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TV-Wünsche für 2015
Verzicht kann auch Gewinn sein

Talken, kochen, casten: 2014 bot das TV-Programm nichts Neues. Belanglosigkeiten wurden zu Sensationen aufgeblasen, diskutiert ohne etwas zu sagen, und nach Talenten gesucht, ohne wirklich welche zu finden. Für 2015 wendet sich unser Autor Klaus Deuse deshalb an die Fernsehmacher.

Von Klaus Deuse | 03.01.2015
    Eine Fernbedienung.
    Was das TV-Jahr 2015 bringt - wahrscheinlich nichts Neues, meint Klaus Deuse vom DLF. (picture alliance / dpa / Caroline Seidel)
    "Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, gerade in Deutschland haben wir Grund zur Zuversicht."
    Haben wir das wirklich? Egal: Zu Beginn eines neuen Jahres neigt man immer zur Zuversicht, dass sich so manches verbessert. Auch in den Medien. Als Journalist in dieser Branche hat man jedenfalls ein paar Wünsche.
    Vorweg darum ein Appell an die Verlage: bitte überschwemmt die Kioske nicht mit noch weiteren bunten Blättern wie "Land-Liebe", "Land-Lust", "Wohnen auf dem Land" oder "Ländliche Leckereien". Und alle Jahre wieder treibt mich die Erwartung um, dass Politiker in Interviews oder Talkshows endlich einmal Klartext reden. Es wäre dem omnipräsenten Wolfgang Bosbach einfach zu gönnen, nicht immer nur allein auf allen Kanälen aufrichtig um Erklärungen ringen zu müssen. Allerdings hält sich die Zuversicht da doch in engen Grenzen. Denn:
    "Schweigen wird ja sowieso zu einer Rarität in unserer Gesellschaft. Denken beim Reden ist auch nicht so einfach."
    Noch mehr Kochformate
    Stimmt. Auch beim Kochen vor der Kamera. Selbst mit leerem Kühlschrank konnte man bisher vor dem Fernseher bei der Flut von Kochshows pappsatt werden. Einer meiner innigsten Wünsche ist darum, dass Johann Lafer, Alfons Schubeck, Nelson Müller, Tim Mälzer und wie die TV-Brutzler alle heißen, 2015 nur noch in ihren eigenen Restaurants die Pfannen schwingen, um Platz für wirklich gehaltvolle Unterhaltungs- und Informationssendungen zu schaffen.
    "Das ist schon viel zu viel – wie ich finde."
    Von wegen!!! Offenbar nicht genug. Ausgerechnet ZDFinfo hievt 2015 noch so ein Futter-Format namens "Das Kochkommando" ins Programm, das sich u.a. auf die Suche nach dem "Steinzeit-Dinner" macht. Ach, in den Medien ließe sich zur geistigen Entschlackung auf Vieles verzichten. Etwa auf die Suche nach irgendeinem Superstar, einem Supertalent, einem Next-Top-Model oder einer Promi-Shopping-Queen.
    Auf das Ende dieser Casting-Quälereien werde ich aber wohl vergeblich warten, auch wenn selbst an solchen Sendungen Beteiligte mitunter ihre liebe Mühe haben, den Quotenerfolg zu erklären.
    "Also verstehen tue ich das überhaupt nicht, warum das so ist."
    Viele Worte, wenig Inhalt
    Trotzdem gebe ich die Hoffnung nicht auf, dass sich einmal die Einsicht durchsetzt, dass Verzicht auch Gewinn bedeuten kann. Zum Beispiel im Verzicht auf absolut unrepräsentative Straßenumfragen in Nachrichtensendungen, wo dann ein zufällig an der Kamera vorbeilaufender Manfred Mustermann seinen Senf zu allem in ein paar Sekunden dazugibt. Vom Asylrecht über die Herdprämie bis zum Wetter. Oder diese hirnrissigen Gewinnspiele mit nur zwei Antwortmöglichkeiten, die nicht mal Vollpfosten zum Grübeln zwingen.
    Nicht zu vergessen diese unsäglichen Ranking-Shows diverser dritter Programme, bei denen die Zuschauer die traumhaftesten Talsperren oder die tollsten Traktoren in ihrem Sendegebiet küren sollen. Wer braucht denn so was? Und wenn in einem TV-Werbespot ein Mensch mit einem angeblich fast geräuschlosen und dennoch hochleistungsfähigen Staubsauger um einen Tiger herumsaugt, ohne dass die große Katze durchdreht und zuschlägt, dann ist das erkennbar ein Werbe-Schmarren.
    Warum muss dann ein montägliches Ratgeber-Format zur besten Sendezeit im Ersten einen Dompteur samt Tiger engagieren, nur um in einem Käfig vor laufender Kamera zu dokumentieren, dass selbst ein dressierter Tiger hochallergisch auf einen laufenden Staubsauger und den daran hängenden Menschen reagiert. Für wie blöd hält man eigentlich den Verbraucher vor der Glotze?
    Sie werden 2015 wohl unerfüllbar bleiben, die meisten Hoffnungen und Wünsche auf Verbesserungen im Mediengeschäft. Doch man kann sie zumindest anregen und darüber nachdenken.
    "Also, das ist ein Thema, was wir unbedingt aufnehmen müssen."