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Türkei
Starke Zeichen an der Grenze

Es soll Stärke demonstrieren und könnte dabei doch genau das Gegenteil beweisen. Der türkische Generalstab beordert immer mehr Panzer an die Grenze zu Syrien. Mit dieser Drohgebärde will Ankara verhindern, dass türkische Soldaten von IS-Terroristen in Geiselhaft genommen werden. Doch die Gefahr ist groß.

Von Thomas Bormann | 01.10.2014
    Die Türkei wird sich am Kampf gegen Terroristen beteiligen, kündigte der türkische Präsident Erdogan bei seinem Besuch in den USA vergangene Woche an. Viele erwarteten, die Türkei werde jetzt möglicherweise auch Luftangriffe gegen IS-Terrormilizen fliegen, aber das wird so schnell nicht passieren.
    Zurück in der Türkei gibt Erdogan seinen Äußerungen einen anderen Unterton: Kampf gegen Terror: Ja. Aber nicht nur gegen den Terror der IS-Milizen. Erdogan sagte Anfang dieser Woche in Istanbul:
    "Die Welt schließt sich derzeit zu einer Koalition gegen die Terrororganisation IS zusammen. In meinem Land gibt es seit nunmehr 32 Jahren die Terrororganisation PKK. Warum hat sich die Welt daran nicht gestört? Der PKK-Terror tobte doch auch in Europa. Die PKK finanziert sich doch aus Europa. Warum haben unsere europäischen Freunde gegen die PKK keine Koalition geschlossen?"
    In Interviews mit türkischen Zeitungen lässt Erdogan keinen Zweifel: Er will die IS-Milizen bekämpfen und auch die PKK, also die verbotene Untergrund-Organisation der Kurden aus der Türkei.
    Verhandlungen seit über einem Jahr
    Dabei verhandelt die türkische Staatsführung seit mehr als einem Jahr mit eben dieser PKK über eine Aussöhnung zwischen Türken und Kurden; der inhaftierte PKK-Chef Abdullah Ölcalan hatte deshalb sogar einen Waffenstillstand ausgerufen.
    Und: Es sind vor allem Kämpfer der PKK und ihres syrischen Ablegers, die derzeit die nordsyrische Stadt Kobane gegen die IS-Terrormilizen verteidigen; im August hatten vor allem PKK-Kämpfer Tausende Jesiden vor den IS-Mörderbanden gerettet..
    Erdogan will, dass letztlich weder die IS-Milizen noch die Kurden volle Kontrolle über den Norden Syriens gewinnen, den die Kurden "Rojawa" nennen. Deshalb plant er dort eine Pufferzone, manchmal auch Schutzzone genannt. Angeblich stehen schon 10.000 türkische Soldaten bereit, um eine solche Zone auf nordsyrischem Gebiet zu besetzen und zu verteidigen, also genau dort, wo die syrischen Kurden ihr Modell von einem autonomen Gebiet "Rojawa" aufbauen wollen. Der Istanbuler Politikwissenschaftler Orhan Alkaya:
    "Die kurdische Bewegung hat in Rojava praktisch ein Labor, um dieses Modell zu testen. Wenn dieses Modell Erfolg hat, werden es die Kurden in der Türkei auch für ihr Gebiet fordern. Ich denke, durch eine Pufferzone soll die Etablierung bzw. der Erfolg des dortigen Staatsmodells gebremst werden. "
    Zwei Fliegen mit einer Klappe
    Mit der Pufferzone könnte die Türkei quasi zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: IS-Milizen und PKK. Dann, so die Strategie der türkischen Regierung, könnten alle Kräfte gebündelt werden, um den Ur-Feind dieses Konflikts in Syrien zu stürzen, nämlich den syrischen Diktator Assad.
    Der Politikwissenschaftler Orhan Alkaya meint, die Türkei manövriere sich damit ins Abseits:
    "Die Türkei rudert rapide in eine internationale Vereinsamung, weil ihre Strategie nach wie darauf abzielt, den syrischen Diktator Assad zu stürzen. Dabei wendet die Türkei Methoden an, die von der internationalen Öffentlichkeit nicht mitgetragen werden."
    Da sind nicht nur die Gerüchte, die Türkei habe lange Zeit die Kämpfer der IS-Milizen unterstützt; da ist auch das "Nein" der Türkei, der internationalen Koalition zur Bekämpfung der IS-Terroristen beizutreten.
    Damit entfernt sich die Türkei nicht nur von ihren Bündnispartnern in der NATO, sondern auch von ihren Nachbarn in den arabischen Staaten. Klar definiert hat die Türkei allerdings, welche Feinde sie hat: seit drei Jahrzehnten die PKK, seit drei Jahren den syrischen Diktator und Assad und nun auch die IS-Terrormilizen.