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TV-Serie "The Knick"
Spannende Medizingeschichte in fiktivem Gewand

Krankenhaus-Serien haben meist etwas glamouröses, mit smarten Ärzten und gut aussehenden Schwestern. Doch "The Knick", die viel gelobte HBO-Serie, die heute in ZDFneo startet, erzählt von den blutigen Anfängen der zeitgenössischen Medizin.

Von Achim Hahn | 18.08.2015
    Ein Stethoskop und eine Brille liegen auf einem Arztkittel.
    "The Knick" ist die Kurzform für das fiktive Krankenhaus "The Knickerbocker" in Lower Manhattan. (dpa / picture-alliance / Arno Burgi)
    New York City im Jahre 1900. Ein Mann erwacht in einem Bordell. Nimmt sich eine Pferdedroschke. Der Soundtrack ist enervierend, moderner als die Bilder dieser Großstadt zu Beginn des letzten Jahrhunderts. Die Stadt: düster, menschenüberlaufen, dreckig, ein totes Pferd auf der Straße, eine Straßenbahn. Der Mann in der Kutsche spritzt sich Drogen in den Fuß. "The Knick" - Steven Soderberghs viel gelobte neue Serie, beginnt nahezu wortlos. Ankunft in einem medizinischen Hörsaal.
    "Gentlemen!"
    Detailliert: die blutige Vorführung eines - misslungenen - Kaiserschnitts:
    "Es scheint beinah, als genügten wir den Anforderungen noch nicht. Ich hoffe dennoch, es ist zumindest für Sie alle höchst lehrreich gewesen."
    Der behandelnde Chirurg bringt sich um. Sein Assistent, der Mann aus der ersten Szene, wird neuer Chefchirurg des renommierten, fiktiven "Knickerbocker"-Hospitals. Sein Name: Dr. John Thackery.
    "Wir leben in einer Epoche unbegrenzter Möglichkeiten. Wir haben in den letzten fünf Jahren mehr über den menschlichen Körper erfahren, als in den vergangenen 500 Jahren. Vor 20 Jahren war 39 das Lebensalter, das ein Mensch zu erwarten hatte, heute sind es schon 47! Ohne Zweifel werden die Herzen unserer Patienten alle aufhören zu schlagen. Aber wir Menschen können während unserer Schlacht ein paar gute Treffer landen, bevor wir uns ergeben."
    Mischung aus düsterer Frustration und luzidem Fortschrittsglauben
    Die medizinische Versorgung seinerzeit ist ambitioniert, aber noch weit in den Anfängern einer modernen Medizin steckend: schmerzhaft, blutig und eher ein frustrierender Kampf um Leben und Tod.
    "Sie können deutlich erkennen, dass schon sehr viel Blut aus der Bauchhöhle austritt. Absaugen, Everettt! - Skalpell! - Der Puls wird schwächer!"
    Die Serie "The Knick" erzählt von den Fortschritten, die in dem New Yorker Hospital erzielt werden - dank innovativ forschender Ärzte:
    "Dr. Thackery!"
    "Ja."
    "Darf ich fragen, was sie da herstellen?"
    "Das ist eine Idee für die Verbesserung eines chirurgischen Instruments."
    Die Stimmung der Serie: eine Mischung aus düsterer Frustration und luzidem Fortschrittsglauben, gepaart mit dem individuellen Antrieb, Karriere zu machen - als Arzt, als Forscher.
    "Mr Barrow, wann erhalten wir weitere Leichen? Wir haben unsere letzten verbraucht, und meine Chirurgen scheinen das Gefühl zu haben, dass es nützlich ist, eine Operation zu proben, bevor man sie wagt"
    "Ich widme mich dem mit vollem Einsatz, aber bis jetzt ist nichts herausgekommen. Bisher brauchten wir nur mit den Universitäten Columbia und New York um Leichen zu konkurrieren. Aber ich bekomm einfach keine Leichen."
    Im ersten Teil gibt's noch wenig Story. Statt dessen wird bildgewaltig die medizinische Ausgangssituation gezeigt.
    "Gentlemen: Zerstäuber einschalten. Sind alle geschrubbt, gewaschen, gesäubert, entlaust, frisch geläutert durch Gott?"
    "Alles, bis auf das letzte"
    "Was macht der denn hier?"
    "Sie haben ihn eingestellt."
    "Ich bin hier, um bei der Operation zu helfen."
    "Der rührt mich nicht an."
    "Keine Sorge Mr. Gentile, er fasst Sie nicht an. Wir dürfen wegen seiner Lunge keinen Äther einsetzen, aber wir können niemanden operieren, der wach ist."
    "Ich weiß, ich habe unterwegs darüber nachgedacht."
    Im Verlauf der zehnteiligen Serie zentriert sich alles um die Versuche und Irrtümer der maßgeblich handelnden Figuren: der Ärzte, der raubeinigen Sanitäter oder der weiblichen Krankenhausleitung, die unter ähnlichen Finanzproblemen wie heute leidet, - und es kommt die Geschichte des afroamerikanischen Assistenzarztes hinzu - in Zeiten vorherrschender Rassendiskriminierung.
    "Ich bin nicht daran interessiert, den Vorstoß bei einer Vermischung der Rassen zu sein."
    "Dr. Edwards ist genauso befähigt, wie jeder andere Arzt in diesem Hospital, vielleicht sogar noch mehr.
    "Mag wohl sein, aber so wie ein Ladenbesitzer niemals eine Ware in sein Regal stellt, die kein Kunde kaufen möchte, würde ich keinen Chirurgen einstellen, von dem er sich nicht operieren lassen würde."
    "Dann müssen die Patienten von seinen Qualitäten überzeugt werden."
    "Wollen Sie mir allen ernstes einreden, dass der Ausweg aus unseren finanziellen Schwierigkeiten darin besteht; einen Negerchirurgen [sic!] einzustellen?"
    Oscarpreisträger Steven Soderbergh, der keine Kinofilme mehr drehen will, hatte bereits mit "Liberace - Behind the candelaber" eine erste preisgekrönte Miniserie für HBO gedreht. "The Knick" bietet spannende Medizingeschichte in einer fiktiven Handlung, die manchmal - auch wegen der blutigen Operationsbilder - wie ein Schlag in die Magengrube wirkt.
    "Klemmen Sie ab, Everett."
    Bildstark inszeniert in düster-monochrom wirkendem Zeitkolorit.
    "Sie müssen das hier aufhalten, während ich dieses Stück exzidiere."
    Dazu: eindrucksvolle, fast psychedelische Sound- und Musikeffekte und eine hervorragende Besetzung: allen voran Clive Owen als arroganter, selbstverliebter, aber auch brillanter Dr. Thackery und André Holland als schwarzer Arzt Dr. Edwards.
    "War nett, Sie kennengelernt zu haben, Dr."
    "Ich werde diesen Zirkus nicht verlassen, ehe ich nicht alles gelernt habe, was Sie mich lehren können."
    The Knick - Unbedingt sehenswert!