschritten ist?
    Uhl: Zunächst mal zu den Milliardenzahlungen, die sind noch nicht in der von Erdogan gewünschten Höhe erfolgt.
    Zerback: Das nicht, aber sie sind zugesagt.
    Uhl: Es ist zugesagt, aber nur unter Auflagen. Wenn der Terror, die Terrorunterstützung im Detail nachgewiesen werden kann, wird diese Zahlung natürlich nicht erfolgen. Das ist völlig ausgeschlossen, dass wir einerseits den Terror finanzieren mit Geldern, die aus der EU stammen. Das ist abwegig, das darf nicht passieren.
    Zerback: Da sind Sie sich jetzt ganz sicher? Ist das schon in der Bundesregierung so vereinbart, dass das tatsächlich die rote Linie ist?
    Uhl: Ja, es gibt doch eine Reihe von Auflagen, die auch im Bezug auf die Visabefreiung der türkischen Bevölkerung angedacht waren. Auch hier sind die Voraussetzungen nicht erfüllt. Dazu wird es in absehbarer Zeit auch nicht kommen können, denn die Türkei entwickelt sich ja im Rahmen ihres undemokratischen, rechtsstaatsfernen Verhaltens immer mehr zu einem Staat, der Fluchtursachen selbst schafft und nicht nur Transitstaat ist für Flüchtlinge aus anderen Staaten. Und bei dieser Lage wird es keine Visabefreiung geben können.
    Zerback: Sagt der CSU-Außenpolitiker Hans-Peter Uhl. Besten Dank für Ihre Zeit, für das Gespräch heute.
    Uhl: Bitte schön, Frau Zerback!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.