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Türkei
Rekordbrücke über den Bosporus

Es ist ein weiteres Schmuckstück der "neuen Türkei" von Präsident Erdogan: Im Norden Istanbuls wird heute die Sultan-Selim-Brücke eingeweiht, die breiteste Hängebrücke der Welt. Für Erdogan dürfte die Einweihung ein willkommener Anlass sein zu zeigen, dass es trotz Terror und Putschversuch im Land weiter vorangeht.

Von Thomas Bormann | 26.08.2016
    Ein Blick auf die Sultan Selim Brücke in istanbul, hier Anfang März noch während der Bauarbeiten.
    Die breiteste Hängebrücke der Welt. (DPA / Tolga Bozoglu )
    Es soll eine große Feier werden, wenn Präsident Erdogan heute Nachmittag die dritte Bosporus-Brücke für den Verkehr freigibt. Deshalb läuft im türkischen Fernsehen schon seit einigen Tagen ein Werbefilm:
    "Mama, ist die Brücke neu? – Die ist aber groß"
    – sagt ein kleines Mädchen auf dem Rücksitz eines Autos, das gerade über die Brücke rollt, 73 Meter hoch über dem Meeresspiegel. Der Bruder des kleinen Mädchens findet die Aussicht auf das Schwarze Meer und den Bosporus so schön, dass er seinen Papa bittet: Fahr doch bitte ein bisschen langsamer.
    Auf vier Spuren je Richtung werden hier Autos und Lkw zwischen Europa und Asien hin- und herfahren. In der Mitte ist Platz, um später noch zwei Gleise für eine geplante Hochgeschwindigkeits-Eisenbahn zu verlegen."
    Mega-Infrastrukturprojekt in Rekordzeit
    Insgesamt sind Fahrbahnen und Gleisbett 59 Meter breit. Damit ist diese Bosporus-Querung die breiteste Brücke der Welt.
    Und es gibt noch einen Weltrekord: Die Brücke hängt an zwei riesigen Pylonen, je einer auf dem europäischen und dem asiatischen Ufer, beide sind 320 Meter hoch – auch das ein Weltrekord – es sind die höchsten Brückenpfeiler der Welt:
    "Ist das schön – und wir kommen ohne Stau über den Bosporus", freut sich eine Frau im Werbefilm.
    Ohne Stau über den Bosporus – das ist tatsächlich bislang fast unmöglich in Istanbul. Auf den beiden bisherigen Bosporus-Brücken stehen viele Istanbuler täglich ein oder zwei Stunden im Stau. Damit soll nun Schluss sein, versprechen die Verkehrsplaner, dank der neuen Brücke. Sie führt in weitem Bogen nördlich um die Stadt herum. Zusammen mit der zwei Kilometer langen Brücke werden heute auch mehr als einhundert Kilometer neue Autobahnen als Zufahrtswege für die neue Brücke eröffnet.
    Kritik von Umweltschützern
    Für all diese neuen Autobahnen wurden breiten Schneise in die Wälder im vergleichsweise dünn besiedelten Norden Istanbuls geschlagen. Umweltschützer kritisieren, die Lunge Istanbuls werde mit diesem Bauwerk zerstört. Aber Präsident Recep Tayyip Erdogan weist derlei Kritik zurück. Die neue Brücke werde die Umwelt sogar entlasten, die Luft in Istanbul werde besser werden, weil es weniger Stau geben werde, so Erdogan. Er freut sich darauf.
    "Im Zentrum Istanbuls werden wir demnächst keine Lastkraftwagen mehr durchfahren sehen, weil der Transitverkehr auf die neue Brücke umgeleitet wird", verspricht Erdogan und erntet doch Zweifel. Denn die wenigsten Lastwagen wollen einfach nur durch Istanbul hindurch fahren. Die meisten wollen nach Istanbul hinein oder sie starten von dort. Schließlich ist Istanbul das Wirtschafts- und Verkehrszentrum der Türkei.
    Präsident Erdogan ist stolz, dass die Brücke wie geplant heute dem Verkehr übergeben wird. Für Erdogan ist die pünktliche Einweihung der Brücke ein Beweis, dass die Türkei auf Wachstumskurs bleibt - trotz all der Widrigkeiten, trotz des Putschversuchs von vor sechs Wochen. Die neue Brücke – ein Beweis für die Stärke, für die Größe der Türkei:
    "Wir schreiben Geschichte durch den Bau großer Werke - mit der Inspiration, die wir von unseren Vorfahren schöpfen."
    Auch bei der Wahl des Datums für die Eröffnung der Brücke ließ sich Erdogan von den Vorfahren inspirieren. Der 26. August ist der Jahrestag der Schlacht von Manzikert im Jahr 1071. Bei dieser Schlacht vor nunmehr 945 Jahren tief im Osten Anatoliens besiegten die muslimischen Seldschuken die christlichen Byzantiner. Diese Schlacht gilt als Beginn der türkischen Eroberung Anatoliens.
    An die kühnen Kämpfer von damals will Erdogan erinnern, wenn er heute das kühne Brückenbauwerk zwischen Asien und Europa eröffnet.