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Tunesien
Star Wars als Tourismus-Motor

Große Teile der Weltraum-Saga Star Wars wurden in Tunesien gedreht. Auch fast 40 Jahre später profitiert das nordafrikanische Land noch immer davon: Der Drehort-Tourismus lockt zahlreiche Fans und soll, wenn es nach dem Staat geht, noch weiter ausgebaut werden.

Von Werner Bloch | 16.08.2015
    Kulissen für den Film "Krieg der Sterne" (Star wars) in Nefta (Tunesien) in der Wüste.
    Kulissen aus "Krieg der Sterne" in der Wüste von Nefta. (picture alliance - Oliver Berg)
    Nur drei Flugstunden von Europa – dann dringt man in den Weltraum ein, in eine "weit, weit entfernte Galaxie", wie es heißt. Anschließend Landung auf dem Planeten Tatooine, einem heißem, ärmlichen und kargen Gestirn, auf dem die Schlüsselpassage der Saga spielt – und schon ist man mittendrin in Star Wars.
    "Wir haben das Gefühl, dass Star Wars uns Tunesiern gehört"
    Eine Stadt namens Tataouine gibt es tatsächlich: Im Süden Tunesiens, am Rand der Sahara, zwischen Wüste, Salzseen und Gebirgen. In diesem Universum, rund drei Stunden von der Insel Djerba, entstand der bis dahin erfolgreichste Kinofilm aller Zeiten. Der Regisseur Medarbi Soualhia, 36 Jahre alt – rote Wollmütze, große Brille, Vollbart. Für ihn gehört Star Wars zur tunesischen Identität.
    "Wir haben das Gefühl, dass Star Wars uns Tunesiern gehört. Die Kostüme, die Landschaften, die Lukas inspiriert haben, um zum Beispiel die Landschaft der Jedi-Ritter zu schaffen – all das stammt ja aus Tunesien. Die Architektur in dem Film wurde durch Häuser in Djerba inspiriert, die gibt es wirklich. Ich habe Star Wars mit zehn Jahren gesehen. Aber erst mit 14 erfuhr ich, dass der Film in Tunesien gedreht wurde. Dann habe ich ihn mir nochmal angeguckt, um das Tunesische daran zu sehen. Ich weiß nicht, ob das Patriotismus war oder Stolz. Jedenfalls bin ich seitdem Fan."
    Die Reise beginnt in einem Bergdorf namens Matmata. Kurve für Kurve steigt die Straße in Serpentinen an, gibt den Blick frei auf das ziegelrote Dahar-Gebirge vor uns und die gigantische Ebene im Rücken. Matmata, von Berbern besiedelt, ist ein fast unsichtbares Dorf. Denn viele Häuser sind hier nach unten gebaut, in die Erde hinein, wie riesige Bienenwaben – aus Schutz vor der Sonne, aber auch aus Furcht vor Angreifern aus der Ebene.
    Eine trichterförmige Höhle führt tief ins Innere des Berges. An den Wänden kleben noch alte, verwelkte Fotos von den Dreharbeiten. Hier, in Sidi Driss, soll Luke Skywalker bei seinen Pflegeeltern aufgewachsen sein. Heute noch stehen im Innern der Wohnhöhle 145 Feldbetten herum, ein Überbleibsel der Dreharbeiten; doch so richtig einladend sieht das nicht aus. Schlafen möchte hier niemand der angereisten Star Wars Fans. Heute kommen Fans aus der ganzen Welt hierher, auch aus Deutschland.
    "Ich bin Star-Wars-Fan von Kindheit an. Ich habe den Film das erste Mal als ich zehn Jahre alt war gesehen und davor nur Zeichentrickfilme wie Schneewittchen und Bambi. Nun fangen die da an, mit ihren Fahrzeugen durch den Raum zu fliegen. Das hat mich nicht mehr losgelassen."
    Susanne Doepke ist eines der zehn Gründungsmitglieder des Star-Wars-Fanclub Deutschland. Sie würde wohl jede Strapaze auf sich nehmen, um dem Set ihrer Idole und ihres geliebten Films einmal ganz nahe zu sein.
    In ihrem Rucksack hat sie zwei Figuren mitgebracht, die beiden Roboter R2D2 und C3PO, extra für die Reise gekauft. Die etwa 40 Zentimeter hohen Figuren platziert sie an verschiedenen Mulden und kleinen Hügeln liebevoll im Wüstensand. Dann kniet sie sich ehrfürchtig vor den Figuren und fotografiert sie – als frommes Mitbringsel für die Lieben daheim.
    "Wir haben vor uns zwei der beliebtesten Figuren: einmal diesen goldenen Roboter C3PO und dann R2D2, diesen kleinen blau-weißen, der immer hüt hüt macht. Die sind ein bisschen wie old couple. Der kleine R2D2, der ein bisschen aussieht wie ein Mülleimer, kann sich in Schiffe einloggen. C3PO ist ein Protokolldroide und kann x Sprachen und auch Binärsprachen sprechen."
    Wenn Susanne Doepke ihre Figuren wieder einsammelt, bleibt Sand an ihnen kleben – und das ist für sie fast schon ein magischer Akt.
    "Da ist überall Sand dran, heiliger Sand, wie meine Freundin sagt. Bring mir heiligen Sand mit!"
    Star Wars in Tunesien – das wirkt manchmal beklemmend echt. Plötzlich steht ein Bettler vor uns – in seiner wollenen Kutte mit spitzer Kapuze, genau so wie wir diese Figuren aus Star Wars kennen – es ist aber ein ganz realer Bettler, der als Tausch gegen ein Almosen kleine Anstecknadeln anbietet. Von diesem Kleidungsstück ließt sich George Lucas inspirieren, und so steckt immer wieder eine Menge Tunesien in Star Wars, mehr als man vielleicht glaubt.
    Einstige Kulisse von Wanderdüne begraben
    Ein anderer Drehort liegt rund 300 Kilometer entfernt, im Westen Tunesiens, fast schon an der algerischen Grenze. Hier liegt die Wüstenstadt Mos Espa, ein Weltraumdorf, in dessen Kulissen man heute noch spazieren gehen kann. Hier fand das berühmte Wettrennen zwischen Luke Skywalker und seinem Herausforderer aus dem bösen Imperium statt. Diese Kulissenbauten findet man nahe der Oase Nefta, sie sind sandig-braun und ocker, glatt geschmirgelt von Sandstürmen, die damals auch der Filmcrew von George Lucas zu schaffen machten und die Dreharbeiten hinauszögerten.
    "Dass dieses Dorf noch da steht, Mos Espa, wo man reingehen kann und sieht, dass das Kulissen sind, Holzgestelle dahinter und dann sieht es aus wie eine Lehmwand und dann liegt da noch ein alter Kühlschrank drin, ich find es toll, da als Fan mal reingehen zu können und einfach mal zu sagen: ich bin jetzt hier."
    So ganz selbstverständlich ist das nicht. In den letzten Jahren hatte sich eine große Wanderdüne über Mos Espa gelegt und die Kulisse begraben; erst vor Kurzem hat ein Team vom Star-Wars-Fanclub Tunesien das Filmdorf wieder freigelegt. Inzwischen werden hier sogar Raves mit über 6.000 Teilnehmern veranstaltet, die aus Tunis und sogar aus Frankreich angereist kommen und Star Wars auf ihre Weise Tribut zollen.
    Medarbi Souilhac hat auf seine Weise dazu beigetragen. Er hat Star Wars ganz neu in Szene gesetzt und aktualisiert. Er hat ein Video nach dem Hit "Happy" von Pharrell Williams gedreht, und er ist stolz, dass Pharrell Williams den kleinen Film auch noch geliket und empfohlen hat. Da werden Lichtschwerter gezückt, da tanzen die Soldaten des Imperiums in weiß-schwarzen Anzügen entlang den palmenbestandenen Straßen von Nefta und Tozeur, Städte am Rand des Salzsees Schott el-Djerid, die ganz in der Nähe der Drehorte liegen.
    "Es gibt zwölf Drehorte von Star Wars in Tunesien. Es gibt natürliche Landschaften wie den Canyon, in dem Luke Skywalker von den Sandgeistern überfallen wird, es gibt die Düne, aber auch Bauwerke wie das Haus von Obi Wan Kenobi in Djerba. Die Fans muss man auf Straßen und Wanderwegen dorthin führen. Für mich ist der wichtigste Ort die trichterförmige Behausung Sidi Driss, die in der ganzen Saga vorkommt. Wenn George Lucas nach Tunesien kommt, fährt er erst mal dorthin. Das ist das Haus von Luke Skywalker – keine Kulisse, sondern ein echtes Haus."
    Heute gibt es hier einen Drehorttourismus, wie man ihn etwa aus "Herr der Ringe" kennt. Bei "Herr der Ringe" in Neuseeland waren die Kulissen aus Gründen des Naturschutzes sogar abgerissen worden. Danach wurden sie wegen des Andrangs der Fans wieder aufgebaut. In Tunesien hat man das Problem nicht. Dort ist alles erhalten geblieben.
    Nur: Wie soll man sie finden, diese Orte in der Wüste und weit abgelegenen Gebirgen, zu denen kein Hinweisschild führt? Ohne Karte und Führer ist das kaum möglich. Der Vorsitzende des tunesischen Star-Wars-Fanclubs, Abderrahman Ameur:
    "Unser Star-Wars-Fanclub will Führer ausbilden, die den Touristen zeigen, wo eine bestimmte Szene gedreht wurde, aus welchem Blickwinkel die Kamera schaute, dort ist der Jedi herausgekommen, hier war der Kampf usw. Wir wollen den Leuten Lust machen, die Filme zu schauen."
    Neue Star-Wars-Folge wurde in Abu Dhabi gedreht
    Im Dezember kommt die vorerst letzte Folge von Star Wars heraus – allerdings nicht mehr von George Lucas produziert, sondern von Disney, das alle Rechte gekauft hat. Und gedreht nicht in Tunesien, sondern in Abu Dhabi. Zweifellos des Geldes wegen, das in Abu Dhabi sprudelt. Dort will man sich als Filmland etablieren. Medarbi Souiljia:
    "Abu Dhabi – naja, das ist ein Geschäft. Die wollen Reklame für sich machen. Ich gebe zu: Ich bin ein bisschen eifersüchtig. Aber für Leute, die die Filme in den 70er-Jahren gesehen haben, bleibt das echte Star Wars hier in Tunesien. Die Leute sammeln ja hier Sand ein. Sie glauben wirklich, dass sie sich auf dem Planeten Tatooine befinden."
    Keine Frage: Tunesien hat das geografische und touristische Copyright auf Star Wars, es ist die Primärmarke, hat das Siegel – und lockt Filmproduktionen an, wie die Tourismusministerin Elloumi Rekik betont. Filme wie "Der englische Patient" sind ja hier gedreht worden.
    "Wir wollen den Himmel über der Wüste öffnen, wir wollen, dass mehr Airlines den Süden Tunesiens anfliegen und in Tozeur landen – da, wo auch die Kulissen von Star Wars sind. Wir wollen einen Top-Kulturtourismus entwickeln. Star Wars ist ein wichtiger Teil dieser Strategie. Jetzt melden sich sogar Filmstudios aus Europa und den USA. Sie haben angekündigt, internationale Stars nach Tunesien zu bringen – und werden unser Land so auch bekannter machen."
    Anmerkung: Bei der Entstehung dieses Beitrages übernahm das tunesische Fremdenverkehrsamt Kosten für Flug, Unterbringung und Transfers.