Sonntag, 07. April 2024

Archiv


Twittern fürs Amt

Kommunikation.- Mehr digitale Transparenz sowie verbesserte Kommunikationsmöglichkeiten mit Ämtern und Behörden via Internet: Das wollen die Teilnehmer des ersten deutschen Government 2.0 Camps erreichen, das nun in Berlin stattfand.

Von Wolfgang Noelke | 29.08.2009
    Alles ist neu: Selbst das als sogenanntes "Bar Camp" geplante Treffen: Wer gestern früh auf der Seite www.gov20.de das übliche Konferenzprogramm suchte, fand eine leere Seite. Keine sogenannten "Papers", keine "Abstracts" und außer Veranstaltungsort und Beginn nur eine vage Kurzbeschreibung, dass über die Umsetzung interaktiver und bürgernaher Kommunikation diskutiert werde. Alles andere wurde von den aus ganz Deutschland zum Teil mit privaten Mitteln nach Berlin angereisten, knapp 500 Teilnehmern zum Beginn der Veranstaltung verabredet und erschien gleichzeitig schriftlich im Internet. Eine Konferenzform, die in diesem Fall die Microsoft-Managerin Anke Domscheit aus den USA nach Deutschland importierte:

    "Jeder, der ab und zu in eine Konferenz geht, kennt das Gefühl: Da vorne sitzen fünf Leute auf dem Panel, die Kompetenz sitzt im Saal, kommt nicht zu Wort, es wird dort vorne überzogen und die Pause gekürzt und dann kann ich noch nicht mal in der Pause von der Kompetenz einen Nutzen ziehen. Und genau das kehrt ein Bar-Camp um: Das richtet einmal die Agenda danach aus, live und direkt in der ersten Planungs-Session sozusagen, was die Leute, die dort sitzen, eigentlich haben wollen, aber auch welche Kompetenz sie mitbringen! Es sind ja dann ganz, ganz viele involviert, die sich direkt und pro-aktiv daran beteiligen, aber die Sessions selbst, die Einzelne anbieten, sind auch nochmal interaktiv, indem man mit allen Beteiligten diskutiert und in der Diskussion gemeinsame Inhalte neu schafft. Und das hat man dann; die Intelligenz der Massen, das Web 2.0 in dem Veranstaltungsformat auch nochmal widergespiegelt."

    Die Verwaltungsmitarbeiter, sonst in einer geordneten dienstlichen Hierarchie beheimatet, erlebten, wie die Grenze zwischen Vortragenden und Zuhörern aufgehoben wurde, ohne dass Chaos entstand. In einer ähnlichen Weise könnten auch sie einmal die Grenze zwischen Amtsträgern und Bürgern aufheben. Das sogenannte "Mitmach- Web", das Web 2.0, dient hier als Vorbild. Sofern sie nicht Persönlichkeitsrechte verletzen, sollen alle Verwaltungsdaten den Bürgen in verständlicher Form im Internet zugänglich sein und alle Entscheidungswege transparent dargestellt werden. Diese Transparenz ermögliche sogar eine Entlastung der Verwaltung durch die Bürger selbst, sagt Franz Reinhard Habbel vom Deutschen Städte- und Gemeindebund und nennt dies "Public Citizen Partnership":

    "Ich glaube, dass der Bürger auch eigenverantwortlich Aufgaben übernehmen wird, in einer künftigen Netzgesellschaft. Wir erleben das heute schon, dass Eltern Kindergärten organisieren, in einem Netzwerk. Das wird zu einer Art Bürger- Selbstverwaltung führen, wo die Bürger vielleicht sogar Vereinbarungen treffen mit ihrer Kommune, wo sie bestimmte Services nochmal für diese Maßnahme auf Zeit verfügbar gemacht bekommen. Eine solche Vereinbarung wäre eine "Public Citizen Partnership", wo eben auch Aufgaben, die wir jetzt noch im staatlichen kommunalen Bereich haben, vielleicht in anderen Kommunikationsformen mit Bürgerinnen und Bürgern gemeinsam abgewickelt werden können. Und hier ist das Web 2, überhaupt das Internet ein ideales Medium, sowohl in der Vorbereitung, in der Ideensammlung, als auch im Betrieb, in der Umsetzung solcher Maßnahmen, Dienste zu leisten."

    So wäre es für beide Seiten viel effektiver, wenn Bürger, statt über behördliche Missstände und zu twittern, mit den Behörden twittern, bereits während des Entscheidungsprozesses. So nervten Einwohner im Brandenburgischen Kleinmachnow die Behörden so lange, bis dort der Lehrermangel behoben wurde und in Rheinland-Pfalz haben alle Ämter auf Wunsch der Onliner jetzt einheitliche Formulare, wie der fürs eGovernment zuständige Ministerialdirektor Jürgen Häfner aus dem Mainzer Innenministerium erklärt, der auch den sogenannten "Nonlinern" eine Onlineangebot ermöglicht, über Telefon:

    "Ein Drittel der Bürger, das wussten wir noch nicht, haben uns – das ist eine repräsentative Umfrage – in Rheinland-Pfalz gesagt, dass sie jetzt schon eGovernment-Anwendungen wünschen. Und von denen, die eGovernment nutzen, auch anderen, haben wir feststellen können, dass man gesagt hat: ’Wir würden ganz gern noch stärker in elektronischer Form mit der Verwaltung kommunizieren’. Telefon, wird man sehen, dass natürlich gewisse Dinge nicht übers Telefon möglich sind, sondern dass man, wenn's um Dinge geht, die den Persönlichkeitsbereich der Bürger und Bürgerinnen betreffen, da wird man nach wie vor sagen müssen, ’Besorgen Sie sich einen elektronischen Personalausweis oder eine andere Möglichkeit der Identifizierung.’ Es gibt ja noch die Signaturkarte. Und sonst gibt’s immer noch die Möglichkeit, zur Behörde zu kommen."