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"Cumhuriyet"-Prozess
Angeklagte Journalisten weisen Vorwürfe zurück

Im Prozess gegen Mitarbeiter der regierungskritischen türkischen Zeitung "Cumhuriyet" wehren sich mehrere Angeklagte gegen den Vorwurf, Kontakte zu Terroristen gehabt zu haben. Das Verfahren gegen die Journalisten sorgt für massive Kritik im In- und Ausland - unter anderem bei Menschenrechtlern, Journalisten und internationalen Organisationen.

24.07.2017
    Ein Demonstrant vor dem Istanbuler Gericht hält ein Porträt des türkischen Journalisten Kadri Gürsel.
    Ein Demonstrant vor dem Istanbuler Gericht hält ein Porträt des türkischen Journalisten Kadri Gürsel. (afp / Ozan Kose)
    Einer der Angeklagten, der Journalist Gürsel, bezeichnete die Beschuldigung, Kontakte zu Terroristen zu haben, als erfunden. Journalismus sei kein Verbrechen, sagte er vor Gericht in Istanbul. Menschenrechtler, Journalisten- und Schriftstellerverbände sowie internationale Organisationen forderten die Freilassung der Angeklagten.
    "Wir sprechen hier von keinem Rechtsstaat mehr"
    Der Prozess gegen die "Cumhuriyet"-Mitarbeiter in Istanbul hat massive Kritik ausgelöst. Der SPD-Europapolitiker Lietz beobachtet das Verfahren vor Ort und sagte im Dlf, die Richter hätten einen selbstgefälligen Eindruck auf ihn gemacht. Erdogan habe Hardliner ausgewählt, um die Presse mundtot zu machen. "Wir sprechen hier von keinem Rechtsstaat mehr", stellte Lietz fest.
    Aus Sicht von Reporter ohne Grenzen handelt es sich um einen symbolischen Prozess. Das Verfahren gegen die 17 Journalisten sei an Absurdität nicht zu überbieten, sagte Geschäftsführer Mihr dem Bayerischen Rundfunk. Die Vorwürfe seien "hanebüchen". Er will als Beobachter an dem Prozess teilnehmen. "Cumhuriyet" sei die älteste Zeitung der Türkei und habe die Flagge für die Pressefreiheit immer hoch gehalten.
    Ehemaliger Chefredakteur Dündar unter den Angeklagten
    Den 17 früheren und aktuellen Mitarbeitern von "Cumhuriyet" wird nach Angaben ihrer Anwälten vorgeworfen, Terrororganisationen wie die kurdische PKK oder die Gülen-Bewegung zu unterstützen. Die türkische Regierung sieht in dem in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen den Verantwortlichen für den gescheiterten Putsch vor einem Jahr.
    Angeklagt ist unter anderem der ehemalige "Cumhuriyet"-Chefredakteur Can Dündar, der mittlerweile im Exil in Deutschland lebt. Neben Dündar wird auch dem aktuellen Chefredakteur Murat Sabuncu und 15 weiteren Journalisten der Prozess gemacht. Elf der Angeklagten befinden sich in der Türkei in Untersuchungshaft.
    Dündar: "Das ist wie Folter"
    Can Dündar sagte der Deutschen Presse-Agentur, er hoffe, dass seine Kollegen freikommen. Seit 250 Tagen seien die inhaftierten Journalisten schon im Gefängnis und hätten bisher keinen Richter zu Gesicht bekommen. "Das ist wie Folter", sagte Dündar.
    Der türkische Journalist Can Dündar bei der Eröffnung des Online-Magazins Özgürüz
    Der türkische Journalist Can Dündar lebt in Deutschland im Exil. (dpa / picture alliance / Maurizio Gambarini)
    "Diese Leute werden schon bestraft, bevor sie vor Gericht kommen, das ist leider die Politik der türkischen Regierung." Es gebe in dem Land keine Rechtsstaatlichkeit, Erdogan steuere die Richter und Staatsanwälte.
    Behörden gehen gegen kritische Journalisten vor
    Seit dem gescheiterten Putsch im Juli 2016 gehen die türkischen Behörden verstärkt gegen kritische Journalisten vor. Auf der Rangliste zur Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen ist die Türkei abgerutscht. Sie steht aktuell hinter Staaten wie Weißrussland oder der Demokratischen Republik Kongo auf Platz 155.
    (wes/hba)