Hohenzollern-Anwalt kontert Vorwürfe von Historikern

Ist die Freiheit der Wissenschaft in Gefahr?

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Außenaufnahme der Burg Hohenzollern in Hechingen in Baden-Württemberg, aufgenommen im August 2019
Die Burg Hohenzollern: Der Anwalt des Fürstengeschlechts, Markus Hennig, bestreitet den Vorwurf, dass der Prinz von Preußen versuchen würde, die Geschichte umzuschreiben. © picture alliance/Silas Stein/dpa
Markus Hennig im Gespräch mit Vladimir Balzer  · 23.12.2019
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Der Historiker Martin Sabrow wehrt sich dagegen, dass die Hohenzollern ihm bestimmte Aussagen juristisch verbieten wollen. Es geht um die Sorge vor geschichtspolitischer Einflussnahme. Hohenzollern-Anwalt Markus Hennig nimmt Stellung.
Vladimir Balzer: Seit Jahren verhandeln die Hohenzollern mit dem Bund und zwei Bundesländern über eine Millionenentschädigung, über ein womögliches Wohnrecht im Potsdamer Schloss Cecilienhof, über die Rückgabe von mehreren 10.000 Kunstobjekten.
Die Verhandlungen sind noch mittendrin. Noch ist keine Einigung absehbar, denn es geht auch um grundsätzliche Fragen: Es geht auch um die historische Rolle, um die umstrittene historische Rolle der Hohenzollern im 20. Jahrhundert, und es geht jetzt auch um die Deutungshoheit, es geht um Geschichtsschreibung.
Martin Sabrow ist nun wirklich ein sehr renommierter Historiker. Er sagt, er sieht die Freiheit der Wissenschaft in Gefahr, nachdem Sie ihm mit juristischen Mitteln bestimmte Aussagen über den Hohenzollern-Streit öffentlich verbieten wollen. Was antworten Sie ihm?
Hennig: Na, ich würde ihm antworten, dass die Freiheit der Wissenschaft nicht in Gefahr ist, weil auch die Wissenschaft der Wahrheit verpflichtet ist und der korrekten Information.
Balzer: Was ist für Sie eine korrekte und nicht korrekte Information in diesem Zusammenhang?
Hennig: Es geht auf jeden Fall um Information, die beim Professor Sabrow falsch angekommen ist und auf deren Grundlage er eine sehr heftige Kritik geäußert hat, die aber nicht gerechtfertigt ist, wenn, sage ich mal, die Voraussetzungen, von denen er ausgeht, nicht der Wahrheit entsprechen.
Der Anwalt Markus Hennig sitzt auf einem Sofa.
Der Anwalt Markus Hennig vertritt die Hohenzollern im Streit mit Martin Sabrow, Direktor des Zentrums für Zeithistorische Forschung Potsdam.© Markus Hennig
Balzer: Was genau möchten Sie korrigieren, was ist Ihnen wichtig?
Hennig: Durch Professor Sabrow zum Beispiel ist der Vorwurf unterbreitet worden, dass der Prinz von Preußen versuchen würde, die Geschichte umzuschreiben, dass er versuchen würde, Einfluss zu nehmen auf die Darstellung der Geschichte seiner Familie. Und das entspricht nicht der Wahrheit, weil entsprechende Versuche nicht bestehen, zu keinem Zeitpunkt vorgelegen haben. Er selber beruft sich ja auf Zeitungsmeldungen als seine einzige Grundlage, und wir haben ihn darauf hingewiesen, dass diese Zeitungsmeldungen nicht korrekt sind und daher auch seine Kritik nicht korrekt ist.
Balzer: Aber ist das nicht auch eine Interpretationsfrage, wie man die Aktivitäten der Hohenzollern der letzten Jahre – wenn es um die Restitutionen geht, um grundsätzliche Fragen geht der Ansprüche an die Bundesrepublik Deutschland und die Länder –, ist es nicht auch eine Interpretationsfrage, wie man diese Aktivitäten der Hohenzollern bewertet?
Hennig: Man kann ja keine Behauptung aufstellen, die keine Grundlage hat, und das ist keine Bewertungsfrage. Also wir haben in Deutschland in Artikel 5 geregelt die Meinungsfreiheit: Jeder hat den Anspruch auf seine eigene Meinung – aber nicht auf seine eigenen Fakten.

"Die Debatte ist von einer Menge Falschinformationen geprägt"

Balzer: Aber dennoch ist natürlich eine Grundfrage im Raum, inwieweit dieser Vorgang der Hohenzollern, auch der Streit mit der Bundesrepublik und den beiden Ländern Berlin und Brandenburg, tatsächlich über eine Privatangelegenheit hinausgeht. Es ist auch eine öffentliche Angelegenheit, oder?
Hennig: Dem würde ich mich auch gar nicht entgegenstellen. Selbstverständlich ist das eine öffentliche Angelegenheit. Die gesamte Debatte, muss ich leider feststellen, ist von einer Menge Falschinformationen geprägt. Wir haben das übrigens jüngst zum Anlass genommen, selber die Öffentlichkeit zu informieren. Wer interessiert ist, kann auf die Webseite gehen, wir haben dort wesentliche Fragen der Öffentlichkeit zusammengefasst und wir haben sie auch beantwortet, weil sie bislang eben nicht genug, ausreichend und korrekt Beantwortung gefunden haben.
Balzer: Aber das ist Ihre Sicht der Dinge, das ist nur eine Perspektive.
Hennig: Das würde ich nicht so sehen, weil wir können auch einfach keine falschen Fakten in die Welt setzen.
Balzer: Was beschäftigt Sie denn am meisten, was ist denn aus Ihrer Sicht das, was am wenigsten korrekt in der Öffentlichkeit kursiert über den Hohenzollern-Streit?
Hennig: Das sind diverse Äußerungen der Vergangenheit gewesen, die stehen letztendlich auch immer wieder in dem Zusammenhang, dass man eben Einfluss nehmen würde auf das Geschichtsbild, wie es sich heute darstellt, dass man Deutungshoheit beanspruchen würde, dass man den Versuch unternehmen würde, Ausstellungen zu beeinflussen, zu gestalten, dass man überhaupt selber ein eigenes Museum haben möchte.
Es wurde zum Beispiel auch der Vorwurf unterbreitet, dass die eigenen Archive nicht der Öffentlichkeit und der Forschung offenstehen würden – und das sind alles Falschinformationen. Professor Sabrow hat sich hier über ein juristisches Thema geäußert, nicht als Historiker. Auch für Historiker gelten die gleichen Grundsätze: Sie müssen der Wahrheit entsprechen, was im Übrigen auch seinem eigenen Anspruch als angesehener Wissenschaftler genügen dürfte.
Balzer: Das ist auch nicht der einzige Fall in diesem Zusammenhang mit Martin Sabrow, es gibt noch einige andere, wo es einen ähnlichen Streit gibt, mit Wissenschaftlern, Wissenschaftlerinnen, Journalisten sind auch betroffen. Selbstverständlich werden da, Sie haben es zu Beginn des Gesprächs angesprochen, Dinge angesprochen, die in den Bereich von Grundrechten fallen. Wir reden von der Freiheit von Presse, Meinung, Wissenschaft. Wir haben den Satz im Grundgesetz: "Eine Zensur findet nicht statt." Wie hoch ist aus Ihrer Sicht die Gefahr, dass diese Rechte berührt werden?
Hennig: Ich sehe überhaupt gar keine Gefahr, weil die Meinung als echte Meinung ist nach dem Grundgesetz geschützt, Sie haben es gerade gesagt, und die ist auch nicht beeinflussbar. Aber auch eine Meinung bedarf tatsächlicher Ansatzpunkte. Und wenn die nicht gegeben sind, dann ist auch ein entsprechender Vorwurf, wie er von Professor Sabrow erhoben wird, grundlagenlos.

"Politiker unterbreiten uns diese Vorwürfe auch"

Balzer: Warum ist Ihnen das überhaupt so wichtig? Sie könnten nonchalant sagen, gut, die Debatte wird geführt, wir sind sowieso auf einer anderen Ebene unterwegs, nämlich, was die Restitutionen angeht, was Entschädigungszahlungen angeht, was viele andere Dinge angeht. Sie könnten sich doch zurücklehnen und einfach diese Debatte beobachten.
Hennig: Das sehe ich anders, das sehen wir insgesamt anders, weil letztendlich wissen Sie ja, dass wir in sehr komplexen Verhandlungen stehen, an der Verhandlung sind Politiker beteiligt, Politiker wiederum unterbreiten uns diese Vorwürfe auch, wir hatten das vorletzte Woche verzeichnen können im Brandenburger Landtag, weil eben dann basierend auf dem Renommee, auf der Expertise von Historikern – unabhängig davon, ob sie sich zu historischen Sachverhalten äußern – natürlich auch unsere Verhandlungspartner ihre Meinung bilden. So viel können wir gar nicht aufklären, so viel können wir gar nicht informieren, wie das aber notwendig ist, um hier den sachlichen Prozess der Verhandlung nicht zu gefährden. Die korrekte Information ist geschützt, die korrekte Information im Rahmen der Meinungsbildung, die korrekte Information von mir aus auch in der Wissenschaftsfreiheit, aber nicht die Falschinformation.
Balzer: Ich bin ja gespannt, was Sie mir jetzt gleich antworten werden, wenn ich danach frage, wie eigentlich die Restitutionsdebatte, der Streit mit dem Bund und Berlin und Brandenburg im nächsten Jahr – versuchen wir doch mal, einen Blick zu werfen auf das Jahr 2020 – aus Ihrer Sicht weitergehen wird zwischen Hohenzollern und dem Staat?
Hennig: Also erst mal würde ich es noch nicht unbedingt als einen Streit benennen. Wir sind nach wie vor in Verhandlungen und Gesprächen, so sind wir im letzten Sommer miteinander verblieben auf einer Arbeitsebene, wir versuchen, zu Sachlösungen zu kommen, und daran verbinden wir nach wie vor auch eine große Hoffnung. Sie ist, meine persönliche Auffassung, wenn ich das bemerken darf, auch im Interesse der Öffentlichkeit, weil es darum geht, bedeutende Kulturgüter für die Öffentlichkeit zu bewahren und sogar noch die Möglichkeiten auszuweiten, zum Beispiel durch ein neues Museum.
Aber wenn eine solche Diskussion, wenn ich das mal als Beispiel nehmen darf, mit dem Vorwurf verknüpft wird, man wolle selbst ein eigenes Museum, wir würden hier die Hybris haben, hier sich selber noch ein Extra-Denkmal setzen zu wollen, ist das zum Beispiel auch eine Falschinformation, weil das Museum ist von der öffentlichen Hand an meine Mandantschaft rangetragen worden, um die vielen zusätzlichen Leihgaben auszustellen, die in der Zukunft zur Verfügung gestellt werden sollen.

Verhandlungspartner in Brandenburg haben gewechselt

Balzer: Das ist alles sehr komplex. Wenn wir uns auch noch die politische Gemengelage anschauen, in Berlin, in Brandenburg, im Bund, viele verschiedene Parteien sind da beteiligt, im Grunde genommen fast die gesamte politische Landschaft bis auf die AfD, dann darf man vermuten, dass diese Debatte, so würde ich es mal nennen, zwischen Hohenzollern und dem Staat noch sehr lange dauern wird, oder?
Hennig: Ich denke einfach, dass eine gute Lösung Zeit braucht.
Balzer: Haben Sie einen Zeitplan für uns?
Hennig: Aus unserer Sicht könnte es sehr schnell gehen. Aber wir hatten nun mal einen Regierungswechsel bei einem unserer Verhandlungspartner. In Brandenburg haben Verantwortlichkeiten gewechselt, dann müssen sich neue Politiker beziehungsweise Handlungspartner auch in die Situation einarbeiten, müssen sich erst mal mit der Arbeit der Vergangenheit auseinandersetzen. Das ist schwierig, dort eine zeitliche Prognose zu geben. Aber ich würde mich auf jeden Fall freuen, wenn wir eine größere Geschwindigkeit erreichen könnten.
Und ich möchte auch an dieser Stelle noch mal betonen: Wir setzen und wollen und haben auch erkannt, dass zu wenig Information draußen ist. Wir wollen sehr aktiv mitarbeiten, wollen weiter mitarbeiten, wollen uns auch den kritischen Fragen stellen, die in dem Zusammenhang aufgetreten sind und wollen auch Missverständnisse ausräumen.
Balzer: Das heißt, Sie werden transparenter in Zukunft, Sie werden mehr an die Öffentlichkeit gehen?
Hennig: Wir werden die Bemühungen ausweiten. Ich habe schon darauf hingewiesen, wir unternehmen einen ersten Versuch, meine Mandantschaft unternimmt einen ersten Versuch über die Webseite, die gerade vor knapp 48 Stunden an den Start gegangen ist, was ich hier, glaube ich, auch verkünden darf, unter www.preussen.de finden Sie Informationen über den Verlauf der Restitutionsverhandlungen, da finden Sie kritische Fragen, da finden Sie selbstreflektierende Antworten, da finden Sie zum Teil auch Dokumente, die den Prozess beschreiben und jeden auffordern, sich seine eigene Meinung zu bilden.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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