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Türkisches Verfassungsreferendum
Österreich rätselt über die Wählerlisten

In Österreich sind Listen mit den Namen all derer aufgetaucht, die beim Verfassungsreferendum in der Türkei wahlberechtigt waren. Brisant dabei: Die doppelte Staatsbürgerschaft ist in Österreich nicht erlaubt. Nun muss geprüft werden, ob Menschen gewählt haben, die aus Sicht Österreichs gar keinen türkischen Pass haben dürften - und damit auch kein Wahlrecht in der Türkei.

Andrea Beer im Gespräch mit Katrin Michaelsen | 27.04.2017
    Ein türkischer und ein österreichischer Pass.
    Ein türkischer und ein österreichischer Pass: Österreich debattiert wieder über die doppelte Staatsbürgerschaft. (imago stock&people)
    Katrin Michaelsen: Warum steckt in diesen Listen so eine große Brisanz?
    Andrea Beer: Weil in Österreich doppelte oder sogar mehrfach Staatsbürgerschaften nicht erlaubt sind und nur unter ganz bestimmten Umständen. Zum Beispiel wenn jemand ein Elternteil aus einem anderen Land hat oder in Fällen, in denen ein Neuösterreicher nicht aus seiner alten Staatsbürgerschaft entlassen wird, was ja zum Beispiel in autoritären Ländern ein häufiges Druckmittel ist.
    Das ist der eine Punkt und politisch brisant sind diese Listen, weil darauf die Namen aller stehen sollen, die bei dem umstrittenen Verfassungsreferendum in der Türkei wahlberechtigt waren und hätte man diese Listen, dann könnte man eben einfach schauen, wer nun eine doppelte Staatsbürgerschaft hat, was wie gesagt verboten ist.
    Michaelsen: Was weiß man denn über die Urheber dieser Listen?
    Beer: Ja, es sind Listen, die aus türkischen Quellen kommen müssen, denn eine österreichische Behörde hat ja keinen offiziellen Zugriff auf diese Wählerlisten. Es kursieren im Moment mehrere Excel Dateien. Eine Datei zum Beispiel aus dem Jahre 2015, darauf stehen 16.000 Namen, eine aus dem Februar 2017, also ganz neu, mit 45.000 Namen. Mit aufgeführt, sehr detailliert, die Nummer eines türkischen Ausweises, Vorname, Nachname, Geburtsort, Name der Eltern, Ort der Registrierung und sogar die österreichische Wohnadresse. Und das es Wahlberechtigte in der Türkei sind, darauf soll es keinen direkten Hinweis geben. Die Listen haben unterschiedliche Leute zugespielt bekommen, einer von den Grünen, das ist Peter Pilz, aber auch Journalisten und die rechtspopulistische FPÖ hat sie und auf deren Mühlen ist das natürlich Wasser.
    "Unter Umständen haben Menschen gewählt, die keinen türkischen Pass und kein Wahlrecht hatten"
    Michaelsen: Frau Beer, lässt das denn den Schluss zu, dass es bei der Abstimmung über das türkische Verfassungsreferendum in Österreich nicht mit rechten Dingen zugegangen ist?
    Beer: Naja, aus Sicht von manchen sicherlich, weil eben unter Umständen Menschen gewählt haben könnten, die aus Sicht Österreichs gar keinen türkischen Pass haben dürften und damit natürlich auch kein Wahlrecht in der Türkei. Das ist, denke ich, aus türkischer Sicht allerdings kein Thema, denn mehr als 70 Prozent der in der Türkei wahlberechtigten Österreicher, die abgestimmt haben, haben laut türkischen Angaben für die Verfassungsänderung, also für die Erdogan-Pläne gestimmt, auch wenn die Wahlbeteiligung nicht besonders hoch war.
    Michaelsen: Jetzt ist zu Tage gekommen, dass viele in Österreich lebende Türken die doppelte Staatsbürgerschaft besitzen, was illegal ist, was hat das jetzt für Konsequenzen?
    Beer: Das ist noch nicht ganz klar. Also politisch gesehen, die FPÖ will Einbürgerungen stoppen. Zuständig für doppelte Staatsbürgerschaften sind in Österreich die Länder und deswegen sagt der konservative Bundesinnenminister Sobotka, ich kann gar nicht viel machen, denn ich hab die Listen ja gar nicht. Er sagt, ja, ich könnte mir zum Beispiel eine Geldstrafe vorstellen. Und jetzt sagt der Grüne Peter Pilz, der die Listen hat, ich würde Ihnen die schon geben, aber ich habe Vorbedingungen. Einmal möchte ich, dass sie das ganze koordinieren, also die Länder. Und dann möchte ich zugesichert bekommen, dass die Menschen, die unverschuldet, ohne ihr Wissen eine Doppeltstaatsbürgerschaft haben, dass die keine Nachteile befürchten müssen. Ansonsten wollen die Grünen, das ist die Parteilinie, an der doppelten Staatsbürgerschaft festhalten und keinen Loyalitätskonflikt konstruieren.
    "Eigentlich eine Scheindebatte"
    Michaelsen: Das klingt alles sehr kompliziert. Worauf müssen sich denn die in Österreich lebenden Türken jetzt einstellen?
    Beer: Ja, also was ich eben sagte, es ist unklar, wie es genau weiter geht, denn man muss ja erst Mal schauen, wie und was überhaupt eruiert werden kann, wen das überhaupt betrifft. Ansonsten kann man es vielleicht wieder auf eine allgemeinere Ebene heben und sagen, worum geht es eigentlich jetzt? Denn diese doppelte Staatsbürgerschaft kam ja eigentlich als Thema auf die Debatte, weil es vor dem Verfassungsreferendum sehr viel Streit auch in Österreich gab um die Menschen, die hier leben und die möglicherweise keine demokratische Einstellung haben könnten.
    Und viele sagen auch jetzt hier, das ist eigentlich eine Scheindebatte, die wir führen, klar müssen wir das klären, aber wir sollten doch lieber in Ruhe überlegen, was läuft hier schief und nicht alle Leute in einen Topf werfen. Also das ist wahrscheinlich wichtig in Blick auf die Integration. Und außerdem werden hier auch immer wieder Prominente angeführt mit doppelter Staatsbürgerschaft und in Österreich ist das natürlich nicht immer ganz ernst gemeint, Arnold Schwarzenegger.