Donnerstag, 18. April 2024

Archiv

Türkei
Festnahmen bei der Zeitung "Cumhuriyet"

Die türkische Justiz nimmt erneut die regierungskritische Zeitung "Cumhuriyet" ins Visier: In Istanbul wurden der Chefredakteur Murat Sabuncu und weitere hochrangige Mitarbeiter festgenommen. Der Vorwurf: Sie sollen Verbrechen "im Auftrag kurdischer Milizen und der Gülen-Bewegung" begangen haben.

31.10.2016
    Männer und Frauen stehen vor dem "Cumhuriyet"-Gebäude und halten Ausgaben der Zeitung mit der Aufschrift "Putsch gegen die Opposition" in die Höhe.
    Politiker der Oppositionspartei CHP protestieren vor dem "Cumhuriyet"-Gebäude gegen die Festnahme hochrangiger Mitarbeiter der Zeitung. (AFP/ OZAN KOSE)
    Das geht aus einer Stellungnahme der Strafbehörden hervor, die am Morgen veröffentlicht wurde. Demnach laufen seit August Ermittlungen gegen hochrangige Mitarbeiter von "Cumhuriyet" wegen angeblicher Unterstützung der Bewegung des islamischen Prediger Fetullah Gülen und der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK. Die türkische Regierung wirft Gülen vor, Drahtzieher des Putschversuchs im Juli gewesen zu sein. Sowohl die Gülen-Bewegung als auch die PKK werden in der Türkei als Terrororganisation eingestuft.
    Dündar zur Fahnung ausgeschrieben
    Chefredakteur Murat Sabuncu wurde Medienberichten zufolge festgenommen, als die Polizei seine Wohnung durchsuchte. Nach Angaben von "Cumhuriyet" kam auch der Kolumnist Guray Oz in Gewahrsam. Die Zeitung berichtet von bisher zwölf Festnahmen, insgesamt gebe es 14 Haftbefehle. Zwei weitere seien derzeit im Ausland, darunter der Vorstandsvorsitzende Akin Atalay.
    Die Zeitung berichtete weiter, die Staatsanwaltschaft habe beschlossen, den Festgenommenen fünf Tage lang den Kontakt zu Anwälten zu untersagen. Nach den derzeit in der Türkei geltenden Notstandsdekreten hat sie die Möglichkeit dazu. Verdächtige müssen außerdem erst nach 30 statt bislang vier Tagen in Polizeigewahrsam einem Haftrichter vorgeführt werden. Die Zeitung schrieb: "Der Putsch gegen die Demokratie hat die Zeitung 'Cumhuriyet' erreicht."
    Dündars Anwalt festgenommen
    Auch der ehemalige Chefredakteur Can Dündar wurde zur Fahndung ausgeschrieben. Sein Haus in Istanbul wurde nach Angaben der Zeitung durchsucht worden. Außerdem sei auch Bülent Utku festgenommen worden, einer der Anwälte Dündars. Utku sitzt zugleich im Vorstand der "Cumhuriyet"-Stiftung.
    Dündar lebt derzeit in Deutschland, nachdem er sowie der Hauptstadtbüroleiter Erdem Gül im Mai zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden waren. Die Vorwürfe: Geheimnisverrat und Spionage. "Cumhuriyet" hatte zuvor über illegale Waffenlieferungen des türkischen Geheimdienstes MIT an islamische Milizen in Syrien berichtet. Bis zum Berufungsverfahren kamen Dündar und Gül frei. Seit September läuft gegen beide aber ein weiterer Prozess. Diesmal geht es um mutmaßliche Verbindungen zur Gülen-Bewegung.
    Dündar meldete sich via Twitter - er schrieb, die "letzte Festung" werde angegriffen:
    Auszeichnung für Meinungsfreiheit
    Der türkische Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu rief am Montag bei der Zeitung an. Er kündigte nach Angaben des Blattes an: "Wir werden gemeinsam kämpfen."
    "Cumhuriyet" war erst im September mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet worden. In der Begründung der Right Livelihood Award Stiftung hieß es: "Zu einer Zeit, in der die Meinungsfreiheit in der Türkei zunehmend bedroht ist, beweist 'Cumhuriyet', dass die Stimme der Demokratie nicht zum Schweigen gebracht werden kann."
    Die Regierung hat seit der Verhängung des Ausnahmezustands im Juli zahlreiche kritische Medien schließen lassen. Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen lag die Türkei schon vor dem Ausnahmezustand auf Platz 151 von 180 Staaten.
    Auch in anderen Bereichen gehen die türkischen Behörden mit aller Härte gegen die Anhänger der Gülen-Bewegung vor. Zehntausende wurden festgenommen oder aus dem Staatsdienst entlassen.
    Reaktionen aus Deutschland
    Der Bundestags-Abgeordnete Cem Özdemir forderte als Reaktion auf die Festnahmen, die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei auszusetzen.
    Auch der SPD-Europaabgeordnete Arne Lietz, der gerade in der Türkei war, äußerte sich zu den Festnahmen:
    Die Vorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping, machte im Zusammenhang mit den Festnahmen der Bundesregiergung Vorwürfe:
    (am/cvo)