Donnerstag, 18. April 2024

Archiv

Türkei
Sonderberichterstatter untersucht Foltervorwürfe

Seit dem Putschversuch in der Türkei geht die Regierung mit aller Härte gegen vermeintliche Gegner vor. Human Rights Watch sieht längst die Grenze zur systematischen Folter überschritten. Was ist dran an den Vorwürfen? Dem geht seit heute ein UNO-Sonderermittler nach.

28.11.2016
    Ein Wachmann patrouilliert an den Toren des Metris-Gefängnisses in der türkischen Stadt Istanbul.
    Ein Wachmann patrouilliert an den Toren des Metris-Gefängnisses in der türkischen Stadt Istanbul. (AFP - Ozan Kose)
    Der UNO-Sonderberichterstatter zu Folter, Nils Melzer, werde bis Freitag mit mutmaßlichen Folteropfern sprechen und Haftanstalten besuchen, teilte die UNO in Ankara mit. Melzers Untersuchungen in Polizeiwachen, Haftanstalten und Untersuchungsgefängnissen sollen demnach in einen Bericht für den UNO-Menschenrechtsrat einfließen, der aber erst im März 2018 vorliegen soll.
    Vorwurf: Schlafentzug, Schläge und sexueller Missbrauch
    Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) hatte der türkischen Polizei im Oktober vorgeworfen, seit der Verhängung des Ausnahmezustands nach dem Putschversuch systematisch Gefangene zu foltern. Ehemalige Häftlinge hatten demnach über Schlafentzug, Schläge und sexuellen Missbrauch in der Haft berichtet. Die türkische Regierung wies die Vorwürfe vehement zurück.
    Die UNO kündigte nun an, dass der Sonderberichterstatter bei seinem Besuch die "Entwicklungen und Herausforderungen im Zusammenhang mit Folter und Misshandlung" in der Türkei feststellen und untersuchen werde. Melzer erklärte, er freue sich darauf, sich zusammen mit der türkischen Regierung mit Themen wie der Wahrung der Rechtsstaatlichkeit und Entschädigungen für die Opfer zu beschäftigen.
    Melzers Visite ist der erste Besuch eines UNO-Sonderberichterstatters zu Folter in der Türkei seit 1998. Sein Vorgänger Juan Méndez wollte den Vorwürfen eigentlich schon im Oktober nachgehen, die türkische Regierung hatte den Besuch jedoch verschoben.
    Seit dem gescheiterten Militärputsch am 15. Juli geht die türkische Regierung mit aller Härte gegen ihre vermeintlichen Gegner vor. Das betrifft nicht nur mutmaßliche Anhänger des im Exil lebenden Predigers Fethullah Gülen, den Ankara für den Putschversuch verantwortlich macht, sondern auch mutmaßliche Anhänger der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) sowie regierungskritische Journalisten.
    Zeitungen geschlossen
    Zehntausende Menschen insbesondere aus dem Bildungswesen, den Medien, den Streitkräften und der Justiz wurden seit Juli festgenommen, Zehntausende weitere aus dem Staatsdienst entlassen oder suspendiert. Nach Angaben von Journalistenvereinigungen wurden in den vergangenen Monaten zudem mehr als 150 Zeitungen, Radio- und Fernsehsender geschlossen. Der türkischen Regierung wird vorgeworfen, dabei ohne Rücksicht auf rechtsstaatliche Grundsätze vorzugehen.
    (fwa/ach)