Offenbach-Operette an der Komischen Oper Berlin

Ein "Blaubart" mit DDR-Hymne und erfundenen Figuren

Szenenbild aus der Operette "Blaubart" von Jacques Offenbach, inszeniert von Stefan Herheim an der Komischen Oper Berlin
Szenenbild aus der Operette "Blaubart" von Jacques Offenbach, inszeniert von Stefan Herheim an der Komischen Oper Berlin © Komische Oper Berlin/Iko Freese/drama-berlin.de
Von Jürgen Liebing · 23.03.2018
Die Operette "Blaubart" von Jacques Offenbach schwankt zwischen Erotik und Bigotterie: An der Komischen Oper Berlin ist sie nun in einer Fassung zu sehen, die Arien aus anderen Offenbach-Werken enthält, aber auch Wagner und die Ex-DDR-Hymne zitiert. Weniger wäre mehr gewesen, urteilt unser Rezensent.
Am Anfang ist die Bühne der Komischen Oper Berlin leer und nur schwarz. Dann zieht ein kleinwüchsiger Cupido, anrührend der Schauspieler Rüdiger Frank, angetrieben vom Gevatter Tod (Wolfgang Häntsch) einen Thespiskarren über die Bühne. Aus ihr wird sich das Bühnenbild (Christof Hetzer) entwickeln. Am Ende der dreieinhalbstündigen Aufführung ist beinahe alles wie zu Beginn.
Nur liegt Cupido - scheinbar tot - auf dem Souffleurkasten, und der Tod muss den Wagen nun allein ziehen. Doch ganz am Schluss kommt er noch einmal und holt Cupido zurück ins Leben, denn die Liebe soll leben.

Erfundene Figuren und Bezüge zur Gegenwart

Diese beiden Figuren sind eine Erfindung des norwegischen Regisseurs Stefan Herheim, der sich zum ersten Mal an eine Operette gewagt hat, und seines Dramaturgen Alexander Meier-Dörzenbach. Die beiden und der ursprünglich vorgesehene Dirigent Clemens Flick haben eine eigene Fassung hergestellt, haben Arien aus anderen Offenbach-Werken hinzugefügt, Zitate von Smetana und Wagner hineingeschmuggelt, zitieren auch die Internationale und die ehemalige DDR-Hymne "Auferstanden aus Ruinen".
Außerdem gibt es, wie es in der Operette üblich ist, Anspielungen auf die Gegenwart. Das Berliner Schloss spielt in Wort und Bild eine Rolle, die Berliner Bauskandale werden erwähnt. Allerdings, der BER kommt nicht vor. Cupido und Gevatter Tod kommentieren das Geschehen der zwischen Erotik und Bigotterie hin und her schwankenden Handlung. Weniger wäre freilich mehr gewesen.

Probleme beim Timing

Hier liegt auch das Problem, denn nach dreieinhalb Stunden ist der Zuschauer eher erschöpft als beschwingt. Das Timing stimmt nicht mehr. Es ist, wie wenn ein Witz verlängert wird zu einer epischen Geschichte. Die Geschichte von Ritter Blaubarts tot geglaubten sechs Frauen und ebenso vielen Männern, die König Bobèche als Nebenbuhler seiner Frau hat beseitigen lassen, und die dann doch alle noch am Ende quicklebendig sind und in einer Massenhochzeit miteinander verbandelt werden, hat durchaus ihren Witz. Was bei Jacques Offenbach und seinen Librettisten Henri Meilhac und Ludovic Halévy vorausgesetzt werden kann.
1866 wurde diese Opéra bouffe in Paris uraufgeführt. Lange Zeit wurde in der Behrenstraße die Inszenierung des Gründers der Komischen Oper, Walter Felsenstein, gezeigt, die Maßstäbe gesetzt hat. Mancher, der diese Version, die bis 1992 auf dem Spielplan stand, gesehen hat, kommt noch jetzt ins Schwärmen.
Auch musikalisch bleibt diese Aufführung leider einiges schuldig, was daran liegen mag, dass der Dirigent Stefan Soltesz erst im letzten Moment eingesprungen ist. Die Sänger vermögen durchweg zu überzeugen, aber es bleibt ein Unbehagen zurück. Am Schluss gab es dennoch leidenschaftlichen Applaus, ganz besonders für Cupido und Gevatter Tod.
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