Freitag, 29. März 2024

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TV-Debatte
Ein echter Fünfkampf

Es war lebhaft, es war kontrovers - alles das, was dem Duell am Sonntagabend gefehlt hatte: Im ARD-Streitgespräch lieferten sich die Spitzenkandidaten von Linkspartei, Grünen, CSU, FDP und AfD ein 75-minütiges Wortgefecht, in dem es auch um das Reizthema Flüchtlinge ging. Und: es gab ein dramaturgisches Novum.

04.09.2017
    Alice Weidel (3.vr.), Spitzenkandidatin der AfD, begrüßt am 04.09.2017 bei ihrer Ankunft im Fernsehstudio in Berlin Christian Lindner, Bundesvorsitzender und Spitzenkandidat der FDP (r), dahinter stehen die Spitzenkandidaten (l-r) Sahra Wagenknecht, Fraktionsvorsitzende der Partei Die Linke, Cem Özdemir, Bundesvorsitzender der Partei Bündnis 90/Die Grünen, und Joachim Herrmann (CSU), bayerischer Innenminister.
    Live-Fünfkampf der kleinen Parteien in der ARD (dpa-Bildfunk / Bernd von Jutrczenka)
    Angetreten waren Sahra Wagenknecht (Die Linke), Cem Özdemir (Bündnis 90 / Die Grünen), Joachim Herrmann (CSU), Christian Lindner (FDP) und Alice Weidel (AfD). Die Sendung wurde moderiert von Sonia Seymour Mikich und Christian Nitsche. Der Start verlief noch etwas schleppend - es ging zunächst um das Thema Digitalisierung, danach um die Rente. Auch die CDU schaute gespannt zu (mit #fedidwgugl ist der Slogan "Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben" gemeint).
    Ernstzunehmende Widerworte zwischen den Kandidaten gab es dann beim Thema Europa: Alice Weidel kritisierte die Zinspolitik der EZB - und beklagte, die EZB verstoße gegen europäische Verträge. Auch sei die AfD die einzige Partei, die Kritik an der Euro-Rettungspolitik übe. Cem Özdemir wollte das nicht stehenlassen: "Ich mag diesen anti-europäischen Populismus nicht, weder von rechts noch von links", entgegnete er. Denn: Deutschland profitiere von Europa und der EU.
    Besonders hitzig war die Debatte oder der "Fünfkampf", wie es gemeinhin auch bei Twitter hieß (#fuenfkampf), als es um das Thema Flüchtlinge ging. Die Linken-Politikerin Wagenknecht wandte sich ausdrücklich dagegen, gut integrierte Menschen abzuschieben: Das sei unmenschlich. Sie sprach sich auch dagegen aus, Flüchtlinge nach Afghanistan abzuschieben. Christian Lindner betonte, wer kein Aufenthaltsrecht besitze, der müsse auch "so schnell wie möglich wieder zurück". Dafür müsse es etwa mit Ländern wie Marokko "robuste Verhandlungen" geben.
    Alice Weidel ihrerseits forderte, Menschen ohne gültigen Ausweis gar nicht erst ins Land zu lassen. Und: sie brachte eine neue Obergrenze ins Spiel. Bei Menschen, die nur den subsidiären Schutz genössen, da müsse man über so eine Grenze nachdenken, vielleicht in der Größenordnung von 10.000. Subsidiärer Schutz wird gewährt, wenn Menschen in ihrer Heimat "ernsthafter Schaden" droht, etwa durch Folter, Todesstrafe und Kriegshandlungen.
    In diesem Zusammenhang ging es dann auch um den Familiennachzug. Joachim Herrmann stellte klar, dass er es für richtig hält, wenn Menschen mit subsidiärem Schutz ihre Familie nicht nachholen dürfen (so gilt es zurzeit, die Regelung ist allerdings vorübergehend ausgesetzt, die Verlängerung ist umstritten). Cem Özdemir verwies auf die Haltung der Kirchen - dass nämlich Familiennachzug die Integration erleichtere.
    Insgesamt verlief die Debatte auch darum lebhafter als das Duell Merkel / Schulz, weil jeder der fünf Kandidaten eine Frage an eine/n der anderen richten durfte. Alice Weidel fragte Sahra Wagenknecht, was sie von offenen Grenzen für alle halte. Die Antwort: Das sei eine Zukunftsvision. Man könne nicht alle Menschen ins Land lassen, die kommen wollten. Dafür sei das Wohlstandsgefälle zu groß.
    Sahra Wagenknecht ihrerseits nutzte die Gelegenheit und fragte Alice Weidel, wie sie zu den "Halbnazis" (Zitat Wagenknecht) in der AfD stehe, sprich: zum rechten Flügel. Ob das ok sei? Weidel entgegnete, in einer Partei wie der AfD mit ihren 28.000 Mitgliedern seien das Einzelfälle. Und gegen die gehe man auch mit Parteiordnungsverfahren vor.
    Auch die Grünen ließen sich eine Reaktion darauf nicht nehmen.
    Lesen Sie hier auch nochmals unseren Liveblog der Debatte nach.
    (jcs/db)