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Turnier der Handballzwerge
Wie Herr Moustafa die Europäer provoziert

Seit 14 Jahren regiert Hassan Moustafa als Präsident die Internationale Handball-Föderation. Eine Opposition gegen ihn existiert seit Jahren nicht mehr. Mit seiner überraschenden Idee, kleine europäische Handballverbände zu einem Turnier einzuladen, brüskiert der Ägypter nun den europäischen Kontinentalverband und die Klubs.

Von Erik Eggers | 19.10.2014
    Hassan Moustafa, der Präsident des Handballweltverbandes IHF, hatte den europäischen Spitzenklubs zuletzt die Friedenspfeife gereicht. Der Grund: Die Klubs waren sauer, dass sie ihre Spieler – vom Weltverband verordnet – an vielen Tagen im Jahr für die Nationalmannschaften abstellen müssen. Dagegen hatten sie von dem Landgericht Dortmund geklagt. Und in erster Instanz gegen die IHF auch gewonnen.
    Die Folge: Der Welthandballverband kam der zentralen Forderung der Klubs nach. Er beschränkte die Zeit, in der Nationalspieler von den Klubs für die Nationalmannschaften abgestellt werden müssen, auf 60 Tage pro Jahr. Es spricht viel dafür, dass die Klubs nun ihre Klage zurückziehen.
    Nun hat der Ägypter Moustafa jedoch an anderer Stelle das Kriegsbeil wieder ausgegraben. Die IHF hat nämlich im September beschlossen, ab dem kommenden Jahr die Emerging Nations Championship auszutragen, ein Turnier also, mit dem kleinere Mitgliedsverbände entwickelt werden sollen. Die Siegprämie soll 20.000 Schweizer Franken betragen. Außerdem erhalten die Teilnehmer je 200 Bälle und anderes Handball-Equipment.
    Angesprochen sind Handballzwerge wie Andorra, Malta, Georgien, Estland, Lettland, England, Schottland, Georgien, Kosovo, die Färöer-Inseln, Irland oder Israel. Erstaunlicherweise ist auch Island mit von der Partie. Dabei ist der Olympia-Zweite von 2008 beileibe kein Handballentwicklungsland. Alle genannten Handballverbände befürworten diese Idee ausdrücklich. Das Kosovo, Georgien und Israel würden das Premierenturnier gern ausrichten.
    Initiative geht am EHF vorbei
    Das Problem an dieser Initiative liegt darin, dass es sich ausschließlich um europäische Teilnehmer handelt, für die eigentlich die Europäische Handball-Föderation (EHF) zuständig ist. Die EHF fühlt sich, gelinde formuliert, überrumpelt vom Weltverband. Speziell die Idee Moustafas, dem Turniersieger ein Ticket in der EM-Qualifikation zu überlassen, einer rein europäischen Veranstaltung, betrachten die EHF-Funktionäre als Affront.
    EHF-Generalsekretär Michael Wiederer erklärte auf Anfrage des Deutschlandfunks diplomatisch: „Wir wissen noch zu wenig darüber. Aber wir sind sehr überrascht von dieser Idee."
    Doch nicht nur auf der Ebene der Dachverbände birgt das neue Turnierformat großes Krisenpotenzial. Auch die Klubvertreter sehen diese Idee angesichts der Termindichte sehr kritisch. Sie fürchten, dass Profis unter zusätzlichen unsinnigen Belastungen leiden würden wie etwa der stärkste estnische Internationale Mait Patrail, der in Hannover-Burgdorf spielt. Die Überlegung des Weltverbandes sei ja im Grundsatz richtig, teilt Hannovers Manager Benjamin Chatton mit.
    „Aber ich glaube, dass ein solches Turnier für Profis wie Mait Patrail nicht den richtigen sportlichen Anreiz bietet. Auch fehlt mir doch die geistige Frische, bei dem dichtgedrängten Kalender zusätzliche Termine zu entdecken."
    Das sind Argumente, die in der Basler IHF-Zentrale ignoriert werden dürften. Denn zur Geschäftspolitik des Handballpräsidenten Moustafa gehört von jeher die Pflege der kleinen und kleinsten Nationalverbände, um seine Mehrheit im Weltverband abzusichern. Die Europäer jedenfalls sind nun unter Zugzwang. Noch ist unklar, wie sie politisch auf den IHF-Vorstoß reagieren. Viel Zeit haben sie nicht. Mitte November treffen sich die Dachverbände in Wien, um den Rahmenterminkalender für die nächsten Jahre festzulegen.