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Türkei
Offensive gegen Kurden in Syrien

Die Türkei hat nach Worten ihres Staatspräsidenten Erdogan eine Militäroffensive in Syrien begonnen, die auf die Kurdenmiliz YPG zielt. Während Ankara diese als Ableger der verbotenen Arbeiterpartei PKK betrachtet, sehen die USA die kurdischen Kämpfer als Verbündete im Kampf gegen die Terrormiliz IS.

Von Christian Buttkereit | 20.01.2018
    Kämpfer der Freien Syrischen Armee (FSA), die von der Türkei unterstützt werden, fahren mit erhobenen Waffen und einer türkischen Flagge durch die Stadt Azez.
    Kämpfer der Freien Syrischen Armee unterstützen die Türkei in der Offensive gegen die Kurden-Miliz YPG (Uncredited/DHA-Depo Photos/AP/dpa)
    Das türkische Fernsehen zeigt Aufnahmen von massivem Raketenbeschuss und schwarzen Rauchsäulen in der türkisch-syrischen Grenzregion. Erste Anzeichen der Offensive mit dem Namen zeytin dali - Olivenzweig. Schon in den vergangenen Tagen hatte die türkische Armee immer mehr Panzer und anderes Kriegsgerät an die syrische Grenze gebracht. Der Einmarsch in Syrien schien nur eine Frage der Zeit. Heute sagte der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan vor Anhängern in der westanatolischen Stadt Küthaya:
    "Die Afrin-Operation ist de facto gestartet. Danach ist Manbidsch dran. Nach und nach werden wir diese dreckigen Terroristen, die in unser Land eindringen wollen, verscheuchen. Beginnend von Westen bis hin zu irakischen Grenze."
    Offensive gegen die kurdische YPG
    Mit Terroristen sind in diesem Fall Kämpfer der kurdischen YPG gemeint. Die Türkei sieht ihn ihnen die syrische Variante der als Terrororganisation verbotenen PKK. Ob tatsächlich schon türkische Panzer auf syrischem Boden sind, ist unklar. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete von Artilleriebeschuss der Enklave Afrin durch türkische Truppen und verbündete syrische Rebellen. Türkische Aufklärungsflugzeuge würden über das Gebiet fliegen. Der türkische Generalstab hatte bisher lediglich gemeldet, dass Geschützfeuer aus Afrin von der Türkei aus erwidert würde. Das allerdings sehr massiv, wie die Fernsehbilder zeigen.
    Kämpfer der Freien Syrischen Armee an der Seite der Türkei
    Dass eine Bodenoffensive bevorstehe, daran hatte Außenminister Mevlüt Cavusoglu schon in den vergangenen Tagen keinen Zweifel gelassen:
    "Wir werden in Afrin und auch in anderen Regionen ohne zu zögern eingreifen, wenn die Türkei bedroht ist. Und wir werden die Region von Terroristen befreien. So wie unser Staatspraesident es schon gesagt hat: Es kann jede Nacht losgehen."
    Bereits gestern zeigte das türkische Fernsehen Aufnahmen von etwa 20 Bussen, mit denen Kämpfer der Freien Syrischen Armee aus der Türki nach Syrien an die Grenze des Bezirks Afrin gebracht wurden. Sie sollen an der Seite der Türken kämpfen.
    YPG wichtigster Verbündeter der USA im Kampf gegen IS
    Auslöser der Spannungen war die Ankündigung der USA, eine 30.000 Mann starke Truppe entlang der syrischen Nordgrenze aufzustellen - bestehend insbesondere aus Kämpfern der YPG. Sie kontrollieren bereits heute rund 700 der gut 900 Kilometer langen türkisch-syrischen Grenze und waren die wichtigsten Verbündeten der US-geführten Koalition im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat. Die Türkei hatte bereits damals Waffenlieferungen an die Kurden kritisiert. Nun, da der IS vertrieben ist, aber die militärische Unterstützung andauern soll, fühlt sich die Türkei getäuscht, sagt der Militärexperte Hakki Casin von der Istinye-Universität Istanbul:
    "Lassen Sie mich ein Beispiel geben: Würden wir an der Grenze zu den USA dreißigtausend Mexikaner bewaffnen, die die Sicherheit der USA bedrohen - wie würde sich Washington damit fühlen? Wir sind schließlich Nato-Verbündete. Das geht gar nicht."
    Warnung der türkischen Opposition
    Die USA hatten die Türkei vor einer Militäroffensive in Afrin gewarnt. Auch der türkische Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu hatte bis zuletzt versucht, die Regierung von einem Einmarsch in Syrien abzuhalten:
    "Es wird viel darüber geredet, in Afrin einzumarschieren. Aber erst einmal müssen alle diplomatischen Wege ausgeschöpft sein. Andernfalls wird die Sache problematisch und die Türkei müsste einen hohen Preis zahlen. "
    PKK droht mit Krieg
    Gehört hat die Regierung offenbar weder auf die Amerikaner noch auf die Opposition. Die Auswirkungen dürften nicht auf Syrien beschränkt bleiben. Für den Fall, dass die Türkei massiv gegen die syrischen Kurden vorgeht, hat die mit der YPG verbündete PKK bereits angedroht, den Krieg in die türkischen Städte zu tragen. Die Offensive Olivenzweig dürfte ihrem Namen nicht gerecht werden. Denn auch in der Türkei gilt ein Olivenzweig eigentlich als Symbol des Friedens.