Selbstmord-Anschlag in Istanbul

"Türkische Politik kann die Lage nicht beruhigen"

Nach dem Selbstmord-Anschlag in Istanbul: Polizisten durchkämmen Straßen in der Nähe des Anschlagsortes.
Polizisten durchkämmen Straßen in der Nähe des Anschlagsortes. © dpa / EPA / Tolga Bozoglu
Kristian Brakel im Gespräch mit Oliver Thoma · 19.03.2016
Nach dem zweiten Anschlag in der Türkei innerhalb von nur einer Woche haben viele Menschen Angst, selbst Opfer eines Attentats zu werden. Die Stimmung sei "nervös", berichtet Kristian Brakel von der Heinrich-Böll-Stiftung in Istanbul.
Beim zweiten Selbstmordanschlag innerhalb einer Woche in der Türkei sind in Istanbul fünf Menschen getötet worden, darunter auch der Attentäter. 36 wurden verletzt, unter ihnen auch zwölf ausländische Staatsbürger. Das teilte der türkische Gesundheitsminister Mehmet Müezzinoglu am Samstag nach einem Anschlag in einer Einkaufsstraße in der Istanbuler Innenstadt mit. Sieben der Opfer seien schwer verletzt. Unter den Verletzten seien auch drei Israelis, berichtete die Nachrichtenseite Ynet news unter Berufung auf Kreise aus dem Außenministerium.
Über die Urheber des Anschlags ist noch nichts bekannt. Erst am vergangenen Sonntag hatte es in der Hauptstadt Ankara einen Anschlag mit 37 Toten gegeben, zu dem sich eine Splittergruppe der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK bekannt hatte.

Scharfe Sicherheitsvorkehrungen und Repressalien

"Die türkische Politik ist nicht in der Lage, eine Beruhigung der Lage herbeizuführen", sagt Kristian Brakel, der das Büro der Heinrich-Böll-Stiftung in Istanbul leitet.
Im Programm von Deutschlandradio Kultur berichtete Brakel am Samstag von scharfen Sicherheitsvorkehrungen und Repressalien gegenüber den Medien. Bereits während der vergangenen Tage sei das Büro der Stiftung geschlossen gewesen. Es liege direkt hinter dem deutschen Generalkonsulat, das am Donnerstag geschlossen worden war, sagte Brakel, der als politischer Analyst für verschiedene Nichtregierungsorganisationen, die Vereinten Nationen und die EU im Nahen Osten und Nordafrika tätig war.

Anti-Terror-Maßnahmen nicht effektiv genug

"In den kurdischen Gebieten lebt die Zivilbevölkerung durchaus schon länger mit der Gewalt, und jetzt kommt es nach und nach in die türkischen Städte im Westen des Landes", sagte Brakel. Das mache viele Menschen "nervös". Die Anti-Terror-Maßnahmen der türkischen Regierung seien anscheinend "nicht effektiv genug".
Durch die unsichere Lage und die weitere Verschärfung der Sicherheitsmaßnahmen seien zunehmend auch die Arbeitsmöglichkeiten für Journalisten betroffen. So sei die Arbeitserlaubnis vieler deutscher Journalisten seit Anfang des Jahres nicht verlängert worden. Als Beispiel nannte Brakel Hasnain Kazim, den Korrespondenten von "Spiegel online".
Von den inländischen Kollegen seien vor allem diejenigen betroffen, "die für Oppositionsmedien arbeiten, oder die über Dinge berichten, wie etwa den Kurdenkonflikt, die der Regierung nicht lieb sind. Die sind natürlich von Repressalien betroffen und etwa davon, dass auch ihr Sender mitten in der Sendung abgeschaltet wird", sagte Brakel.
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