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Turbulenzen voraus

Nicht nur die Temperaturen werden sich erhöhen: Die Auswirkungen des globalen Klimawandels könnten auch Flugpassagiere zu spüren bekommen. Ein Aufsatz im Fachmagazin "Nature Climate Change" hat untersucht, wie turbulent es auf Überseeflügen im Jahr 2050 zugehen könnte.

Wissenschaftsjournalistin Dagmar Röhrlich im Gespräch mit Ralf Krauter | 08.04.2013
    Ralf Krauter: Wenn man im Flugzeug sitzt und plötzlich das Gefühl hat, den Boden unter den Füßen zu verlieren, dann schieben Laien die Schuld gerne auf Luftlöcher. Streng wissenschaftlich gesehen gibt es die natürlich gar nicht. Es gibt in der Luft keine Löcher, sondern höchsten Turbulenzen. Deren Effekt auf den Magen kann aber durchaus durchschlagend sein. Und er könnte bei Transatlantikflügen künftig häufiger auftreten. Das zumindest prophezeien Forscher heute im Fachmagazin "Nature Climate Change". Dagmar Röhrlich hat sich am Rande der Geophysiker-Tagung in Wien mit ihnen unterhalten und ist uns jetzt von dort zugeschaltet. Frau Röhrlich, dem Luftverkehr drohen unruhige Zeiten. Was genau bringt die Forscher zu dieser Erkenntnis?

    Dagmar Röhrlich: Sie haben mit Supercomputern Simulationen gerechnet – und zwar über das Geschehen über dem Nordatlantik. Den deshalb, weil da jeden Tag 600 Flüge zwischen Nordamerika und Europa hin und her gehen. Und das ist soviel, dass sich da halt Auswirkungen sehr schnell zeigen werden. Sie haben zwei Simulationen berechnet. Einmal, wie die Atmosphäre in vorindustrieller Zeit ausgesehen hat – und dann haben sie untersucht, wie die Atmosphäre aussehen wird, wenn doppelt so viel Kohlendioxid drin ist. Und das wird so etwa gegen 2050 der Fall sein. Und dann haben sie geschaut: Wie würde sich das dann auf den Flugverkehr auswirken?

    Krauter: Und das Ergebnis war – wir haben es schon ein bisschen vorweggenommen: Es wird deutlich holpriger über dem Nordatlantik.

    Röhrlich: Ja, und zwar weil der Klimawandel den Jetstream beeinflusst. Das ist ein Starkwindband hoch über unseren Köpfen in der Tropopause. Und das kann man sich vielleicht wie einen riesigen Fluss vorstellen durch die Atmosphäre. Dieser Fluss ist nicht ganz ruhig und stabil, sondern er verlagert sich – fließt mal schneller, fließt mal langsamer. Und durch den Klimawandel – davon gehen die Forscher aus – soll dieser Jetstream stärker werden. Und damit instabiler. Und das soll für mehr Turbolenzen sorgen. Und genau das hat Paul Williams von der University of Reading dann berechnet. Und sein Ergebnis war, dass die Stärke der Turbolenzen bis Mitte des Jahrhunderts um bis zu 40 Prozent steigen soll. Und zum anderen sollen sie häufiger werden. Also die betroffene Fläche soll sich verdoppeln im Luftraum. Das heißt, von einem Prozent im Luftraum heute dann auf zwei Prozent.

    Krauter: Das klingt aber doch – von einem auf zwei Prozent – natürlich eine Verdopplung, aber lokal insgesamt immer noch ein sehr begrenztes Areal, was dann Probleme machen könnte.

    Röhrlich: Aber es ist für den Passagier spürbar. Man muss sich da vor Augen führen, was heute los ist. Es ist so, dass derzeit einige zehntausend Flugzeuge pro Jahr in Turbulenzen geraten, einige hundert Personen werden dabei verletzt. Und die jährlichen Schäden belaufen sich auf mehr als 100 Millionen Euro. Und diese Zahlen werden steigen.

    Krauter: Lassen sich diese Turbolenzen denn nicht einfach umfliegen? Wo ist da das Problem?

    Röhrlich: Es geht dabei jetzt nicht um Turbolenzen bei einem Gewitter, sondern um Turbolenzen in wolkenfreier Luft, also auf der Reiseflughöhe über den Wolken. Die sind für den Piloten einfach unsichtbar. Sie lassen sich auch derzeit noch nicht über die Bordelektronik wahrnehmen. Die Meteorologen haben zwar Vorhersagesysteme entwickelt, aber die sind nicht perfekt. Die kommen also sehr oft unerwartet … treffen die Flugzeuge dann auf sie. Und bislang ist die wichtigste Information immer das Flugzeug, das vor der eigenen Maschine fliegt. Diese Piloten warnen sich dann einander. Und das schlimmste ist halt eigentlich der Pilot der ersten Maschine am Tag – in dem Fall beißen nämlich den ersten die Hunde, sprich diese Flüge sind dann besonders Unruhig.

    Krauter: Was bedeutet diese Prognose von Klimaforschern konkret für den Luftverkehr? Ist damit zu rechnen, dass da Flieger vom Himmel fallen oder wird’s vor allem an Bord vielleicht vermehrt zu Unfällen kommen, weil es unruhiger wird?

    Röhrlich: Also mit Abstürzen rechnet da jetzt niemand. Aber die Piloten werden häufiger turbulente Zonen umfliegen müssen, es wird längere Flugwege geben. Das wiederum bedeutet eine höhere Luftverschmutzung durch den Flugverkehr und auch steigende Ticketkosten, weil ganz einfach mehr Treibstoff verbraucht wird. Und Verspätungen natürlich – denn man muss ja im Zickzackflug sozusagen durch die Gegend fliegen. Um die Folgen zu minimieren, wollen die Meteorologen zum einen bessere Vorhersagesysteme entwickeln, und man arbeitet auch an Systemen wie dem Lidar, wo also mit Laserstrahlen entdeckt werden soll, was da jetzt an Turbulenzen vor dem Flugzeug ist. Aber das ist alles noch nicht da, das ist noch Zukunftsmusik.