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Twittern in der Bundesversammlung

Bei der Wahl Christian Wulffs zum Bundespräsidenten 2010 verrieten zwei Abgeordnete das Wahlergebnis frühzeitig über Twitter - noch bevor es offiziell war. Das kam nicht gut an. Twitterer wie Martin Delius von der Piratenpartei lassen sich die Echtzeit-Kommentare dennoch nicht verbieten.

Von Markus Dichmann | 17.03.2012
    "Soweit Fraktionen oder einzelne Mitglieder der Bundesversammlung Blumengebinde bereit gestellt haben, rege ich an - nach den begeisternden Erfahrungen der letzten Bundesversammlung -, diese erst nach Verkündigung des Wahlergebnisses in den Plenarsaal bringen zu lassen."

    Bundestagspräsident Norbert Lammert 2010. Und woran er erinnert, ist ein peinlicher Vorfall in der Bundesversammlung ein Jahr zuvor: Die Blechbläser und Saaldiener des Bundestages kamen zu früh in den Saal marschiert - noch bevor damals Horst Köhler offiziell als Wahlsieger bekannt gegeben war.

    Peinlich, aber eher zum Schmunzeln. Über eine andere Peinlichkeit lässt es sich aber bis heute noch nicht gut lachen: Zwei Abgeordnete hatten das Wahlergebnis frühzeitig ausgezwitschert - per online Dienst Twitter.

    "Das ist problematisch, weil man da einen offiziellen Ablauf hat. Gut, man kann jetzt nicht sagen, dass ist schädlich, weil das Ergebnis dann in dem Fall ja schon feststeht, aber es ist dann schon angemessen, dass man darauf wartet, dass der Wahlleiter das Ergebnis verkündet. Also das ist ein bisschen rüpelhaft."

    Der Pirat Martin Delius nennt die Zwitscherer aus 2009 rüpelhaft. Er wird als einer von zwei Piraten aus dem Berliner Abgeordnetenhaus entsandt. Auf Twittern will er in der Bundesversammlung 2011 aber nicht verzichten.

    "Ich twitter ja sowieso auch aus Ausschüssen, ja auch von Veranstaltungen, die ich besuche und auch über die Veranstaltungen, also insofern wäre das nichts Neues."

    Nichts Neues, denn Twitter ist wirklich längst in der Politik angekommen. Steffen Seibert, Regierungssprecher, twittert. Auch Familienministerin Kristina Schröder, twittert. Aber nicht überall stößt das Twittern auf grenzenlose Freude. Thomas Oppermann, parlamentarischer Geschäftsführer der SPD:

    "Twittern aus nicht öffentlichen Sitzungen ist entschieden ein Ärgernis. Das zerstört auch den Charakter dieser Sitzungen. Das kann man aber wahrscheinlich nicht mit rechtlichen Regeln, sondern nur mit einer Verständigung über eine vernünftigen Diskussions- und Debattenkultur erreichen. Wir werden daran arbeiten."

    Aber auch bei dieser Bundesversammlung wird das Twittern wieder erlaubt sein. Eine Lehre hat man allerdings gezogen: Für die Schriftführer, die direkt an der Stimmenauszählung beteiligt sind, gilt striktes Handy- und Smartphone-Verbot. Pirat Martin Delius wird also ungehindert twittern können.

    "Grundsätzlich bin ich in der Lage und die meisten Twitterer sind das auch - ich bin ja nicht der einzige Twitterer in der Bundesversammlung -, sie können verantwortungsvoll mit diesem Medium umgehen und müssen auch keine Ergebnisse vorab twittern, sondern twittern halt eben das, was ihnen in den Kopf kommt."