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Türkische Innenpolitik in Deutschland
Ist das deutsche Versammlungsrecht zu großzügig?

Es war eine hitzige Diskussion im DLF über den Auftritt des türkischen Ministerpräsidenten in Oberhausen sowie die Ditib-Spitzelaffäre. Lale Akgün (SPD), der Journalist Ismail Küpeli und Fatih Zingal von der AKP-nahen Organisation UETD stritten auch über die Frage, ob das Versammlungsrecht geändert werden sollte.

Von Fabian Wahl | 22.02.2017
    Teilnehmer bei einer Veranstaltung mit dem türkischen Ministerpräsidenten Yildirim halten am 18.02.2017 in Oberhausen (Nordrhein-Westfalen) türkische Fahnen in den Händen.
    Anhänger des türkischen Ministerpräsidenten Yildirim in Oberhausen. (dpa / picture alliance / Roland Weihrauch)
    Die SPD-Integrationspolitikerin Akgün erklärte, das Demonstrationsrecht dürfe nicht durch ausländische Politiker missbraucht werden. Wenn auf Kundgebungen wie der am Samstag in Oberhausen aber die Leute für eine Diktatur eingepeitscht würden, müsse man hinterfragen, ob man sich so etwas in Deutschland gefallen lassen möchte, sagte Akgün in der Sendung "Zur Diskussion".
    Wahlkampf auf deutschem Boden
    "Im Moment ist unser Vereinsrecht sehr großzügig", betonte sie. "Die Frage ist für die Zukunft: Müssen wir eigentlich unser Demonstrationsrecht so weiterentwickeln, dass wir sagen, wir möchten nicht, dass auf deutschem Boden ausländische Politiker Wahlkampf machen." Dies könnte man natürlich einschränken. Später ruderte sie aber zurück und sagte, sie spreche nur von weiterentwickeln statt einschränken.
    Lale Akgün bei der Buchmesse 2008 in Frankfurt.
    Lale Akgün, ehemalige Islambeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion. (imago/Hoffmann)
    Der regierungskritische Journalist Ismail Küpeli warf den Veranstaltern des Yildirim-Auftritts vor, die Pressefreiheit eingeschränkt zu haben. "Unsere Reporter wurden in Oberhausen nicht in den Saal gelassen." Auf anderen Kundgebungen seien er und seine Kollegen am Samstag von AKP-Anhängern angefeindet worden.
    Diesen Vorwurf wies der stellvertretende Vorsitzende der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD), Fatih Zingal, zurück. Die UETD steht der türkischen AKP nahe. "Hier wird ein verzerrtes Bild vermittelt", sagte er. Mehr als 150 Pressevertreter "aller Couleur" seien vor Ort gewesen. Bei der Veranstaltung sei die deutsch-türkische Freundschaft herausgestellt worden. Lediglich eine Person im Publikum habe die Todesstrafe gefordert und sei daraufhin von den anderen Zuhörern stumm angeschaut worden.
    Der UETD-Vize Fatih Zingal.
    Der UETD-Vize Fatih Zingal. (pa/dpa/Schindler)
    Zingal: Auch kritisch über PKK-Veranstaltungen berichten
    Er warnte davor, das Versammlungsrecht einzuschränken. Zingal kritisierte hingegen, dass über PKK-nahe Veranstaltungen nicht genauso kritisch berichtet werde.
    Ein weiterer Punkt, der die deutsch-türkischen Beziehungen belastet: Die Spitzelaffäre um den türkischen Moscheeverband Ditib. Ditib-Imame stehen im Verdacht, Informationen über mutmaßliche Anhänger des Predigers Gülen, den Ankara für den Putschversuch vom Juli 2016 verantwortlich macht, in die Türkei übermittelt zu haben.
    Der Journalist und Politikwissenschaftler Küpeli sprach von einer Stimmung der Angst, die durch die Bespitzelung unter türkischen Bürgern in Deutschland geschaffen werde. Viele hätten nun Angst, ihre Meinung zu äußern. Er forderte hier ein härteres Vorgehen der Behörden. "Der deutsche Staat hat die Verpflichtung, türkische Bürger hier zu schützen."
    DITIB: Integrationsförderer oder -hemmer?
    Akgün warf der Ditib vor, die Integration zu hemmen. Was bisher über die Bespitzelung bekannt sei, sei nicht mal die Spitze eines Eisbergs, sagte sie. Der UETD-Vize Zingal warnte hingegen vor einer Dämonisierung von Ditib. Der Verband habe eine wertvolle Integrationsarbeit geleistet. Die Koranauslegungen seien stets moderat. Wenn es nun aber Verfehlungen gegeben haben sollte, dann sei dies ein Fall für die Justiz.