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Türkei
Familie und Freunde fordern Freilassung von verhaftetem Aktivisten

Peter Steudtner brachte türkischen Aktivisten bei, wie sie sich vor Überwachern schützen, als er selbst verhaftet wurde. Der Familienvater hat für mehrere Entwicklungshilfeorganisationen gearbeitet und ist ehrenamtlich in der evangelischen Kirche aktiv. Seine Angehörigen stehen unter Schock.

Von Claudia van Laak | 18.07.2017
    Porträt Peter Steudtner
    Der 45-jährige Berliner Peter Steudtner. Im Juli wurden er und andere Aktivisten in der Türkei festgenommen, sie sitzen nun in Untersuchungshaft. (privat)
    Es war ein Seminar der niederländischen Hilfsorganisation Hivos auf einer Insel bei Istanbul – eingeladen waren türkische Menschenrechtler. Der Berliner Peter Steudtner war als Trainer und Dozent vor Ort. Er brachte den türkischen Aktivisten unter anderem bei, wie sie sich sicher im Internet bewegen, wie sie ihr Handy vor dem Abhören schützen können, erläutert Marie Lucas, Türkeiexpertin der Menschenrechtsorganisation Amnesty International:
    "All das, was Menschenrechtsverteidigern in der schwierigen Lage in der Türkei hilft, ihre Arbeit zu machen. Die türkische Regierung und die türkische Presse haben das öffentlich als Geheimtreffen verunglimpft, deklariert. Sicherheitskräfte haben dann mitten im Treffen die Leute festgenommen, haben das Treffen gestürmt. Sie sind dann in eine Polizeistation gebracht worden und wurden dann schließlich heute Nacht in Untersuchungshaft genommen."
    "Sie wissen nicht, was ihnen droht"
    Sechs Personen befinden sich jetzt in Untersuchungshaft, darunter die türkische Direktorin von Amnesty International, ein schwedischer Trainer und der 45-jährige Berliner Peter Steudtner – ihnen wird die Unterstützung einer Terrororganisation vorgeworfen.
    "Sie müssen jetzt mehrere Monate in Haft bleiben, das häufig in sehr überfüllten Zellen – und sie wissen nicht, was ihnen droht. Es gibt keinerlei glaubwürdige Beweise für eine Straftat. Sollte es zu einer Verurteilung kommen, würde ihnen vermutlich eine mehrjährige Haftstrafe drohen."
    Freunde, Verwandte und Kollegen von Peter Steudtner haben sich am Vormittag an die Öffentlichkeit gewandt und die Freilassung des Menschenrechtsaktivisten gefordert. Sie alle beschreiben Steudtner als Pazifisten, die Terrorvorwürfe gegen ihn seien absurd. Sein Freund und Kollege Daniel O'Cluanaigh sagte dem Deutschlandfunk:
    "Peter ist ein extrem interessanter, intelligenter, friedlicher Mensch. Ich sehe ihn als jemanden, der seine Werte einfach auslebt."
    Trainer für gewaltfreie Konfliktlösungen
    Peter Steudtner hat Politologie an der Freien Universität Berlin studiert, danach für verschiedene Entwicklungshilfeorganisationen unter anderem in Mosambik gearbeitet, er ist ehrenamtlich in der evangelischen Kirche aktiv. Seit einigen Jahren arbeitet der Vater von zwei Kindern als freiberuflicher Trainer, unter anderem für gewaltfreie Konfliktlösungen.
    Vor der Reise habe man die Sicherheitslage in der Türkei analysiert, sagt sein Kollege O'Cluanaigh. Eine Verhaftung sei nicht absehbar gewesen:
    "Das haben wir alle für unwahrscheinlich gehalten. Also es sah nicht so aus, dass so etwas passieren würde. Wir wussten, dass es ein gewisses Risiko gibt. Also, das ist ein großer Schock."
    Peter Steudtners Lebensgefährtin Magdalena Freudenschuss sagte, sie sei wütend, habe aber auch Angst. Familie und Freunde sind in Kontakt mit der deutschen Botschaft in der Türkei und mit dem Auswärtigen Amt.
    "Wir hoffen nur, dass es bald zu einem Ende kommt. Es ist ein Albtraum für die Familie, für uns alle gewesen."
    Linken-Abgeordnete fordert Reisewarnung für Türkei
    Die Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen hat die Bundesregierung inzwischen aufgefordert, eine Reisewarnung für die Türkei auszusprechen. Deutsche liefen Gefahr, von Erdogan als Geisel genommen zu werden, so die Politikerin der Linken.