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Türkischer Präsident Erdogan
Deutschland ist ein "Hafen für Terroristen"

Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hat Deutschland vorgeworfen, Terroristen zu unterstützen. So werde etwa Anhängern der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK sowie der Gülen-Bewegung Unterschlupf gewährt, erklärte Erdogan in Ankara. Außenminister Frank-Walter Steinmeier reagierte mit Unverständnis.

03.11.2016
    Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan bei einer Rede in Ankara
    Erdogan übt in seiner Rede in Ankara heftige Kritik an Deutschland. (AFP / Adem Altan)
    Nach der Kritik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Vorgehen der türkischen Behörden gegen Journalisten ist Ankara nun seinerseits mit Vorwürfen gegen Deutschland in die Offensive gegangen. Die Bundesrepublik sei "eines der wichtigsten Länder geworden, in denen Terroristen Unterschlupf finden", kritisierte Erdogan bei einer Feier im Präsidentenpalast in Ankara. Es sei inakzeptabel, dass sich Deutschland für Menschen einsetze, "die die Türkei als Terroristen einstuft und deren Auslieferung sie verlangt, statt diese Angriffe zu verhindern".
    Erdogan erklärte, seit Jahren hielten sich militante Unterstützer der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK, der linksgerichteten Gruppierung DHKP-C und der Gülen-Bewegung in Deutschland auf. Er sehe mit Sorge, dass die Bundesrepublik "den Schoß für Terroristen öffnet" und sich damit zu einem "wichtigen Hafen für Terroristen" entwickelt habe. Diese "Terrorplage" werde Deutschland als Bumerang treffen.
    Erdogan: Keine Antwort zu Terrorverdächtigen erhalten
    Er habe Merkel nach dem gescheiterten Militärputsch vom 15. Juli rund 4.000 Akten über Terrorverdächtige übergeben. Darauf habe er jedoch keine Antwort erhalten. Für den Putschversuch macht Erdogan die Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen verantwortlich.
    Offensichtlich, so Erdogan, interessiere sich die Bundesregierung mehr dafür, sich besorgt über das Schicksal von Zeitungen zu äußern, die "Terrorgruppen unterstützen". Der Staatspräsident betonte, er verbitte sich jegliche Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Türkei, die "niemanden zu kümmern" hätten. Unter dem Beifall seiner Zuhörer sagte er: "Seht Euch das an, jetzt erteilen sie uns Lektionen, von wegen wir sind besorgt."
    Merkel hatte zuvor die Festnahmen von Journalisten der Zeitung "Cumhuriyet" in der Türkei als "in höchstem Maße alarmierend" bezeichnet.
    Steinmeier weist Vorwürfe Erdogans zurück
    Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sagte in Berlin, er könne "die Äußerungen Erdogans zur Sicherheitslage Deutschlands überhaupt nicht nachvollziehen". Deutschland wünsche sich "enge und konstruktive Beziehungen" zur Türkei, betonte der SPD-Politiker. Zugleich gelte aber: "Das darf uns nicht veranlassen, ein Blatt vor den Mund zu nehmen, wenn es um die Gefährdung von Presse- und Meinungsfreiheit geht. Das haben wir nicht getan, und das werden wir auch heute nicht tun."
    Grünen-Chef Cem Özdemir warf Erdogan vor, aus der Türkei ein "großes Gefängnis" zu machen. Derzeit finde in der Türkei "quasi ein zweiter Putsch" statt, sagte er der "Passauer Neuen Presse". Der Bundesregierung warf Özdemir "falsche Rücksichtnahme" gegenüber Erdogan vor, um den Flüchtlingspakt zwischen der Europäischen Union und der Türkei nicht zu gefährden.
    Cavusoglu droht mit Aufkündigung des Flüchtlingspakts
    Im Streit mit der EU über die Visafreiheit hatte zuvor der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu mit einer Aufkündigung des Flüchtlingsabkommens gedroht. In der "Neuen Zürcher Zeitung" machte er zugleich deutlich, dass Ankara der von der EU verlangten Änderung der Anti-Terror-Gesetzgebung nicht nachkommen werde.
    Der im März geschlossene Flüchtlingspakt sieht unter anderem vor, dass die EU alle Migranten, die illegal über die Türkei auf die griechischen Inseln kommen, zurückschicken kann. Im Gegenzug sagte die EU unter anderem zu, nach Erfüllung von mehreren Voraussetzungen die Visumpflicht für türkische Staatsbürger aufzuheben.
    (kis/fwa)