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Tutanchamun-Ausstellung
Auf den Spuren des Entdeckers

Am 4. November 1922 entdeckte Howard Carter das weitgehend unversehrte Grab des Pharaos Tutanchamun. Carter dokumentierte seinen Fund akribisch, sein Grabungsfotograf Harry Burton lieferte gestochen scharfe Bilder. Dieser Sternstunde der Ägyptologie widmet sich nun eine Ausstellung im München – die besonders die denkwürdige Person Howard Carter in den Blick nimmt.

Von Barbara Weber | 02.04.2015
    Die Totenmaske des Tutanchamun im ägyptischen Museum in Kairo
    Die Totenmaske des Tutanchamun im ägyptischen Museum in Kairo (dpa / picture alliance / Matthias Tödt)
    Tutanchamun ist eine der rätselhaftesten Figuren der Geschichte. Der junge König hinterließ kaum Spuren seiner Regierungszeit. Dass Tutanchamun heute als der bekannteste Pharao des alten Ägypten gilt, liegt an einem jungen Mann, der rund 3200 Jahre nach ihm geboren wurde: Howard Carter."
    "Howard Carter ist mit Sicherheit kein einfacher Mensch gewesen, wenn ich das mal so sagen darf, aber eine hochinteressante Persönlichkeit und hochtalentiert als Zeichner und als Archäologe", sagt Dr. Wolfgang Wettengel, wissenschaftlicher Leiter der Ausstellung. "Er ist im Jahr 1891 nach Ägypten gegangen. Er war damals lediglich 17 Jahre. Er findet eine Anstellung als archäologischer Zeichner bei einem der renommiertesten Ausgräber damals. Und dort lernt er auch schon sehr früh zu graben."
    Carter macht eine erstaunliche Karriere.
    "Im Jahr 1900 wird er Chefinspektor für den Bereich Oberägypten."
    Nach einem Streit mit Touristen kommt es zu diplomatischen Verwicklungen. Carter wird zur Persona non grata, und schlägt sich die nächsten Jahre als freischaffender Künstler und Antiquitätenhändler durch.
    "Bis er Lord Carnarvon kennenlernte, und dann haben die Beiden etwa 1908/1909 ihre Zusammenarbeit begonnen."
    Nach Jahren nur mäßig erfolgreicher Grabungen und finanzieller Engpässe will der Sponsor Lord Carnavon die Zusammenarbeit einstellen.
    "Carter hat ihm mehr oder weniger eine letzte Kampagne im Herbst 1922 abgetrotzt. Und das war dann auch genau der Zeitpunkt, wo Carter im November 1922 das Grab Tutanchamuns entdeckte, sozusagen auf den allerletzten Drücker."
    "Bald tauchten im Halbdunkel die Einzelheiten auf, seltsam anmutende Tiere, Statuen und Gold, überall glänzendes, schimmerndes Gold, eine ganze Kammer voller Dinge, wie wir sie noch nie gesehen hatten und wie sie schon seit mehr als drei Jahrtausenden niemand gesehen hatte. Staunend standen wir vor drei großen vergoldeten Betten mit merkwürdigen Tierköpfen und langgezogenen Körpern. Drumherum und obendrauf standen zahlreiche fremdartige Gegenstände. Schön bemalte Kisten, kunstvoll gearbeitete Vasen aus Alabaster, ein paar Zepter, schwarze Schreine und verzierte Sessel. Was wir aber unter dem Nilpferdbett sahen, verschlug uns den Atem. Es war der prunkvoll vergoldete Thron des Königs, von oben bis unten mit Gold belegt und mit Glas und eingelegten Steinen reich geschmückt."
    Prunkvoll geschmückte Mumie
    Allein in dieser Vorkammer registrierten Carter und seine Mitarbeiter fast 700 Objekte, deren Lage im Raum genau kartografiert wurde. Jedes Objekt wurde nummeriert, beschrieben, gezeichnet und fotografiert. Carter und sein Team arbeiteten sehr sorgfältig.
    "Von der Vorkammer aus links, da hat Carter festgestellt, dass hier eine Wand durchbrochen wurde von Grabräubern, und dieses Loch führte in die Nebenkammer, die vollkommen zerstört und verwüstet war von den Räubern aus der Antike, während die Sargkammer, die sich nach rechts wendet, wo diese zwei schönen Königsstatuen in schwarz mit der goldenen Kopfbedeckung standen, diese Wand war vermauert worden."
    Dahinter mehrere Schreine, in deren Innersten sich prunkvoll verzierte Särge verbargen, die letzte Ruhestätte des Tutanchamun.
    "Vor uns lagen die Reste eines beinahe vergessenen jugendlichen Pharao, der bisher nicht viel mehr als ein schattenhafter Name war."
    "Das Gesicht der Mumie war bedeckt von einer strahlenden Goldmaske. In Höhe der Oberschenkel fanden Carter und seine Mitarbeiter wieder das Geier- und Schlangenenblem. Zahllose Armreifen schmückten die Unterarme. Zwei gekreuzte Hände aus poliertem Goldblech hielten die königlichen Insignien fest."
    "Es ist gerade in Hinblick auf die Mumie einiges gemacht worden", fasst Dr. Wolfgang Wettengel den aktuellen Forschungsstand zusammen.
    "Man hat im Jahr 2005 CT-Scans angefertigt, das ist diese moderne Röntgentechnik mit Hilfe der Computertomographie, ich möchte jetzt mal diese vielen Nebenbefunde weglassen, man hat als wichtigstes gesehen, dass er eine Deformation am linken Fuß hatte, dass er eine Verkrümmung der Wirbelsäule hatte, und was aber das Sensationelle war, dass über dem linken Knie am Oberschenkel ein alter Bruch sein müsste, der möglicherweise die Todesursache bedeutete.
    Einige Jahre später folgen DNA-Untersuchungen von Tutanchamun und weiteren Mumien aus der 18.Dynastie, um die Verwandtschaftsverhältnisse zu klären.
    Ausstellung basiert auf Carters Vermächtnis
    "Dabei ist man auch auf einige überraschende Ergebnisse gestoßen. Allerdings muss ich sagen, es gibt da Zweifel. Ich würde es mal so zusammenfassen: Also die DNA-Ergebnisse erbrachten, dass die Eltern von Tutanchamun Geschwister gewesen sein könnten, das heißt, Echnaton würde wohl mit aller Wahrscheinlichkeit sein Vater sein, aber auch das ist noch nicht hundertprozentig sicher, es könnte genauso gut der ominöse König Semenchkare sein, der zwischen Echnaton und Tutanchamun kurz regiert hatte, und die Mutter wäre nach den DNA-Tests eine Schwester von Echnaton gewesen, denn der Inzest ist in der Zeit des neuen Reiches im Königshaus so nach dem Vorbild der Geschwisterehe der Götter Isis und Osiris durchaus üblich gewesen, auch deswegen, weil ja die königliche Familie von den Göttern abstammt, und deswegen musste das Blut, und deswegen musste das Blut der Nachkommen möglichst rein bleiben."
    Das Ausstellungskonzept basiert auf einer Besonderheit: dem Vermächtnis des Ausgräbers und seiner Begeisterung für die ägyptische Hochkultur. Der Ägyptologe Wolfgang Wettengel hofft, diese Begeisterung auch bei den Besuchern zu wecken.
    "Das zweite ist natürlich, dass wir mit dieser Kombination aus Grafik, aus Audio-Guide und aus Replikaten die Gesamtheit dieser Geschichte präsentieren können. Wir können einmal den originalen Fundzustand wieder herstellen, was ja in der Ausstellung auch geschieht, dass man einen Blick auf die Objekte werfen kann, so wie Howard Carter sie im November 1922 gefunden hat, und dann noch einmal, in einem zweiten Teil der Ausstellung, die wichtigsten Objekte sehen kann. Das ist eine Sache, die man selbst redend mit Originalen nicht machen kann. Hier ist auch noch ganz entscheidend, dass wir auch Objekte zusammenführen, die im Original bereits getrennt sind."
    In Zusammenarbeit mit dem Griffith Institute in Oxford, das für den Nachlass des Ausgräbers verantwortlich ist, entstand die Sonderausstellung über Howard Carter.
    Das Institut machte auch den größten Teil der Unterlagen Carters online zugänglich.
    "Die Forschung in Bezug auf Tutanchamun ist längst nicht abgeschlossen. Denken Sie daran, dass im Grab fast 5300 Objekte gefunden worden sind. Es ist nur vielleicht ein Drittel wissenschaftlich bearbeitet worden von den Objekten. Es müsste hier einfach mal ein Forschungsprojekt starten, das dies in Angriff nimmt, also alle Objekte einmal wissenschaftlich zu bearbeiten und dann in einen gesamten Kontext zu stellen."