Donnerstag, 18. April 2024

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LinkedIn, Xing und Co.
Ist das Journalismus?

Die großen Medienhäuser liefern aus ihren Wirtschaftsressorts viele Inhalte zu Karriere oder Gehalt. Doch auch Job-Netzwerke wie LinkedIn und Xing berichten immer häufiger über diese Themen - und leisten sich dafür eigene Redaktionen.

Von Burkhard Schäfers | 20.10.2020
Mehrere am Computer generierte Menschen stehen nebeneinander.
Karriere-Netzwerke dienen nicht nur der "Vermarktung" ihrer Nutzer (imago)
"Unser Selbstverständnis ist, dass wir alles Journalisten sind. Wir trennen relativ scharf zwischen dem, was wir tun und dem, was unsere Marketingabteilung macht. Wir sind aber natürlich keine Investigativ-Redaktion, die den Wirecard-Skandal aufarbeitet oder entdeckt. Dafür haben wir nicht die Ressourcen."
20 Journalistinnen und Journalisten arbeiten im Team von Astrid Maier, der Chefredakteurin von Xing News. Das Netzwerk betreibt eine eigene Redaktion, die Newsletter und Beiträge verfasst. Vor allem aber trägt sie Inhalte aus verschiedenen Quellen zusammen – und versucht, den 18 Millionen Nutzerinnen und Nutzern von Xing möglichst personalisiert Nachrichten je nach deren Interessengebiet anzuzeigen. Von Automobil über Medizintechnik bis zum Thema Geld.
Mehr Nutzer*innen durch redaktionelle Inhalte
"News machen wir natürlich, um die Nutzerinnen und Nutzer auf der Plattform zu halten, um die Aktivitäten zu steigern und natürlich auch neue Nutzerinnen hinzuzugewinnen. Aber das ist ja kein verwerfliches Ziel. Auch im Journalismus wird sich keiner grämen, wenn es mehr Nutzerinnen und Nutzer gibt."
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Journalistische Beiträge steigern die Reputation des Netzwerks und sorgen im besten Fall dafür, dass Menschen möglichst viel Zeit dort verbringen. Der direkte Konkurrent LinkedIn mit 15 Millionen Nutzern im deutschsprachigen Raum leistet sich ebenfalls eine Redaktion mit vier Beschäftigten, erzählt deren Leiterin Sara Weber:
"Wir machen eigene Inhalte, zum Beispiel hatten wir ein Live-Interview mit Gesundheitsminister Jens Spahn. Aber wir kuratieren auch Inhalte, also wir schauen, was sind Diskussionen, die auf LinkedIn stattfinden, geben ein bisschen Kontext, ordnen das Ganze ein. Und wir machen auch eine Sache, die wir ‚kultivieren‘ nennen: Sprich wir gehen direkt auf Personen zu, die wir spannend finden, damit die auf LinkedIn aktiv werden."
Herbert Diess und Sebastian Kurz als "Influencer"
Diese – LinkedIn nennt sie – "Influencer" veröffentlichen eigene Beiträge auf der Plattform. Darunter sind VW-Chef Herbert Diess und der österreichische Kanzler Sebastian Kurz. Oder Sabina Jeschke, im Vorstand der Deutschen Bahn für Digitalisierung verantwortlich. Vor kurzem schrieb Jeschke auf LinkedIn News einen langen Artikel über die neue WLAN-Kampagne der Bahn. Frage an Redaktionsleiterin Sara Weber: Ist das Journalismus?
"Ja, wir haben diesen Beitrag ausgewählt. Aber wir haben auch Kommentare von Journalistinnen und Journalisten dazu ausgewählt, von Mitgliedern, die darauf eingegangen sind. Das ist im Prinzip so ähnlich, wie wenn man ein Zitat der Bahn in einen Artikel zu dem Thema einbetten würde."
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"Wissen einer breiten Leserschaft näherbringen"
Der Eindruck ist: In den Plattform-Redaktionen wandelt sich das Verständnis von Journalismus. Nachrichtliche Artikel aus klassischen Medien wie Spiegel, Handelsblatt oder Wirtschaftswoche mischen sich mit Meinungs-Beiträgen von Firmenchefs, Expertinnen und Promis. Astrid Maier von Xing News sagt: "Das sind natürlich ganz viele Menschen die auch Coaches sind oder die generell ein starkes Sendungsbewusstsein haben. Und die nutzen unsere Plattform, um ihr Wissen einer breiten Community näherzubringen. Dafür sind ja Netzwerke ursprünglich auch mal gegründet worden."
Aufgabe der Redaktion sei es, die Fachleute auszuwählen, sie beim Schreiben zu beraten und Überschriften zu texten. Selbst recherchierte Beiträge bieten die Netzwerke vergleichsweise wenig an. Xing hatte kürzlich einen Schwerpunkt zur Zukunft der Bildung.
"Da hat dann Frank Thelens Beitrag mit der Frage 'Sollen Kinder lernen wie Jeff Bezos und Elon Musk zu denken?' für ziemlich viel Aufmerksamkeit gesorgt. Das Thema ist aufgegriffen worden auch von anderen sozialen Medien. Und genau solche Diskussionen wollen wir mit der Redaktion anstoßen. Also was sind die Themen, die derzeit unsere Gesellschaft bewegen, welches sind die Themen, die relevant sind für den Arbeitsmarkt, für die Wirtschaft. Das ist ein Ziel, das wir uns als Redaktion gesetzt haben."
Unterschiede zu klassischen Medien
An einem Punkt unterscheiden sich die beiden Job-Netzwerke: Bei Xing News können nur ausgewählte Autorinnen und Autoren publizieren. Bei LinkedIn News können alle Mitglieder Inhalte veröffentlichen. Sara Webers Team macht daraus, kombiniert mit aktuellen Nachrichten, eine sogenannte 'Auswahl der Redaktion'. Und was unterscheidet die Plattform von klassischen Medien?
"Dass wir einfach anders auch in Dialog gehen. Wir publizieren nicht nur Inhalte und arbeiten an einer Sache, veröffentlichen sie und dann arbeiten wir an der nächsten Sache und veröffentlichen die. Sondern schauen wirklich, welche Diskussionen passieren. Aber dass wir journalistische Qualitätsstandards anlegen, das machen wir genau wie andere Redaktionen auch."
"Arbeitswelt steht im Vordergrund"
Zwar plant das weltweit agierende Netzwerk – eine Microsoft-Tochter – neue Funktionen: etwa Storys ähnlich wie bei Instagram. Aber, so Weber, "wir wollen natürlich auch, dass da die Arbeitswelt und die Wirtschaftswelt im Vordergrund steht. Wir sind eine berufliche Plattform, wo man jetzt nicht unbedingt Babyfotos und Tierbilder teilen sollte."
Letztlich also geht es um einen beruflichen Mehrwert: Die Redaktionen von LinkedIn und Xing sollen dazu beitragen, dass ihre Nutzer möglichst lang auf den Netzwerken verweilen und ihnen treu bleiben.